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Sarina Radomski: ‚Der Perspektivwechsel ist total bereichernd‘

Die Schauspielerin aus «WaPo Berlin» spielt im neuen Bremer-«Tatort» Paula. Im Quotenmeter-Gespräch spricht Radomski über ihr Alter Ego die Pflegefachkraft und das Thema Stalking im Allgemeinen.

Im neuen Bremer «Tatort: Solange du atmest» spielen Sie die Freundin von Rani Ewers (Via Jikeli), die ihr und ihrer Tochter Unterschlupf gewährt. Was hat Sie an dieser Rolle besonders gereizt?
Mich hat sofort angesprochen, wie vielschichtig Paula ist. Sie ist eine emotionale Ankerperson in der Geschichte – jemand, die helfen will, aber selbst an ihre Grenzen gerät, bzw bei der schon längst eine Grenzverschiebung passiert sein muss. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Nähe, Misstrauen und der Frage „Wie weit geht Loyalität?“ fand ich wahnsinnig spannend zu spielen. Und: Es ist selten, dass man im Krimi eine weibliche Perspektive auf Angst und Schutz sieht.

Der Fall nimmt einige unerwartete Wendungen. Was können Sie über die Dynamik zwischen Ihrer Figur und den Ermittlerinnen Moormann und Selb verraten?
Paula ist keine Ermittlerin, sie ist Pflegekraft und hat eigentlich genug mit dem Alltag zu tun. Aber sie wird unfreiwillig zur VERmittlerin – zwischen Rani, ihrer Angst und der Welt draußen. Wenn die Kommissarinnen auftauchen, kommt alles ins Wanken. Man spürt: Paula will das Richtige tun – aber was das ist, ist plötzlich gar nicht mehr so klar. Ich fand es herausfordernd und toll das im Spiel zu bedienen, ohne die Figur zu verraten.

Sie haben bereits in verschiedenen Krimiformaten mitgewirkt, unter anderem als Kommissarin in «WaPo Berlin». Wie war es für Sie, diesmal auf der anderen Seite des Geschehens zu stehen?
Total bereichernd. Immer. Ich habe den Perspektivwechsel nach der «WaPo» ja schon häufiger machen dürfen und ich liebe es. Als Kommissarin geht man analytisch an Fälle ran, als Figur wie Paula im Tatort ist man mitten im Chaos, emotional, reaktiv. Ich liebe es, beide Seiten spielen zu dürfen – das ist ja das Schöne an diesem Beruf.

Stalking ist ein ernstes Thema, das oft unterschätzt wird. Haben Sie sich für die Rolle besonders mit dem Thema auseinandergesetzt?
Ja, unbedingt. Wobei Paula als Angehörige natürlich nochmal an anderer Stelle steht, als die Betroffene (Rani) selbst. Mir war es wichtig, dieses Thema nicht klischeehaft oder verharmlosend zu zeigen. Was mich dabei besonders beschäftigt hat: Wie oft Frauen – gerade alleinerziehende – mit ihren Ängsten allein gelassen werden. Rani erlebt genau das. Und Paula versucht, das irgendwie aufzufangen – und gerät dabei selbst in einen Strudel aus Ohnmacht und Konfrontation mit sich selbst.

Der Bremer «Tatort» hat sich einen Ruf für moderne und unkonventionelle Ermittlungen erarbeitet. Wie haben Sie die Atmosphäre am Set erlebt?
Ganz besonders. Wir hatten eine irre schöne – und… wie soll ich sagen – egofreie Zeit in Bremen. Es wurde gemeinsam gearbeitet – im Dienst der Geschichte. Diese Energie hat sich meiner Empfindung nach auf das ganze Team übertragen. Und gleichzeitig gab es Platz für Humor und für echte Begegnung. Besonders fand ich übrigens schon im Vorhinein, dass die Casterin Suse Marquardt, die das tolle Ensemble zusammen gestellt hat und Franziska Hoenisch uns im Vorhinein schon so vertraut haben in der Konstellation. Ich wurde ohne Casting besetzt und Via Jikeli, Pola Friedrichs und ich haben uns z.B. erst auf der Leseprobe kennengelernt, das war ein toller Vertrauensvorschuss.

