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#Rausgeprüft im ersten Semester

Rausgeprüft im ersten Semester

An der TU Dresden lehrte viele Jahre lang ein berüchtigter Matheprofessor. Unter Studierenden der Fakultät Maschinenwesen war er auch als der „Exmatrikulator“ bekannt. Weil sie seine Prüfungen nicht bestanden, flogen viele Studierende von der Uni oder warfen freiwillig hin.

Der Professor arbeitet inzwischen nicht mehr an der TU Dresden, die Uni-Leitung will noch nie vom „Exmatrikulator“ und seiner Vorgehensweise gehört haben, die Geschichten über ihn gehen aber weiterhin um. Denn viele Studenten vermuten, dass das Rausprüfen System hat und die Unis am Anfang des Studiums mit besonders harten Klausuren bewusst dafür sorgen, dass Erstis aufgeben.

Der Vorwurf erscheint plausibel, wenn man sich den Hochschulpakt anschaut. Der regelte nämlich bis Ende 2020, dass Bund und Länder für jeden Studienanfänger eine Art Kopfprämie an die Universitäten zahlten. Unabhängig davon, ob der Studierende drei Monate oder drei Jahre an der Uni blieb, gab es zuletzt 26.000 Euro pro Ersti. Damit wollten Bund und Länder den Universitäten unter die Arme greifen, die seit 2007 mit einer regelrechten Flut von Studienanfängern zurechtkommen mussten.

Mehr Studenten, mehr Geld für die Uni?

„Dass in der dritten Phase des Hochschulpakts so stark die Studienanfängerzahl im Vordergrund stand, hat definitiv zu Fehlanreizen geführt“, sagt Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Keller beschäftigt sich seit Jahren mit der deutschen Hochschulfinanzierung. „Aus ökonomischer Sicht konnte den Hochschulen bislang egal sein, was mit Studienanfängern passiert“, erklärt er.

Cao Son Ta, der an der TU Dresden Verkehrsingenieurwesen studiert und sich im Studienrat engagiert, geht noch weiter: „Es herrscht unter Studierenden der Eindruck, dass zu viele Studienanfänger aufgenommen wurden, damit die Hochschule mehr Geld erhält“, sagt er.

Dabei hatte die dritte Phase des Hochschulpaktes eigentlich das Ziel, die Abbrecherzahlen zu senken. Seit 2016 sollten die Unis zehn Prozent der Bundes- und Landesmittel einsetzen, um mehr Studenten zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. „Denn zur Nachhaltigkeit des Hochschulpaktes gehört, dass ein Studium nicht nur begonnen, sondern auch beendet wird“, hieß es damals aus dem Bildungsministerium. Gefruchtet hat die Regelung nicht. Auch in den Jahren danach brach etwa jeder dritte Bachelor- und jeder fünfte Masterstudent sein Studium ab, ergab eine Analyse des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

Die RWTH ist berüchtigt für schwierige Klausuren

Deswegen ist Andreas Keller, der Fachmann für Hochschulfinanzierung, froh darüber, dass im Januar 2021 eine neue Vereinbarung in Kraft getreten ist. Der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“ soll dem Aussieben indirekt entgegenwirken: Nun erhalten Hochschulen Fördermittel von Bund und Ländern unabhängig von der Zahl ihrer Studienanfänger – insgesamt 3,6 Milliarden Euro pro Jahr. Davon entfallen 20 Prozent auf Erstis – egal, wie viele es sind. „Durch die neue Verteilung haben Hochschulen jetzt mehr Interesse daran, dass die Studierenden ihr Studium auch abschließen“, sagt Keller.

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Trotzdem glauben viele nicht, dass das Aussieben mit dem neuen Finanzierungspakt wirklich ein Ende finden wird. Denn schon vor dem Hochschulpakt brachen fast so viele ihr Studium ab wie heute. Aloys Krieg, Matheprofessor und Prorektor für Lehre an der RWTH Aachen, sagt, die Überforderung vieler Erstis habe wenig mit staatlicher Förderung zu tun. Die RWTH ist berüchtigt für schwierige Klausuren. „Hohe Abbruchquoten, auch unter Erstsemestern, sind bei uns intern ein großes Thema.“

Krieg glaubt, es liege unter anderem an geringen Zulassungsbeschränkungen. An der RWTH haben die Bachelorstudiengänge Bauingenieurwesen und Maschinenbau keinen Numerus clausus. „Damit geben wir auch Abiturienten, die in der Schule nicht nur Einsen hatten, die Chance auf ein anspruchsvolles Studium.“ Nur kann es auf diese Weise eben passieren, dass Studierende an schwierigen Prüfungen scheitern.

„Heute ist der Professor schuld“

Der zweite Grund, den Krieg sieht: „Früher galten hohe Durchfallquoten in Prüfungen mal als Beweis für gute Lehre.“ Nach dem Motto: Hier schaffen es nur die Allerbesten. Der Matheprofessor hält das für überholt und setzt sich für einen sanfteren Studieneinstieg ein. Er plädiert dafür, dass Studenten bei Prüfungen zusätzliche Fehlversuche bekommen, solange sie insgesamt Fortschritte machen. Die RWTH hat außerdem ein Ampelsystem eingeführt: Wenn bei einer Prüfung mehr als 50 Prozent der Teilnehmer durchfallen, steht die Ampel auf Rot. Dann versucht Prorektor Krieg gemeinsam mit seinen Kollegen herauszufinden, warum so viele Studierende die Klausur nicht geschafft haben. Ein ähnliches System gibt es auch an der TU Dresden.

Aber auch die Studenten selbst könnten mitverantwortlich für das Phänomen „Rausprüfen“ sein. Krieg und den anderen Dozenten an der RWTH fällt regelmäßig auf, dass vielen Erstis die Grundkenntnisse in Mathe fehlen, die sie schon am Anfang des Studiums brauchen. Krieg hat den Eindruck, dass sie sich oft nicht motivieren können, solche Defizite vor Klausuren aufzuarbeiten. „Überspitzt gesagt: Früher hat ein Student bei einer schlechten Note den Fehler bei sich selbst gesucht, heute ist der Professor schuld.“

Lukas Kaboth steht eigentlich auf der Seite der Studenten. Kaboth vertritt seine Kommilitonen in Maschinenbau an der RWTH. Trotzdem sieht er es ähnlich wie Krieg. Er ist der Meinung, dass schwere Klausuren für Qualitätssicherung sorgen. „Natürlich gibt es im Studium harte Prüfungen, bei uns Maschinenbauern“, sagt Kaboth. „Ich glaube aber nicht, dass unsere Uni in den ersten Semestern aus finanziellen Gründen aussiebt.“ Stattdessen zeige sie den Erstis damit, worauf sie sich einstellen müssen, wollen sie ihr Studium wirklich durchziehen.

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