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#„Russland hält sich nicht ans Kriegsrecht“

„Russland hält sich nicht ans Kriegsrecht“

Erhalten Ihre Freiwilligen gerade viele Anrufe russischer Familien, die ihre Söhne, Väter und Ehemänner in der Ukraine vermuten?

Die Ukrainer haben Listen von Gefallenen und Gefangenen russischen Soldaten veröffentlicht. Wer seine Verwandten auf diesen Listen findet, ruft unsere Komitees an. Wir können den Leuten aber nicht helfen: Dafür müsste Russland eine humanitäre Feuerpause verkünden, wenigstens für kurze Zeit den Beschuss und die Bombardierungen einstellen. Es müsste einen Austausch geben, bei dem die russische und die ukrainische Seite die Leichname Gefallener und Gefangene austauschen. Aber eine solche Feuerpause gibt es nicht.

Können Sie eine Zahl nennen dazu, wie viele Leute sich jetzt an die „Soldatenmütter“ wenden?

Ehrlich gesagt, kann ich das nicht schätzen. Ein Teil der Anrufe ist anonym. Manche Leute gehen auch in unsere Büros in den Regionen, besonders in den Gebieten Wolgograd und Nischnij Nowgorod, denn viele der Gefallenen kommen den Berichten zufolge von dort.

Was erzählen die Leute über ihre Söhne und Ehemänner?

Dass sie nicht wussten, wo ihre Angehörigen sind. Manchen sagte man, es gehe zu Manövern, manchen, sie würden verlegt. Das fing schon im November, Dezember an.

Trümmer rund um das zerstörte Regierungsgebäude in Charkiw.





Bilderstrecke



Angriff auf die Ukraine
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Zwischen Trümmern und Molotow-Cocktails

Schickt Russlands Militär auch Rekruten in die Ukraine oder nur Berufssoldaten?

Schwer zu sagen. Seit 1996 gibt es in den russischen Streitkräfte die Praxis, dass Wehrdienstleistenden gesagt wird, sie sollten jetzt einen Vertrag unterschreiben und Berufssoldaten werden. Als die gelten sie dann im Einsatz. Diese Praxis setzt sich fort. Wir erhielten schon um die Jahreswende Anrufe, in denen Leute davon berichteten, und hörten jüngst wieder, dass Leute gezwungen wurden, solche Erklärungen zu unterschreiben.

Können die Wehrdienstleistenden es ablehnen, solche Verträge zu unterschreiben?

Natürlich. Ich weiß nicht, warum sie es nicht tun. Warum haben sich in den Jahren 1995 und 1996 Leute geweigert, die nicht in den Tschetschenien-Krieg ziehen wollten, und jetzt wehrt sich niemand? Ich weiß nicht, warum.

Suchen viele Russen ihre Verwandten über die ukrainische Seite „Such deine Verwandten“, die in Russland blockiert worden ist?

Wer sie öffnen kann, guckt darauf. Und wenn sich jemand an uns wendet, schicken wir ihnen Links auf die ukrainischen Listen. Darauf stehen viele Namen. Wir haben weder die Zeit, noch die Kraft, noch die Leute, um selbst zu suchen. Unsere große Aufgabe besteht jetzt darin, offizielle Briefe zu schreiben, an den Präsidenten, an die Militärstaatsanwaltschaft, damit endlich eine humanitäre Feuerpause verkündet wird.

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Glauben Sie daran, dass dies geschieht?

Ich glaube gar nichts! Das ist der elfte Krieg in der Geschichte unserer Organisation. Wir werden alles tun, was möglich ist, wie wir es in den früheren Kriegen gemacht haben.

Ruft Ihnen dieser Krieg einen anderen in Erinnerung? Den in Afghanistan etwa?

Er erinnert mich an den ersten Krieg in Tschetschenien. In der Neujahrsnacht von 1994 auf das Jahr 1995 wurde Grosnyj gestürmt, mit Panzern, auch mit Bombenangriffen. Die Tschetschenen wehrten sich. Auf den Straßen der Stadt blieben fast 2500 gefallene Soldaten und Offiziere, auch viele Gefangene gab es. Als unsere Frauen aus dem Komitee zum Kommandeur der Armeeeinheit gingen und ihn auf Knien baten, eine humanitäre Feuerpause zu verkünden, um die Leichname der Gefallenen aufzusammeln, sagte er: „Geht zum Teufel, ich werde keinerlei Feuerpause verkünden.“ Die Leichname blieben dort liegen. Dann fraßen Tiere sie an, und als im März eine Feuerpause verkündet wurde und die Leichname endlich gekühlt nach Rostow gebracht wurden, war kaum mehr jemand zu identifizieren. Ich erinnere mich auch noch an eine zweite Episode: Im Sommer 1995 gab es noch eine Feuerpause, zum Gefangenenaustausch. Die Tschetschenen sagten: „Wir haben fast 1000 Gefangene, wir haben Listen.“ Das Verteidigungsministerium ging aber nur von 200 Russen in tschetschenischer Hand aus und sagte, es werden gar nichts machen: „Das sind Heimatverräter, wir werden sie nicht suchen.“



Wie unter Sowjetdiktator Stalin, der in Gefangenschaft geratene Rotarmisten als Verräter bezeichnete.

Wir hatten damals aber 700 Leute auf unseren Listen. Unsere Frauen druckten sie aus und fuhren in den Stab von Aslan Maschadow (dem Anführer der tschetschenischen Aufständischen, d. Red.) und klärten mit dessen Mitarbeitern, wer gefallen war, wer wo beerdigt war, wer noch lebte, wer in Gefangenschaft war. Jetzt fahren wir nicht in die Ukraine. Denn die Ukrainer machen das, was wir gemacht haben: Sie erstellen Listen von Gefangenen, schreiben über Gefallene, wenn sie es können, wenn sie Ausweise finden, die Leute identifizieren. Denn die Ukraine hält sich an das Kriegsrecht, die Genfer Konvention. Russland hält sie nicht ein.

Wird es angesichts der vermutlich hohen Gefallenenzahl eine Antikriegsbewegung in Russland geben, wird Druck auf die Führung entstehen?

Daran will ich nicht denken! Was soll ich denn anstelle dieser Führung denken? Ich weiß, dass Russland alle Genfer Konventionen ratifiziert hat, dass es Mitglied der Vereinten Nationen ist. Das Land muss internationale Regeln einhalten und muss die Leichname seiner Soldaten und Offiziere mit Respekt behandeln. Und es muss Gefangene austauschen. Ich will gar nicht mehr wissen. Ich will versuchen, vom Staat zu fordern, seine Verpflichtungen einzuhalten.

Einstweilen bleiben die Leichname der Gefallenen einfach liegen?

Die Ukrainer versuchen sie einzusammeln. Aber es ist nicht immer möglich, denn das ist sehr gefährlich.

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