Sie haben Erfahrung sowohl in Dramen als auch in humorvollen Formaten. Wie unterscheiden sich die Herangehensweisen bei einem so düsteren Kriminalfall?
Eigentlich gar nicht. Letztlich schaue ich immer: Mit welcher Person habe ich es zu tun? Was will Sie? Was liegt darunter? Wie steht Sie im Verhältnis zu den restlichen Figuren? Den Humor, die Spannung etc. machen letztlich die Haltungen der Figur, das Tempo, die Texte, die Regie, der Schnitt und vieles andere. In Stoffen wie diesem Tatort geht es oft um Nuancen – um das, was unausgesprochen bleibt. Das finde ich super spannend. Gleichzeitig ist das in humorvollen Formaten oft auch nicht anders: Die beste Komödie ist oft nur einen Schritt von der Tragödie entfernt.

Neben der Schauspielerei engagieren Sie sich für familienfreundliches Drehen. Welche Herausforderungen bringt der Spagat zwischen Dreharbeiten und Familie mit sich?
Für mich persönlich ist es wenig herausfordernd. Gleichzeitig weiß ich: Wir brauchen mehr Empathie für das Konstrukt Familie – in allen Branchen. Schließlich haben wir alle Familie, selbst wenn es „nur“ die ist, in die wir hineingeboren worden. In den Produktionsprozessen wünschte ich mir manchmal, gefragt zu werden: Hast du Kinder und brauchst du Unterstützung? In 90 Prozent der Fälle würde ich persönlich ohnehin „Nein“ sagen. Aber die zehn Prozent, in denen es helfen würde – dafür lohnt es sich doch, Strukturen zu schaffen *zwinkersmiley* – dazu bin ich in meiner Situation extrem privilegiert, weil ich glücklich im Wechselmodell lebend sowieso nie Probleme hatte. Set-Kindergärten wären doch z.B. ein Traum. Ich finde: Kindererziehung darf keine Privatsache sein – wenn wir uns gegenseitig mehr unterstützen, wird alles entspannter. Ich wünsche mir, dass sich junge Schauspielende nicht fragen müssen, ob sie überhaupt Kinder haben dürfen oder ob dann „die Karriere“ vorbei ist.

Sie leben in Berlin Neukölln – eine kreative und lebendige Umgebung. Inwiefern inspiriert Sie das für Ihre Arbeit?
Neukölln ist für mich pure Lebendigkeit. Ständig passiert etwas, überall sind Menschen, die man beobachten und von denen man lernen kann. Dieser Stadtteil ist laut, vielfältig, roh – und gleichzeitig ein Ort für Neues, für kreative Ideen, für Bewegung. Was ich besonders liebe: Hier wird ganz viel von den Menschen selbst mitgestaltet. Es gibt ja dieses physikalische Gesetz: Ohne äußere Kraft keine (innere)Bewegung. Und genau das ist Neukölln für mich – ein Umfeld, das wirkt, bewegt und inspiriert auf sehr vielen Ebenen.

Ihr Repertoire reicht von Krimi über Dramedy bis hin zu historischen Stoffen. Gibt es ein Genre oder eine Rolle, die Sie unbedingt noch spielen möchten?
Ich würde wahnsinnig gern mal eine Sexualtherapeutin spielen – warum genau, kann ich gar nicht so rational erklären. Ich glaube, das Thema ist gesellschaftlich unterrepräsentiert, obwohl es so viel mit Nähe, Scham, Kraft und Menschlichkeit zu tun hat. Eine Figur, die in diesem Feld arbeitet – offen, analytisch, empathisch – würde mich total reizen. Generell interessieren mich Figuren, die unangepasst sind, nicht sofort zuordenbar. Queere Geschichten von Menschen in ihren Dreißigern, Vierzigern – das ist für mich die tollste Zeit, weil so viel passiert, so viel Tiefe da ist. Aber genau diese Lebensphase wird noch viel zu selten erzählt, vor allem aus Sicht weiblich gelesener Personen. Ich wünsche mir mehr echte Körper, echte Menschen, echte Geschichten. Und ich hätte große Lust, Teil einer durchgehenden Serie zu sein, in der Figuren wachsen dürfen, sich verändern, komplex bleiben. So ein Ensembleprojekt, das sich wirklich was traut – das wäre ein Traum.

Was dürfen wir in Zukunft noch von Ihnen erwarten? Gibt es spannende Projekte, über die Sie bereits sprechen können?
Es gibt ein paar Dinge, die gerade in Planung sind – aber darüber sprechen darf ich noch nicht. Was ich sagen kann: Ich freue mich sehr auf alles, was kommt. Und ich freue mich genauso darüber, dass Menschen sich seit vielen Jahren gern anschauen, was ich als Schauspielerin mache. Das ist alles andere als selbstverständlich – und es motiviert mich, weiter neugierig zu bleiben und offen für das, was sich zeigt. I’m ready.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Der neue «Tatort» wird am Sonntag, den 11. Mai 2025, um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

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