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#Kreuz, Halbmond und Quecksilber

Kreuz, Halbmond und Quecksilber

Rodrigo Diaz de Vivar, der „Cid“, war ein Kriegsunternehmer des elften Jahrhunderts, der nicht für christliche, sondern bei guter Bezahlung auch für muslimische Herrscher kämpfte und am Ende vor allem in die eigene Tasche wirtschaftete. Das hat die Dichter Spaniens nicht daran gehindert, den Mann, der, als kastilischer Ritter geboren, sein Leben als Regent des maurischen Kleinkönigreichs Valencia beschloss, zum Nationalhelden und zum Symbol der Reconquista zu machen, der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel aus den Händen der Muslime. Mit dem hochmittelalterlichen Versepos „El Cantar de Mio Cid“ beginnt die Überlieferung seiner Taten, und mit Anthony Manns Hollywood-Klassiker von 1961 und einem spanischen Animationsfilm aus den zehner Jahren ist sie noch längst nicht zu Ende. Der Fünfteiler, den man ab heute bei Amazon Prime streamen kann, steht insofern in einer langen visuellen Tradition, an der man seine Bilder messen kann. Man kann es aber auch lassen.

Ein Intrigenkarussell am Hof

Andreas  Kilb

Denn eigentlich ist bei „El Cid“ von Anfang an alles klar. Ein Junge kommt aus der Provinz an den Königshof von León, um sich zum Ritter ausbilden zu lassen. Er muss und wird sich bewähren, auf dem Schlachtfeld und in der Liebe, und nach fünf Folgen ist er ungefähr da angekommen, wo der wirkliche Rodrigo Diaz im Jahr 1065 stand: an der Schwelle zur Höflingskarriere. Das ist für Historien-Serien höchstens die zweitbeste Heldenposition, und die Produzenten von „El Cid“ geben sich auch nur wenig Mühe, zu kaschieren, dass der eigentliche Inhalt ihres Fünfteilers nicht Rodrigos (Jaime Lorente) allmählicher Aufstieg ist, sondern das Intrigenkarussell am leónesischen Hof, wo ein machthungriger Graf (Carlos Bardem), ein durchtriebener Bischof, zwei ehrgeizige Prinzen und ihre mit allen Duftwassern gewaschene Schwester (Alicia Sanz) nur darauf warten, dass der alte König Fernando endlich seinen Thron freimacht.

Es liegt also „Game of Thrones“-Geruch in der Luft, und doch spürt man, wenn „El Cid“ beginnt, sofort den Rangunterschied zwischen der amerikanischen und der spanischen Serie. Das liegt nicht an den Schauplätzen – die Burg von Almenar de Soria und die Aljafería, der maurische Stadtpalast von Zaragoza, sind ebenso großartige Kulissen wie die Malta-Ansichten von Königsmund – und auch kaum am Budget. Es liegt vor allem daran, dass die Spanier ihre Story nie wirklich von der Leine lassen können.

Der jüngere Prinz geht leer aus

Ein Nationalmythos mit historischem Hintergrund lässt der dramaturgischen Phantasie eben wenig Spielraum, denn die diplomatischen Beziehungen zwischen León und dem Emir von Zaragoza und der Bruderzwist im Hause des Königs Fernando müssen nun einmal korrekt dargestellt werden, und wenn Fernandos ältester Sohn Sancho in der realen Geschichte sein Nachfolger wurde, dann hilft es wenig, dass in der fiktiven der jüngere, Prinz Alfonso, viel ansehnlicher und auch intelligenter wirkt. Alfonso, man ahnt es, wird seine Chance bekommen, aber erst weit jenseits des Horizonts dieser ersten halben Serienstaffel.

Am interessantesten, weil wandelbarsten sind in „El Cid“ die Frauenfiguren: die quecksilbrige Prinzessin Urraca, der die Autoren der Serie sowohl den Part der Femme fatale als auch den der Feministin vom Dienst übertragen haben; und die zwischen ehelicher Treue und politischem Verrat schwankende Königin Sancha, deren Darstellerin Elia Galera im spanischen Fernsehen ein Star ist. Rodrigos zukünftige Frau Jimena (Lucia Guerrero) bleibt auf die Funktion einer Stichwortgeberin beschränkt, und die mannstolle Tochter des Emirs von Zaragoza, mit der unser Held eine wilde Liebesnacht verbringt, ist eine erzählerische Kapitalanlage, mit der die Serie erst in Zukunft wuchern kann: Sie gibt dem Cid ein weniger kaufmännisches Motiv, nach Zaragoza zurückzukehren.

„El Cid“ schielt überdeutlich auf Verlängerung. Die Lebensgeschichte des Rodrigo Diaz de Vivar böte Stoff für mindestens eine weitere halbe und zwei bis drei ganze Serienstaffeln, falls die ersten Folgen beim Publikum einschlagen. Die Frage ist nur, warum sie das tun sollten. In fünf Bildschirmstunden sehen wir gerade mal eine Schlacht, einen Zweikampf und ein verhindertes Attentat, also ungefähr die Hälfte dessen, was im Kettenhemd-Genre üblich ist. Der Rest sind Straßenszenen und Dialoge, und zwar auf dem Niveau von „Vikings“, nicht von „Game of Thrones“. Vielleicht hätte man die Serie nicht, wie geschehen, bei altgedienten Regie-Schlachtrössern des spanischen Fernsehens, sondern bei Terry Gilliam in Auftrag geben sollen. Dessen „Don Quixote“-Film, der vor zwei Jahren in die Kinos kam, war zwar ein Monstrum, aber er hatte wenigstens Witz – und damit das, was man in „El Cid“ am heftigsten vermisst.

El Cid ist von heute an bei Amazon Prime Video verfügbar.

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