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#Schwarz, mild, leicht schokoladig

Schwarz, mild, leicht schokoladig

Den besten Kaffee meines Lebens habe ich vor zwei Jahren ausgerechnet in Japan getrunken. Es war in der Kleinstadt Fujiyoshida, direkt am Fuße des Fujisan. Gegenüber dem Bahnhof „Mt. Fuji Station“ liegt ein Kaffeehaus, das schlicht „Kohisaron“ heißt, also „Coffee Salon“. Ich hatte den Ort als Zwischenstopp auf meinem Weg zu Japans berühmtesten Berg ausgewählt, war jedoch durch die überpünktliche Bahnverbindung zu zeitig in der Stadt eingetroffen und konnte noch nicht in mein Hostel einchecken.  Also suchte ich auf Google Maps nach einem Café und bekam den „Kohisaron“ empfohlen.

Das Gebäude ist mit seiner seltsamen Architektur kaum zu übersehen: Eine grüne, Haus-vom-Nikolaus-förmige Stahlträgerkonstruktion rahmt das zweistöckige Gebäude. Innen sieht es dann aber ganz anders aus, dunkel und gemütlich. Gleich beim Reinkommen findet sich linker Hand ein Tresen, an dem damals zwei ältere Leute saßen, die mit dem Besitzer und seiner Frau ins Gespräch vertieft waren, umweht von Zigarettenrauch (in Japan darf man an vielen Orten noch rauchen, auch in Restaurants und Cafés). Ich bestellte eine Tasse Kaffee und bekam den besten meines Lebens serviert: schwarz, mild, mit einem eigentümlichen, erdigen, leicht schokoladigen Aroma, das eben nur guter Kaffee hat.

Weil ich meinen Kaffee meistens mit Milch trinke, gab es ein etwa fingernagelgroßes Milchkännchen mit Kondensmilch dazu, die es aber dann nicht brauchte. Die Atmosphäre hier hatte fast etwas verwunschenes, wie in einer japanischen Version von David Lynchs Fernsehserie „Twin Peaks“. Und wie Kyle MacLachlans FBI-Ermittler Agent Cooper, lobte ich beim Bezahlen ebenfalls den Kaffee. Die Besitzerin lächelte freundlich, ich glaube, sie hat nur so ungefähr verstanden, was ich ihr sagen wollte.

Milch zum Kaffee? Das Kännchen hat etwa Fingernagelgröße


Milch zum Kaffee? Das Kännchen hat etwa Fingernagelgröße
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Bild: Kais Harrabi

Japans Kaffeekultur

Diesen „Coffee Salon“ kann man als Beispiel für eine ganz eigene japanische Kaffeekultur nehmen, die unterzugehen droht: die Kissaten. Übersetzt bedeutet das Wort schlicht „Teehaus“, aber Kissaten sind urjapanische Cafés, obwohl sie eigentlich den europäischen Cafés der Belle Epoque nachempfunden sind. Kissaten sind meistens schon sehr früh am Morgen geöffnet und bieten für Studenten und Büroangestellte günstigen Kaffee und Frühstück. Außerdem finden sich auf der Karte auch immer kleine Mahlzeiten für die schnelle Mittagspause. Die Kissaten sind oft wie kleine Höhlen, dunkel, warm, ein angenehmer Kaffeegeruch liegt in der Luft, es gibt Lesestoff, gemütliche Stühle und vor allem starken Kaffee in richtigen Tassen.

Zum Verweilen gedacht sind die Kissaten ein öffentlicher Raum zwischen Arbeitsplatz und der meist recht engen Wohnung. Die Atmosphäre ist ruhig, Gespräche hört man nur gedämpft, manchmal raschelt irgendwo eine Zeitung oder es läuft leise japanischer Jazz. Die Wände sind vollgehangen mit Gemälden oder Plakaten, manchmal auch mit Kaffeedosen und Porzellan zugestellt. Die Inneneinrichtung hat meist schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Wer hier Kaffee bestellt, bekommt eigentlich grundsätzlich Filterkaffee serviert, meist sehr stark und etwas bitter. Doch seit den Neunzigern und dem Vormarsch der modernen Cafés à la Starbucks sind die Kissaten auf dem Rückzug. Für die Japaner sind sie nicht instagrammable genug und Touristen verirren sich seltener in die Seitenstraßen, in denen viele der Läden liegen. In kleineren Städten wie Fujiyoshida sind solche Kissaten dafür häufig noch zu finden.

Auch in Tokio sieht man immer häufiger Starbucks Becher.


Auch in Tokio sieht man immer häufiger Starbucks Becher.
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Bild: Picture-Alliance

Pappbecher und skurriles Englisch

Wer durch Bezirke wie Harajuku in Tokio läuft, stößt hingegen eher selten auf Kissaten. Dort dominieren Cafés nach amerikanischem Vorbild, die Kaffee im Pappbecher mit Plastikdeckel servieren – dem umweltbewussten Deutschen sträubt sich da alles. Sie sind eben die japanische Variante von Starbucks, inklusive skurrilem Englisch. Ein Café bewirbt sich etwa mit dem Spruch „Little better than usual“, was zu deutsch etwa „wenig besser als für gewöhnlich“ heißt. An andere Stelle bekam ich einmal einen Pappbecher in die Hand gedrückt, auf dem der Slogan „Experience a Warmer Cup of Coffee“ aufgedruckt war.(Wärmer als was?)

Dieser Coffee-To-Go ist meistens ein grundsolides Gebräu, wie auch der Kaffee hiesiger Ketten. Interessanter sind da schon die vielen hippen Cafés, die Kaffee regelrecht zelebrieren. Dort wird er manchmal sogar gleich vor Ort geröstet und gemahlen. Diese Läden kann man vor allem an ihrem ausgesprochen spartanischen Beton-Interieur erkennen. Hier wird der Kaffee dann meistens im Hand-Drip-Verfahren gefiltert, sprich: von Hand wird heißes Wasser in den Kaffeefilter gegossen. Das dauert ein wenig, gilt aber als schonend und die Tasse Kaffee, die dabei rauskommt ist aromatisch oft fein austariert, nichts für Leute, die ihren Kaffee gerne bitter und stark mögen (Berliner).

Nach skandinavischem Vorbild: Coffeeshop in Tokios Shibuya-Distrikt


Nach skandinavischem Vorbild: Coffeeshop in Tokios Shibuya-Distrikt
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Bild: Picture-Alliance

Die Leute am Tresen verstehen ihr Handwerk durchaus, nur an der Atmosphäre krankt es dann halt doch. Richtige Tassen bekommt man leider recht selten, aber dafür kann man beobachten, wie sich Jugendliche mit ihren Pappbechern in dem Betoninterieur für Instagram in Szene setzen. Hier zeigt sich ein besonders japanischer Konflikt: Mit den Kissaten wird eine ursprünglich aus Europa abgeschaute und japanisierte Institution verdrängt, nur eben leider durch die ‚Kaffeekultur‘ der amerikanischen Ketten wie Starbucks. So richtig japanisch fühlt sich ein Besuch in einem hippen Café eben auch nicht an, es fehlt der gefällige Jazz, der Zigarettenrauch, die Patina der Einrichtung. Das Heimelige eben, das Kissaten wie das „Kohisaron“ ausmacht.

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