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#Schützt Atomkraft wirklich das Klima?

„Schützt Atomkraft wirklich das Klima?“

Er ist eines der zentralen Argumente dafür, in der Energiekrise die alten Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen: der Klimaschutz. Wenn das Gas fehlt und die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, dann müssen stattdessen die Kohlekraftwerke länger laufen.

Patrick Bernau

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wirtschaftsminister Habeck hat vergangene Woche erst die Reaktivierung von Braunkohle-Kraftwerken angekündigt. Die stoßen enorme Mengen an Kohlendioxid aus, schaden also dem Klima sehr. Da nehmen wir doch lieber die Atomkraftwerke!

Das Argument leuchtet direkt ein. Richtig ist es aber nicht, zumindest nicht in dieser Form. Und das liegt am europäischen Klimaschutz und seinem wichtigsten Instrument: dem Emissionshandel. Der funktioniert, grob gesagt, so: Die Europäische Union hat definiert, wie viel CO2 Industrie und Kraftwerke in der EU ausstoßen dürfen – und zwar immer weniger, bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß um 61 Prozent gesunken sein. Für jede Tonne Emissionen gibt es ein Zertifikat. Die werden teils versteigert, teils an die Unternehmen verschenkt. Wer Emissionen vermeidet, kann das Zertifikat verkaufen. Wer zusätzliche Emissionen ausstoßen will, kann Zertifikate kaufen. Wenn ein Unternehmen kein Zertifikat hat, darf es auch kein CO2 ausstoßen. Ansonsten muss es eine Strafe zahlen, die teurer ist als ein Zertifikat, aber bald angehoben werden muss, damit das auch so bleibt.

Höhere Emissionen entstehen durch Kohlekraftwerke nicht

Dieses System führt dazu, dass die definierte Emissionsgrenze auf jeden Fall eingehalten wird. In den vergangenen zehn Jahren haben Industrie und Stromerzeugung ihr Einsparziel sogar jedes Jahr übererfüllt – so sehr, dass die EU dazu übergegangen ist, die Menge der Zertifikate zu reduzieren, ein Teil davon soll in Krisenzeiten wieder auf den Markt kommen.

Und wer hört auf, Emissionen auszustoßen? Das regelt der Preis. Irgendwann ist es einzelnen Unternehmen zu teuer. Entweder lohnen sich dann klimafreundlichere Techniken – oder die Firmen hören auf zu produzieren. In den vergangenen Jahren ist der Zertifikatepreis auf mehr als 80 Euro gestiegen. So spielten die CO2-Zertifikate zum Beispiel eine Rolle dabei, dass vor einem Jahr das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg abgeschaltet wurde. Kohlestrom war teuer geworden.

Für die Energiekrise werden keine zusätzlichen CO2-Zertifikate abgegeben, so bestätigt es das Wirtschaftsministerium. Höchstens wird ein Teil der Reservezertifikate wieder verwendet. Damit steht fest: Im Emissionshandel stößt die EU nicht mehr CO2 aus als vorgesehen, und zwar unabhängig davon, welche Kraftwerke in Deutschland laufen. So klimaschädlich Kohlekraftwerke auch sind, sie führen am Ende nicht zu höheren Emissionen als die klimafreundlichere Atomkraft.

Eines allerdings passiert, wenn mehr Kohlekraftwerke am Netz sind: CO2-Zertifikate werden teurer. Im Fall der Kohlekraftwerke können die Preissteigerungen enorm sein, zumal es oft alte und dreckige Anlagen sind, die früh abgeschaltet wurden und jetzt wieder an den Markt kämen. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat gerade mit einigen Kollegen überschlagen, dass bei dauerhaft höheren Gaspreisen der zusätzliche Kohlestrom den Zertifikatepreis bis zum Jahr 2030 auf bis zu 200 Euro pro Tonne steigern könnte, wenn die Emissionsziele tatsächlich auf diesem Weg durchgesetzt werden – auf mehr als das Doppelte des aktuellen Preises. Dann wäre auch Strom teurer, und irgendwelche anderen Industrien würden auf Emissionen verzichten müssen: entweder mit Investitionen in klimafreundlichere Technik oder eben mit Produktionsaufgabe und entsprechenden Entlassungen. Wen es träfe, das weiß heute noch niemand. Das muss nicht mal in Deutschland sein: Der Emissionshandel funktioniert durch die ganze EU.

Auch Autoverkehr wird dem Emissionshandel unterworfen

Doch ob die Politik so hohe Preise durchhält, daran zweifelt Grimm. „Es gäbe heiße Diskussionen über den Emissionshandel.“ Sie argwöhnt, dass am Ende aller Debatten die Regierungen in solch einer Situation doch zusätzliche Emissionszertifikate versteigern würden. Wenn es dazu käme, würden die Kohlekraftwerke den CO2-Ausstoß der Europäischen Union tatsächlich erhöhen.

Ähnliche Effekte gibt es übrigens auch bei innereuropäischen Flügen. Sie unterliegen ebenfalls dem Emissionshandel. Zwar hat das Fliegen auch andere Klimaeffekte als den reinen CO2-Ausstoß – doch den erhöhen innereuropäische Flüge tatsächlich nicht. In den nächsten Jahren wird auch der Autoverkehr einem Emissionshandelssystem unterworfen, erst in Deutschland, dann in der gesamten EU. Dann verhindert auch ein Tempolimit auf Autobahnen keinerlei CO2-Emissionen mehr. Der CO2-Ausstoß in diesen beiden Bereichen ist allerdings nicht so groß, dass der Zertifikatepreis davon so sehr beeinflusst würde.

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