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Rohbau und Ruine

Die neue Stadt entsteht neben der alten Emscher an der Autobahn 42, im Hintergrund die denkmalgeschützte Silhouette des Hüttenwerks Meiderich, das in den neunziger Jahren, im Zuge der IBA, der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, zum Landschaftspark Duisburg-Nord umfunktioniert wurde. Das Ruhrgebiet ist hier ganz bei sich selbst. An einem Hügel erheben sich dreiundzwanzig Wohnhäuser, Schulgebäude und ein Supermarkt, dazu Kirchen und Schwimmbäder: Duisburg-„Neustadt“ ist noch eine Brache, doch soll die Siedlung in Zukunft mit zwei Pfaden erschlossen und vor allem auch grüner werden – so grün gar, dass die Vegetation sie vollends erobern und überwuchern wird. Das soll so sein. Denn niemals wird hier irgendjemand einziehen und wohnen. Die „Neustadt“ ist eine Geisterstadt und wird eine bleiben – ein künstlerisches Projekt von Julius von Bismarck und Marta Dyachenko.

Die Modellstadt im Maßstab eins zu fünfundzwanzig hat ein Vorbild in einem Erlebnispark namens Minidomm – vor Jahrzehnten hieß so einmal eine touristische Attraktion in Ratingen-Breitscheid, mit ikonischer Architektur im Miniaturformat, darunter Schloss Neuschwanstein, der Schiefe Turm von Pisa, das Brüsseler Atomium, die Dortmunder Westfalenhalle. Der Duisburger „Neustadt“ hingegen, man sieht es auf den ersten Blick, geht jeder Charme von populärer Baukunst ab, sie folgt auch keinem Kohlenpott-Klischee, das sich mit Bergwerk, Schlot und Förderturm mühelos abbilden ließe. Klugerweise verzichten die beiden Berliner Künstler auf Possierlichkeit und Nostalgie, und an dieser Nüchternheit ändert auch das 2019 flachgelegte, zu einem groben Klotz abstrahierte Kraftwerk „Gustav Knepper“ nichts. Was Bismarck und Dyachenko verhandeln, soll kein Ruhrpott-Minidomm darstellen und schon gar nicht romantisch die Seele baumeln lassen.

Ein raffiniertes Ensemble

In ihrer Ortschaft erbeben sich die Häuser vielmehr als spröde, minimalistische Skulpturen aus Beton, Glas und Stahl, sie sind Rohbau und Ruine zugleich; Farbe tritt nur sparsam hinzu. Das schafft Distanz und bietet die Möglichkeit, Bauten, denen man realiter in der Froschperspektive begegnet, als nackte Objekte auf sich wirken zu lassen. Statt Schachtanlage Hugo und Zeche Victoria versammelt die „Neustadt“ zum Zweck der Erinnerung verstreute Landmarken aus dem urbanen Raum im Revier, die in den vergangenen Jahren dem Rückbau – so heißt Abriss im Amtsdeutsch – anheimgefallen sind. Wie das 2016 niedergelegte Marler Hallenbad mit seiner grandiosen Glashalle, erbaut 1964 nach Entwurf von Heinz Burbaum, Günther Marschall und Hans-Joachim Thielcke; oder die Kirche St. Stephanus in Essen-Holsterhausen von Emil Jung aus den Dreißigern, ein raffiniertes Ensemble mit imposanter Rotunde. Solcher Verlust ist uneingeschränkt zu bedauern.

Marta Dyachenko und Julius von Bismarck vor ihrer Installation.


Marta Dyachenko und Julius von Bismarck vor ihrer Installation.
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Bild: Daniel Sadrowsk / Emscherkunstweg

Zu denken gibt die Abrissbirne aber auch in Fällen von lokal sicherlich bestgehassten Wohnkomplexen wie dem Weißen Riesen in Kamp-Lintfort, dem Goliath aus Marl und dem City-Wohnturm in Bergkamen – dessen Etagen sind an einem inneren Kern aufgehängt, das Hochhaus sieht aus wie aufgesockelt – ähnlich dem Marler Rathaus von Johannes Hendrik van den Broek und Jacob Bakema. So wie sie sich da versammeln, sind all diese Skulpturen ein Plädoyer für den Erhalt von Architektur und für mehr Fantasie in sämtlichen Stadien von Planung, Abwicklung, neuer Nutzung.

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