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#Alles neu im zweiten Anlauf?

Alles neu im zweiten Anlauf?

Bei der Parlamentswahl im Kosovo an diesem Sonntag stehen Albin Kurti und seine Partei „Vetevendosje“ (Selbstbestimmung) vor einem deutlichen Erfolg. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass „Vetevendosje“ wie schon bei der Wahl im Oktober 2019 wiederum stärkste Kraft werden wird – nur diesmal vermutlich mit deutlicherem Vorsprung als vor 16 Monaten.

Michael Martens

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Im Kosovo hoffen viele, dass nach einer turbulenten Zeit mit kurzlebigen Regierungen nun eine Phase größerer Stabilität anbrechen wird. Denn in der ersten Amtszeit Kurtis als Ministerpräsident dauerte es nicht einmal zwei Monate, bis der Koalitionspartner, die „Demokratische Liga des Kosovos“ (LDK), das Regierungsbündnis verließ und es damit zum Einsturz brachte.

Kein Weisungsempfänger Washingtons

Als offizieller Grund galt ein Streit über den richtigen Umgang mit der Pandemie, doch tatsächlich war ein anderer Faktor mindestens ebenso wichtig. Richard Grenell, dem Balkan-Beauftragten des damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump, war Kurti ein Dorn im Auge, weil er sich – anders als frühere kosovarische Ministerpräsidenten – nicht zu einem reinen Weisungsempfänger Washingtons degradieren ließ. So betrieb Grenell hinter den Kulissen und zum Teil auch ganz offen den Sturz Kurtis. Die LDK wurde unter enormen Druck gesetzt, die Koalition zu verlassen und gab den Drohungen schließlich nach.

Das hat den Siegeszug Kurtis zwar kurzzeitig unterbrechen, aber letztlich nicht aufhalten können. Seine Beliebtheitswerte wuchsen nach dem Zerfall der Koalition noch einmal deutlich an. Insbesondere unter der jüngeren Bevölkerung gilt Kurti als Hoffnungsträger. Sein Versprechen, Korruption und Vetternwirtschaft in dem kleinen Balkanstaat von kaum mehr als zwei Millionen Einwohnern systematisch zu bekämpfen, nimmt ihm ein großer Teil der Wählerschaft ab. Sie hoffen, dass ihr Idol, der von Teilen seiner Anhängerschaft kritiklos verehrt wird, im zweiten Anlauf genügend Zeit haben wird, seine Zusagen auch zu verwirklichen.

Solche Hoffnungen sind nicht zuletzt mit der Erwartung verbunden, dass den Bürgern des Kosovos, wenn die neue Regierung glaubwürdig gegen Korruption vorgeht, endlich Visumfreiheit bei Reisen in die Staaten der EU gewährt wird, so wie es für alle Nachbarstaaten auf dem Balkan seit mehr als einem Jahrzehnt der Fall ist.

Kurti hat oft genug bewiesen, dass er keine Angst davor hat, sich Feinde zu machen. Andererseits war eine der wichtigsten Qualitäten langfristig erfolgreicher Politiker, die Fähigkeit zum Kompromiss und zum Aufbau politischer Partnerschaften, bisher nicht seine starke Seite. Partner wird seine Partei jedoch selbst bei einem hohen Wahlsieg benötigen, etwa bei der Wahl eines neuen Staatsoberhauptes durch das Parlament.

Vereinigung mit Albanien?

Auf ein gewisses Misstrauen bei westlichen Diplomaten und in den Nachbarstaaten stößt Kurti auch deshalb, weil er sich nie von der Idee einer Vereinigung des Kosovos mit Albanien losgesagt hat. Zwar hebt er seit längerer Zeit hervor, dies nur über ein Referendum und auf friedlichem Wege erreichen zu wollen, doch das Kokettieren mit Grenzveränderungen auf dem Balkan sorgt aus gutem Grund für Skepsis.

Fraglich ist zudem, ob Kurti in Tirana überhaupt gewichtige Partner für seine Vereinigungsphantasien hätte. Immerhin hat Kurti sich mit Vjosa Osmani zusammengetan, der ebenfalls als reformorientiert geltenden früheren Parlamentspräsidentin und derzeitigen interimistischen Staatspräsidentin des Kosovos. Sie lehnt einen Zusammenschluss mit Albanien ab.

Eine wichtige Rolle bei der Abstimmung könnten die Stimmen der Diaspora spielen. Mehr als 100.000 im Ausland lebende Kosovaren haben per Briefwahl ihre Stimme abgegeben, so viele wie noch nie zuvor. Insbesondere unter den Auslandskosovaren ist die Beliebtheit von „Vetevendosje“ hoch. Der LDK dagegen wird ihr auf amerikanischen Druck hin erfolgter Koalitionsbruch übelgenommen. Obwohl die kosovarische Gesellschaft weiterhin von einer ungebrochen pro-amerikanischen Grundstimmung geprägt ist, muss die Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit Einbußen hinnehmen.

Sorgen ums Infektionsgeschehen

Unklar ist, wie die „Demokratische Partei“ (PDK) abschneiden wird. Ihr Gründer, der frühere Staatspräsident Hashim Thaçi, muss sich vor einem Sondertribunal in Den Haag gegen den Vorwurf verteidigen, für Kriegsverbrechen in den neunziger Jahren verantwortlich zu sein. Die Parteiführung hat einstweilen der frühere Außenminister Enver Hoxhaj übernommen. Auch er verspricht einen entschiedenen Kampf gegen die Korruption, entwickelt dabei jedoch in den Augen vieler Kosovaren offenbar nicht die gleiche Überzeugungskraft, da die PDK in den vergangenen zwanzig Jahren auf die eine oder andere Weise stets an der Macht in Prishtina beteiligt war.

Eine Wahl mitten in Pandemiezeiten ist auch mit bangen Fragen danach verbunden, ob sie das Infektionsgeschehen anheizen werde. Die Lage im Kosovo ist wie überall in der Region schwierig, zumal mit Impfungen mangels Vakzinen bisher noch nicht einmal begonnen werden konnte.

Dennoch kam es bisher nicht zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Viele Kosovaren führen das auch auf die Tatsache zurück, dass das Kosovo mit Abstand die jüngste Bevölkerung Europas aufweist. In der EU betrug das Durchschnittsalter im vorvergangenen Jahr 43,3 Jahre (Deutschland: 46), im Kosovo kaum mehr als 29.

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