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#Russland weist einen Komiker nach Belarus aus

Russland weist einen Komiker nach Belarus aus

Wegen eines Witzes hat Russland einen Komiker zur Persona non grata erklärt. Die „Anwesenheit (Ansässigkeit)“ von Idrak Mirsalisade, einem Aserbaidschaner belarussischer Staatsangehörigkeit, in Russland sei „unerwünscht“, und zwar „lebenslang“, teilte das Innenministerium mit. Die Ausweisung folgt auf eine Hetz- und Verfolgungskampagne gegen Mirsalisade, die durch Beteiligung eines Gerichts und der Regierung staatliche Weihen bekommen hat. Der junge Mann, der nach Angaben des Ministeriums seit März ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Russland hatte, habe mit Äußerungen „Hass und Feindschaft gegen Personen russischer Nationalität geschürt“ und deren „menschliche Würde herabgesetzt“.

Anfang März veröffentlichte ein Moskauer Stand-up-Comedy-Club auf seiner Youtube-Seite ein Video, in dem Mirsalisade mit vier anderen Komikern auftritt. Ihre Witze kreisen um die Wohnungssuche in Moskau. Mirsalisade thematisiert die in Russland verbreitete Xenophobie, die, unter anderen, Menschen mit Wurzeln im Kaukasus trifft. Wichtig sei es, gegenüber Maklern, die Slawen wollten, möglichst viele Worte zu verlieren, ehe man zum erkennbar unslawischen Namen komme, sagt Mirsalisade. Danach hebe er seine belarussische Staatsangehörigkeit hervor und erwähne russische Freunde. Neue slawische Nachbarn gelte es zu überzeugen, dass man ein „normaler Nichtslawe“ sei. Ihrem Chauvinismus setzte Mirsalisade eine Anekdote entgegen, in der er mit seinem Bruder eine Matratze „voller Scheiße“ der russischen Vormieter ein Moskauer Treppenhaus hinunterträgt und dabei einem russischen Bewohner begegnet, der sie „verachtungsvoll“ mustert, was der Komiker aufspießt: Frankreich als große Nation könne sich derlei erlauben, auch ein Dostojewskij, aber kein einfacher „russischer Pawel“.

Über Tausende Bedrohungen und eine Kopfprämie

Nach der Veröffentlichung des Videos geschah, wie oft in solchen Fällen, erst einmal nichts – bis ein Vierteljahr danach das extrem nationalistische reaktionäre Medium Zargrad und ein Telegram-Kanal Mirsalisades Aussagen aus dem Zusammenhang rissen und „Beleidigungen von Russen“ rügten. Ins gleiche Horn stieß alsbald Wladimir Solowjow, einer der wichtigen Staatspropagandisten, forderte Ermittlungen wegen „Schürens von Hass“. Mirsalisade berichtete über Tausende Bedrohungen im Internet samt einer Kopfprämie von umgerechnet 580 Euro auf ihn. In der Stadt Pensa gab es eine Mahnwache gegen ihn als „Feind des russischen Volkes“.

Ende Juni verprügelten zwei unbekannte Männer den Komiker im Zentrum von Moskau und forderten ihn auf, sich zu entschuldigen. Bald darauf wurden die von Staatsfernsehmann Solowjow geforderten Ermittlungen aufgenommen, und Anfang August bekam Mirsalisade zehn Tage Arrest. Der Komiker sagte vor Gericht, er habe niemanden beleidigen wollen, entschuldige sich aber gegenüber denen, die sein Witz habe verletzen können: „Der Auftritt war humoristisch und vor allem darauf gerichtet, Xenophobie zu verspotten.“ Andere Komiker setzen sich für Mirsalisade ein, sprachen von einem „schrecklichen Präzedenzfall“. Ein Witz könne missfallen oder kränken, aber dafür dürfe man niemanden der Freiheit berauben. Auch eine Stand-up-Solidaritätsshow gab es, bei der unter anderen Alexandr Dolgopolow auftrat: Der junge Russe verließ Russland Anfang 2020, da ihm nach Scherzen über Religion Ermittlungen wegen Verletzung religiöser Gefühle drohten, kehrte zwei Monate später aber zurück.

Die Solidarisierung mit Mirsalisade blieb erfolglos. Am Montag verkündete das Innenministerium die Ausweisung und stützte sich auf Befugnisse gegen Extremismus. Der Komiker entzog sich der Deportation nach Angaben von Freunden durch die Ausreise erst nach Belarus und dann in ein Drittland, in dem er sicher sei.

Erfolglose Solidarisierung

Dem Journalisten Anton Orech missfielen sowohl der Witz mit der Matratze als auch das Verhalten des Publikums, das darüber im Video lacht, vor allem aber das Verhalten der Behörden, die Mirsalisade erst bekannt gemacht hätten und sich als oberste Sittenwächter gerierten. Der – selbst unlängst mit Strafverfolgung in Exil gezwungene – Oppositionspolitiker Dmitrij Gudkow hob dagegen die Botschaft des Falls im Zusammenhang mit der Untätigkeit der Behörden gegenüber homophoben Rassisten hervor, die im Internet gegen Unternehmen hetzen, die in ihrer Werbung Vertreter von LGBT-Minderheiten oder Schwarze vorkommen lassen.

Im Juli zog die Lebensmittelkette Vkusvill eine Werbung mit einem lesbischen Paar samt Schwester und Mutter zurück und entschuldigte sich. Die Familie aus vier Frauen reiste unter Drohungen nach Spanien aus. Derzeit trifft der Furor einer Netz-Gruppe, die sich „Männerstaat“ nennt, zwei Restaurantketten, die in ihrer Werbung schwarze Männer vorkommen ließen. In diesen und anderen Fällen wird nicht wegen „Schürens von Hass“ ermittelt.

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