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#Die Angst des Schutzmanns vor dem Gefledder

„Die Angst des Schutzmanns vor dem Gefledder“

­Die Arbeiten des 1962 im niederländischen Groningen geborenen Künstlers Aernout Mik strahlen fast immer einen heiligen Ernst aus, ob­wohl oder gerade weil bei ihm häufig Vertreter von Staatsmacht wie Balletteusen im Schwanensee surreale Choreographien aufführen. Insofern scheint es nicht weit hergeholt, die im abgedunkelten großen Saal der Frankfurter Schirn auf zwei respektive drei Leinwände aufgeteilte, eigens für die Ausstellung konzipierte Videoin­stallation „Threshold Barriers“ von 2022 sowie „Double Bind“ von 2018, die im Saal von einer diagonalen „Kirchenbank“ ge­trennt sind, als quasisakrales Diptychon und Triptychon zu empfinden. Wie in früheren Zeiten die monumentalen Passionsaltäre und Märtyrerdarstellungen in den Kirchen zeigen die beiden gleichermaßen großformatigen und mehrteiligen flackernden Tableaus Miks Bilder von Gewalt, Allmacht und Ohnmacht.

Ein halbes Jahrhundert Ohnmacht

Mik erforscht Suggestivbilder der Bedrohung, wie sie alltäglich im Fernsehen und in Zeitungen begegnen: Bilder von Terroranschlägen und der Reaktionen auf sie be­zie­hungs­weise der Ohnmacht ihnen gegenüber, wie sie spätestens seit den palästinensischen Mordanschlägen auf die israelische Olympiamannschaft von München 1972 und die fatal gescheiterten, hilflos herumstehenden Polizeikräfte fest ins deutsche Bildgedächtnis eingebrannt sind.

Ungläubiges Staunen: Ausstellungsansicht von Aernout Miks „Double Bind“ aus dem Jahr 2018 in der Schirn Kunsthalle.


Ungläubiges Staunen: Ausstellungsansicht von Aernout Miks „Double Bind“ aus dem Jahr 2018 in der Schirn Kunsthalle.
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Bild: Norbert Miguletz

Im zweiteiligen Video „Threshold Barriers“, das bereits im Titel sprachlich Schwellenangst und Barrikaden auftürmt, steigert Mik zum Zwecke der überzeichnenden Kenntlichmachung die für ihn oft konfliktbehaftete Begegnung von Gesellschaft und Staatsmacht, hier konkret von demonstrierenden Bürgern und Polizeikräften, ins Surreale: Im Offenen eines kafkaesk durch Absperrgitter und Bambusrohre zum Blicklabyrinth verschachtelten Käfigs vermischen sich nach dem Kampf völlig erschöpfte Demonstranten und Polizisten, solidarisieren sich und scheinen sich auf Augenhöhe zu begegnen. Ein De­monstrant trägt eine metallene Schutzmaske wie Doctor Doom aus dem Universum der Marvel-Comics, während andere aus Schirmen die Schildkröten-Formation des römischen Militärs nachzubilden scheinen oder mit dem Schirmstock ein Schießgewehr simulieren.

Im dreiteiligen Video „Double Bind“ hingegen, das mit seinen Klängen permanent in das lautlose „Threshold Barriers“ hinüberweht, will Mik eigener Aussage zufolge das Versagen institutionalisierter Strukturen von Autorität und der von ihnen verheißenen Sicherheit hinterfragen. Konkret ist auf drei parallelen Bildkanälen eine Antiterroreinheit im französischen ­Rennes zu sehen, die ebenso martialisch hochgerüstet wie dysfunktional einen unsichtbaren Feind angeht. Erst am Ende des Films zeigt Mik den Betrachtern kurz ein halbes Dutzend verängstigter Zivilisten in einem Hauseingang, die zu beschützen die sie umgebende Spezialeinheit vorgibt. Den völlig verängstigten Gesichtern der Überlebenden des mutmaßlichen An­schlags nach zu schließen kann sie das Versprechen aber nicht einlösen.

Bilder wiederholen sich auf fatale Weise

Dass im Video das schiere Chaos herrscht und es keinerlei nachvollziehbaren Plot eines koordinierten Vorgehens der Polizeitruppe gibt, lässt die Hilflosigkeit staatlicher Reaktionen auf „unsichtbaren“, zumindest jedoch asymmetrischen Terror umso schmerzhafter spürbar werden. Mik lässt etwa die in Schwarz gerüsteten Antiterrorkräfte der Reihe nach ex­trem verlangsamt aus dem Polizeitransporter kriechen, sodass sie in ihren Kampfmonturen wie riesige Insekten mit starren Chitinpanzern wirken. Wiederholt winden sie sich stöhnend, wie von ihrer eigenen Machtlosigkeit übermannt und zu Boden gedrückt, auf dem Grünstreifen oder der Straße, reiben mit ihren Gesichtern den Asphalt entlang oder drücken die Köpfe gegen eine Hauswand aus Granit.

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