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#Schülerwitze zünden nicht

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Schülerwitze zünden nicht

„Das Stück mit dem Schiff“ ist ein Stück von Pina Bausch mit einem Fischtrawler, der absolut echt aussieht. Hyperrealistisch liegt er hinten diagonal quer im Wuppertaler Opernhaus, mit dem Bug nach rechts vorne in den Bühnenraum ragend auf Sandhügeln. Da thront zweieinhalb Stunden die noch seetüchtig wirkende Schiffsruine, Bug höher als Heck. Hinter ihr gähnt das Schwarz der Brandmauer. Das Boot wendet dem Publikum die Steuerbord-Seite zu. Die Backbord-Hälfte fehlt bestimmt, denkt man sofort; der Kutter muss auch als Hälfte schon schwer genug auf- und abzubauen, geschweige denn zu lagern sein.

Lange geht das Stück von 1993 als eine Reihe von Solotänzen und wenigen tanztheaterhaften Einlagen so vor sich hin, ohne dass mit dem Schiff etwas geschähe. Erst viel später erklimmen die Tänzerinnen in ihren knielangen Kleidern und die in Hosen und Hemden gekleideten Tänzer das Wrack, das sofort wie ein Ausflugsschiff wirkt, als alle in einer langen Reihe die linke Hand auf die Reling legen und wie in einem Ballettsaal mit den Übungen an der Stange beginnen.

Frischhaltefolie um die Oberschenkel

Bei der Premiere 2022, fast dreißig Jahre nach der Uraufführung, lässt das gestrandete Schiff, lassen die bewegungslos auf ihm Versammelten oder zuvor die in Mäntel und Decken gehüllten auf dem Sand vor dem Schiff Liegenden natürlich an die Flüchtlingsdramen denken. Das war 1993 noch nicht so. Wie Bühnenbildner Peter Pabst im Programmheft schildert, sahen die Choreographin und er damals Bilder vom Aralsee, dessen menschengemachte Austrocknung nun Schiffsruinen zurückließ, wo früher Fischer ihren Lebensunterhalt verdient hatten.

Alles so elegisch hier: Die tänzerische Qualität enttäuscht.


Alles so elegisch hier: Die tänzerische Qualität enttäuscht.
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Bild: Laszlo Szito

In diesen beiden heute so bedrückend präsenten Themen mag man Gründe sehen, das Stück wiederaufzunehmen, eine Arbeit, der sich Bausch nie unterzog. Vielleicht liegt es daran, dass das Stück eher einfallsarm und monoton ist. Wenn es heiter wird, dann unmotiviert und manchmal albern: Der Witz von den zwei Tomaten, die die Straße überqueren, ist leider nicht der einzige Schülerwitz des Stücks. Die Dramaturgie ist so inkongruent wie die musikalische Collage aus Schlagern, Drehleier und Arien verschiedener Epochen: Alles so elegisch hier. Ist das nun Surrealismus oder Hyperrealismus? Sind alle traurig oder bloß unpässlich, oder hatten sie eine schwere Kindheit oder eine grausame Ballettmeisterin?

Man wickelt sich Frischhaltefolie um die Oberschenkel, das ist ein Tänzertrick zum Abnehmen, man steckt den Kopf in den Wassereimer, vielleicht um fürs Tauchen zu trainieren, man hangelt matt an Tampen. Fast dreizehn Jahre liegt der Tod Pina Bauschs inzwischen zurück. Angesichts dieser nicht zwingenden Premiere muss man erneut fragen, wo die objektiv begründete, tanzwissenschaftlich fundierte Spielplangestaltung bleibt, eine mehr als anekdotische Kontextualisierung der Werke im Programmheft? Es fragt sich auch, wer diese neuen, darstellerisch überforderten Tänzer engagiert hat. Ist das noch immer die emotionale Schockstarre angesichts des Mythos Bausch und der Lücke, die „Pina“ hinterlassen hat? Die Bewahrung dieses wichtigen Erbes mit rationaleren Strategien anzugehen würde dem Werk gerechter als die ständige gefühlvolle Beteuerung, wie großartig es sei.

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