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#Radikalisierungsforscher über psychisch gestörte Terroristen

Radikalisierungsforscher über psychisch gestörte Terroristen

Herr Neumann, Sie erforschen Radikalisierungsprozesse. Der 24 Jahre alte Somalier, der in Würzburg drei Menschen erstach, war offenbar psychisch krank und rief bei der Tat angeblich „Allahu akbar“. Haben wir es wohl mit einem gestörten Amokläufer zu tun? Oder mit einem Dschihadisten?

Das schließt sich nicht aus. Wir wissen aus empirischen Studien, dass es besonders bei Einzeltätern sowohl auf islamistischer als auch auf rechtsextremistischer Seite eine ganz große Überschneidung gibt mit Leuten, die psychisch krank sind. Paul Gill und Emily Corner haben herausgefunden, dass psychologische Krankheitsgeschichten bei terroristischen Einzeltätern 13,5 Mal so häufig vorkommen wie bei Angehörigen von Terrorgruppen.

Dann war der Würzburger Täter kein Einzelfall?

Peter Neumann leitet das International Centre for the Study of Radicalisation am Londoner King‘s College.


Peter Neumann leitet das International Centre for the Study of Radicalisation am Londoner King‘s College.
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Bild: dpa

Ich würde sogar mittlerweile sagen, dass dies der dominante Typus der terroristischen Attentäter in Europa ist. Und er stellt die Sicherheitsbehörden wie die Öffentlichkeit vor ganz neue Probleme. Denn es wird noch einmal schwieriger, diese Taten überhaupt noch einzuordnen und genau zu bewerten – vom Verhindern zu schweigen.

Ist der „Heilige Krieg“, den Islamisten predigen, für diese Art von Einzeltäter damit eine austauschbare Parole?

Für jemanden, der bereits unter Wahnvorstellungen leidet, sind solche Aufrufe von Islamisten ebenso wie von Rechtsextremisten ein Brandbeschleuniger. Wenn man auf das Spektrum der Täter schaut, dann gibt es auf der einen Seite kalt kalkulierende Ideologen und auf der anderen den psychisch Kranken, der unter Wahnvorstellungen leidet. In der Mitte verorte ich Verschwörungstheoretiker, deren Ideen ja scheinbar rational sind, aber gleichzeitig oftmals auf Wahnvorstellungen basieren und diese verstärken können.

Die Biographien von Rechtsextremisten und Islamisten klaffen auseinander. Der Täter von Würzburg etwa floh aus einem Kriegsgebiet. Wie kommt es, dass Täter beider Gruppen ähnliche psychologische Probleme aufweisen?

Das ist eine relativ neue Entwicklung, weshalb ich darauf auch noch keine Antwort habe. Vor zehn, fünfzehn Jahren war unter Forschern Konsens, dass Terroristen psychologisch normal sind. Fest steht, dass heute die Menschen viel mehr Zeit im Internet verbringen. Ich glaube schon, dass labile und sozial isolierte Leute über gewisse Anfälligkeiten verfügen, die durch extremistische Propaganda dort sehr stark angesprochen werden.

Das sind also keine Leute mehr wie die, die für Al-Qaida vor 20 Jahren Flugzeuge in Wolkenkratzer steuerten.

Nein. Das sind Menschen, die von Mohammed Atta und den Planern vom „11. September“ wohl aussortiert worden wären, wenn sie sich angeboten hätten.

Was können die Sicherheitsbehörden gegen diese Einzeltäter tun?

Zunächst tun die schon eine ganze Menge. Wir sehen ja immer weniger Anschläge in Europa. Extremistische Gruppen wie der „Islamische Staat“ setzen deshalb so stark auf diese Einzeltäter verherrlichende Propaganda. Organisierte Gruppen sind kaum noch erfolgreich. Die Sicherheitsbehörden durchdringen mittlerweile die Netzwerke, und wenn wie in Paris zwölf Leute über Monate hinweg miteinander kommunizieren und einen Anschlag vorbereiten, dann gibt es eine sehr große Chance, dass das von den Sicherheitsbehörden auch entdeckt wird.

Den einsamen Wolf macht doch gerade aus, dass er nicht kommuniziert.

So einsam sind diese Wölfe häufig gar nicht. Der Fall Würzburg mag da eine Ausnahme gewesen sein, aber viele andere Einzeltäter, auch solche mit psychologischen Problemen, tauchen durchaus auf dem Radar der Sicherheitsbehörden auf. Studien zufolge kommunizieren zwischen 60 und 80 Prozent ihre Absicht vorher Freunden, Bekannten, ihren Eltern – oder im Internet. Häufig sind es schwache Signale. Wir müssen lernen, diese Signale besser zu interpretieren und besser darauf aufzupassen.

Wie soll das konkret geschehen?

Wenn jemand in psychischer oder psychiatrischer Behandlung ist und plötzlich vom Dschihad spricht, dann muss beim Psychiater die Warnlampe angehen. Hierfür muss es Protokolle und Training geben. Zudem müssten noch mehr Psychologen in der Präventionsarbeit und in den Sicherheitsbehörden tätig sein. Gerade auch für die Arbeit mit Leuten, die wie der mutmaßliche Täter von Würzburg aus Flüchtlingsländern kommen und häufig durch Traumata belastet sind.

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