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#Zurück im Stall mit James Herriot

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Zurück im Stall mit James Herriot

Aufgeräumte Herren in Tweed, die mit Oldtimern durch den von Steinmauern durchzogenen malerischsten Teil Yorkshires knattern, um bei Milchbauern, unter deren vierschrötiger Schale sich fast immer ein goldenes Herz für ihre Tiere verbirgt, die Ärmel hochzukrempeln und, bis zur Schulter von der Kuh absorbiert, Geburtshilfe beim Kalben zu leisten: So hat die von Bill Sellars produzierte BBC-Serie in „Der Doktor und das liebe Vieh“ (im Original „All Creatures Great and Small“) von Ende der Siebziger an bis 1990 und in Wiederholungen weit darüber hinaus mit phänomenalem Erfolg weltweit Werbung für die freundlich-rurale Variante der Britishness und den Berufsstand des Veterinärs gemacht.

Ursula Scheer

Christopher Timothy als James Herriot und Robert Hardy in der Rolle des gleichermaßen exzentrischen, cholerischen wie gutmütigen Praxis-Seniors Siegfried Farnon ließen weithin vergessen, dass sich zuvor schon Simon Ward und Anthony Hopkins in einem Kinofilm als Helden der literarisierten, unter Pseudonym veröffentlichten Lebenserinnerungen des Landtierarztes James Alfred „Alf“ Wight versucht hatten. Die ungleich wirkmächtigere Fernsehserie schuf die definitive Version; sie träumte sich aus der Realität der Thatcher-Ära zurück ins England der dreißiger, vierziger und schließlich fünfziger Jahre, als die Briten sich auf der Siegerseite der Geschichte wussten und zumindest im fiktionalen Örtchen Darrowby über den Einbruch des Zweiten Weltkriegs hinweg noch ganz eins mit sich selbst und ihren Mitgeschöpfen waren – selbst wenn auch in diesem Idyll Traktoren nach und nach die Pferde ersetzten.

Nun geht eine britisch-amerikanische Neuauflage von Channel 5 und PBS auf Sendung, bei uns zu sehen auf Sky. Grund dafür gäbe es, dreißig Jahre nachdem die letzte Episode der alten Serie abgedreht wurde und fünfzig Jahre nachdem Wights erster James-Herriot-Band herauskam, genug. Der Blick zurück hat sich verändert, neue Perspektiven könnten sich auftun, Nebenfiguren – zumal die weiblichen – stärkeres Gewicht erhalten, das Heile-Welt-Pathos dürfte sachte angekratzt werden. In der Eröffnungsepisode des Remakes, die vorab zu sehen war, findet sich derlei allerdings in solch homöopathischen Dosen, dass sich durchaus die Frage stellt, was mehr, als bildtechnisch auf der Höhe des Streaming-Zeitalters zu sein, das Ganze überhaupt will.

Ausgesetztheit im ländlichen Nirgendwo

James Herriot joggt in Gestalt des Schauspielers Nicholas Ralph ins Bild, auf dass er bei seinem Lauf Richtung elterlicher Wohnung ein pittoreskes Zwischenkriegs-Panorama des Glasgows weniger wohlhabender Leute durchmisst. Der Held landet also nicht mehr wie aus dem Nichts mit dem Bus in den Yorkshire Dales, er erhält eine rührselig inszenierte Herkunftsgeschichte (Regie „Downton Abbey“-Veteran Brian Percival, Drehbuch Ben Vanstone), in der ein Vater seinen Traum vom Leben als Berufsmusiker aufgab, um wirtschaftlichem Zwang gehorchend in den Docks zu arbeiten. Der Sohn soll es besser haben.

Einer Fahrt von einem seltsam verwaisten Glasgower Bahnhof aus folgt Ausgesetztheit im ländlichen Nirgendwo, fast wie Jane Eyre im Moor, und eine Ankunft im strömenden Regen bei dem nun eher granteligen statt spleenigen Junggesellen Farnon (Samuel West) und einer sichtlich frischer wirkenden Haushälterin Mrs. Hall (Anna Madeley). Der neue James Herriot ist ein sympathischer Jungspund ohne Selbstvertrauen und Berufserfahrung, der sogleich bei der Hufbeschau im Matsch landet und den falschen Kater zur Kastration trägt, aber dennoch – der Spannungsbogen über das finale Kuh-Kreißen in Folge eins kann darüber nicht hinwegtäuschen – als Assistent ankommt.

Buchtreu und nah an der BBC-Vorlage werden Episoden rund um kleinere und größere Tiere als leichte Unterhaltung in Szene gesetzt, fast in derselben Gegend, in der früher gedreht wurde, Wight gewirkt hatte und seine Praxisräume als James-Herriot-Museum heute Auswärtige locken. Die Ausstattung der siebenteiligen ersten Staffel, auf die zwangsläufig weitere folgen müssen, ist stilecht-würdig, die Slapstick-Einlagen, die dramaturgischen Vorhersehbarkeiten und sogar die musikalischen Themen sind fast ganz die alten. Doch eine Glätte umgibt nun das Spektakel, die es seltsam wächsern wirken lässt.

Timothy, Hardy und Kollegen, geboren um die Zeit, in der die erzählte Zeit der BBC-Serie beginnt, hatten ein präzises Gefühl für den Habitus und die Schrullen der Generation, deren Angehörige sie spielten. Inzwischen ist solcherlei nurmehr Hörensagen, und auch von dem theatralisch gesteigerten verbalen Schlagabtausch ist nicht viel geblieben. Doch der neue Doktor schmerzt weder diejenigen, die den alten kannten, noch verwirrt er Unbelastete. Zum Fernsehklassiker wird der Epigone zwar kaum avancieren, aber als Familienserie für die Zielgruppe sechs bis hundertzwanzig zweifellos Trost spenden in schwierigen Zeiten – und die Hoffnung nähren auf einen neuen Tourismus-Boom in Yorkshire, wenn denn der Brexit und die Pandemie endlich heil überstanden sind. Bis dahin verabreicht James Herriot nicht nur Vierbeinern die bitter nötige süße Medizin.

Der Doktor und das liebe Vieh startet an Heiligabend um 20.15 Uhr auf Sky One HD.

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