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#Schottlands Schicksalswahl: Niemand möchte eine Grenze

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Schottlands Schicksalswahl: Niemand möchte eine Grenze

Seit mehr als dreihundert Jahren bilden England und Schottland eine Union, aber die Grenze ist bis heute sichtbar. „Scotland Welcomes you“ steht auf dem Schild hinter der Brücke über den Fluss Tweed. Mit dem Örtchen Coldstream, am nördlichen Ufer, beginnt der schottische Teil Großbritanniens. Werden hier, auf der Coldstream Bridge, womöglich bald Grenzbeamte Posten beziehen und den Warenverkehr kontrollieren?

Die Frage ist zur Plage für Nicola Sturgeon geworden, die ihre Schottische Nationalpartei (SNP) an diesem Donnerstag ein weiteres Mal zum Sieg führen will. Erreicht sie das Ziel, wofür alle Umfragen sprechen, will sie die Mehrheit im Parlament von Edinburgh zu einem Mandat für ein neues Unabhängigkeitsreferendum erklären. Aber anders als vor der Volksabstimmung von 2014 werden ihr diesmal Fragen gestellt, die sie nicht überzeugend beantworten kann, allen voran die Sache mit der Grenze. Schuld ist der Brexit, der sich für die SNP als Segen und Fluch erwiesen hat.

Zunächst verhalf ihr die Austrittsentscheidung, die in Schottland keine Mehrheit hatte, zu einigem Auftrieb. Einmal mehr fühlten sich viele Schotten bevormundet von den Engländern, was den separatistischen Groll bestärkte. Selbständigkeit erschien jetzt noch begehrenswerter, denn sie bietet die Chance zur Umkehr: Die SNP verspricht, ein unabhängiges Schottland wieder in die EU zu führen. Aber wegen des Brexits ist eine Loslösung vom Rest des Königreichs schwieriger geworden. Beim letzten Unabhängigkeitsreferendum waren Schottland und England noch in der EU. Jetzt hätte es ein selbständiges Schottland als EU-Mitglied mit einem Drittstaat im Süden zu tun. Es drohte, was schon auf der irischen Insel hässlich klang: eine sogenannte harte Grenze.

„Niemand hat das durchdacht, diese Regierung ist völlig inkompetent“, erregt sich der Großgrundbesitzer Colin McGregor, der auf einer Anhöhe über dem Grenzstädtchen residiert. Hektarweise ergießt sich sein Land hinab in die Siedlungen von Coldstream und darüber hinaus, bis südlich des Tweeds. Ein Drittel seiner Ländereien befindet sich auf englischem Boden. Dort lebt auch seine Schwiegermutter. McGregor fürchtet nicht nur um seinen sorglosen Alltag und sein Geschäft, sondern um die schottische Wirtschaft insgesamt. „Sechzig Prozent unseres Exports gehen nach England“, sagt er – doppelt so viel wie in die EU.

Vertauschte Rollen

Bislang werden die beiden Landesteile von der Brücke nicht getrennt, sondern verbunden. Zu Beginn der Pandemie überquerten die Menschen sie in Richtung Süden, weil in England Golf- und Tennisspielen erlaubt war. Jetzt geht der Corona-Tourismus in die andere Richtung: In Schottland sind die Gasträume geöffnet, was bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ein Argument ist. Viele Engländer haben sich Häuser dicht hinter der Grenze gekauft, weil sie dort billiger sind – und pendeln zu den alten Freunden im Süden. Und noch etwas kommt hinzu: Weil die Kommunen nördlich und südlich der Brücke den Postcode TD teilen, unterstehen die Postämter und Gesundheitszentren seit langem derselben Autorität. All dies müsste entflochten werden – nicht nur hier, im äußersten Osten, sondern entlang der gesamten 154 Kilometer langen Grenze.

Nicola Sturgeon, Erste Ministerin von Schottland, im März vor ihrem Haus


Nicola Sturgeon, Erste Ministerin von Schottland, im März vor ihrem Haus
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Bild: dpa

„Ach!“, sagt Angus Robertson und winkt unwirsch ab, als sei die Grenzfrage eine Lappalie und besorge nur ein paar Bauern, die eine gute Autostunde von Edinburgh entfernt leben. Robertson sitzt in einem Café, verstaut die Fahnen zu seinem neuen Buch in der Tasche – ein Porträt der Stadt Wien – und erklärt in fließendem Schmäh, warum man die Aufregung über die Grenze als Sturm im Wasserglas betrachten müsse. Seine Worte erinnern an Sturgeons hilflosen Satz: „Niemand in der SNP möchte eine Grenze sehen.“

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