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#Schau, wie ich brenne

Schau, wie ich brenne

Seit wann es mit der Unschuld auf Youtube (und eigentlich jedem anderen Bewegtbildportal) vorbei ist, lässt sich schwer feststellen. Schon lange war vieles, was dort leicht und locker wirken soll, streng durchgetaktet. Jeder Gag, jeder Move, jeder Lacher, jede Träne. Und weil sich das Treiben dort so schön nach Leistungsprinzipien ordnen lässt, Follower, Views und so weiter, ist es wohl nun bald end­gültig vorbei mit Garagen-, Keller-, und Kinderzimmerproduktionen. Das heißt nicht, dass es nicht mehr danach aussehen wird, nur haben jetzt endgültig professionelle Manager und Web­videoproduzenten das Sagen. Selbst gestandene Fernsehkomiker machen ihre Dönekes jetzt auf Twitch und müssen sich Followern anpassen, die ihre ganz eigene Sprache sprechen und im Livechat über Symbole und Verweise kommunizieren, die auf weitere Verweise verweisen, an deren Ende immer nur eines steht: Daumen hoch oder Daumen runter.

Der Influencer und Breakdancer Julien Bam, berühmt geworden durch flott geschnittene Tanzvideos und Parodien, hatte einst einen Youtube-Kanal mit mehr als fünf Millionen Abonnenten, viel Stress und zwei Burnouts. Jetzt hat er seine eigene Netflix-Serie: „Life’s a Glitch“. Dahinter steckt ein Gedanke, der seit Längerem den Verantwortlichen vieler Unternehmen durch den Kopf gehen dürfte: Hol die Influencer an Bord, dann kommt auch die „Community“, die jungen und Be-Influencten. Noch besser, man baut sich die Influencer selbst auf. Doch leicht ist das nicht. Netz-Stars brauchen eine glaubhafte Vergangenheit voller Blut, Schweiß und Tränen. Nur allzu schmutzig darf sie nicht sein. Videos, die nicht mehr opportun sind, werden still und heimlich entfernt, Interviews werden nur gewährt, wenn Jugendsünden, die die neue Marke gefährden, außen vor bleiben. Neues Medium, altes Fame-Game.

Die Selbstzweifel der etablierten Unterhaltungsbranche

Dieses Game, das längst keines mehr ist, ironisch zu brechen, damit hat sich die neue Netflix-Serie viel vorgenommen. Denn ein bisschen stolz ist man auf den selbst gemachten Reichtum natürlich schon. Die verführerischen Hüllen von Macht und Geld – Suits, Girls, Karren – gehören zum Bildvokabular. Dass es Julien Bam und sein Kumpel Joon Kim unter der Regie von Bams Bruder Shawn Bu dennoch probieren, ist ehrenwert, hat aber auch mit den Selbstzweifeln der etablierten Unterhaltungsbranche zu tun und mit dem generellen Trend zur als Humor verkleideten Uneindeutigkeit. Bloß keinem wehtun, keinen erschrecken, außer den Feindbildern der jeweiligen Zielgruppe. Play it – but safe!

Wir sehen Julien Bam und seinen Kumpel Joon Kim (beide spielen sich selbst) auf der Feier von Juliens „Personality of the Year“-Award. Auf der Rückfahrt krachen sie mit dem weißen Elektroauto in einen Funkmast und landen durch eine Art Matrixfehler (Glitch) in einer Paralleldimension, in welcher der Sidekick Joon der gefeierte Gangsterrapper J$$N ist, während Bam Taxi fährt. Die für ein Date avisierte Clara (Vivien König) ist plötzlich eine toughe MMA-Kämpferin. Das ganze Wie-kommen-wir-jetzt-wieder-nach-Hause-Szenario ist mit netten Effekten, einem bemüht wirkenden Schnitt, aber vor allem sprachlich auf 2021 getrimmt, verströmt jedoch in den Dialogen bei aller Niceheit einen Hauch von GZSZ.

Das ist noch kein Grund zum Abschalten: Weil die Serie nicht weiß, welchen Ton sie anschlagen will, probiert sie wild herum. Szenen, die glücken, gelingen, weil sich Bam auf sein Kerngeschäft besinnt, so wie in der Gangster-Rap-Video-Parodie, in der Madieu Ulbrich als Bams ärgster Konkurrent Diego glänzt: „Alle Models stehen auf mich, als wäre ich Laufsteg.“ Sicher ließen sich noch formalästhetische Gesichtspunkte aufrufen, doch irgendwann gelangt man als kritischer Zuschauer auch zu der Erkenntnis, dass man vielleicht einfach nur zu alt ist für dieses Zeug.

Life’s a Glitch with Julien Bam, bei Netflix.

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