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#„Sei nicht dieser Typ“

„Sei nicht dieser Typ“

Mädchen und Frauen bekommen im Laufe ihres Lebens eine Art Regelwerk mit, wie sie sich vor sexueller Gewalt schützen können. Nicht zu viel Alkohol trinken, das Glas nicht aus den Augen lassen, auf dem Heimweg dunkle Gassen meiden, unterwegs telefonieren oder lieber gleich ein Taxi nehmen – und, auch das steht häufig immer noch auf der Liste, das freizügige Outfit vielleicht noch einmal überdenken. Frauenparkplätze in Tiefgaragen, mehr Videoüberwachung und bessere Beleuchtung an öffentlichen Plätzen sollen das Sicherheitsgefühl stärken, Codewörter in Bars und Telefonhotlines unkomplizierte Hilfe ermöglichen.

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Es sind Dinge, die oft helfen, aber nicht immer: Im März wurde in London eine junge Frau auf dem Nachhauseweg entführt, vergewaltigt und ermordet. Sarah Everard hatte auffällige Kleidung und bequeme Schuhe getragen, kurz vor ihrem Verschwinden war sie noch auf Überwachungskameras zu sehen gewesen. Der Täter, ein Polizist, wurde zwar kurz darauf gefasst – für Everard war es aber zu spät. Der Fall löste in Großbritannien eine Debatte über Sexismus und Gewalt gegen Frauen sowie Skepsis gegenüber den Sicherheitsbehörden aus, auf die die Londoner Polizei mit weiteren Ratschlägen reagierte: Im Zweifelsfall solle man etwa einen Bus heranwinken oder andere Passanten hinzuziehen.

„Das Problem blickt uns direkt ins Gesicht“

Die schottische Polizei versucht es aktuell mit einem anderen Ansatz. „Don’t be that guy“, sei nicht dieser Typ, heißt die Kampagne, die in dieser Woche online gegangen ist. Sie soll sexuelle Gewalt gegen Frauen verhindern und richtet sich dabei explizit an das männliche Geschlecht. Der Clip der Kampagne zeigt mehrere junge Männer, die direkt in die Kamera sprechen und dabei zunächst vermeintlich harmlose Situationen skizzieren: „Hast du jemals eine Frau ‚Puppe‘ genannt? Oder ihr auf der Straße nachgepfiffen? Hast du jemals eine Frau im Bus angestarrt und zu deinem Kumpel gesagt: ‚die hol ich mir‘?“ Allmählich steigert sich die Intensität: Es geht um das ungefragte Zusenden von Genitalfotos, um das Ausgeben zahlreicher Drinks – „um dann was? Sie völlig betrunken in ein Taxi zu zerren und zu dir zu fahren?“ Es geht um das Einreden von Schuldgefühlen, weil Frauen, denen etwas spendiert wurde, den Männern etwas zurückgeben müssten, um Druck und Drängen – bis es zu sexuellen Handlungen kommt, auch gegen den Willen der Frau.

„Die meisten Männer schauen in den Spiegel und sehen kein Problem. Aber es blickt uns direkt ins Gesicht“, resümieren die Männer, die alle wirken wie der freundliche Kerl von nebenan. „Sexuelle Gewalt beginnt oft früher als du glaubst. Sei nicht dieser Typ.“

Ins Gespräch kommen

Insbesondere bei Frauen und Aktivistinnen stieß die Kampagne auf Begeisterung: „Zu oft erleben wir, dass Gewalt gegen Frauen ein Thema ist, dessen Lösung den Frauen aufgebürdet wird, in dem sie ihr Verhalten anpassen sollen“, sagte Andrea Simon von der End Violence Against Women Coalition der Zeitung The Guardian. Das sei nicht nur ineffektiv und ermüdend, sondern fördere auch den Glauben, dass Opfer für das, was ihnen geschieht, selbst verantwortlich seien. „Die Kampagne hat einen begrüßenswerten Fokus auf das Verhalten von Männern und was sie tun können, um sexuelle Gewalt zu verhindern.“ Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon forderte Männer auf, den Clip anzusehen und in ihrem Umfeld zu verbreiten, britische Kommentatorinnen lobten die Kampagne als „kraftvoll“. Alleine auf Twitter wurde das Video bis Samstagmittag mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen und mehr als 22.000 Mal geteilt.

Und was sagen die Adressaten der Kampagne? Auf Twitter ist das Urteil gespalten. Manche berichten, das Video habe sie bewegt, andere monieren, nicht alle Männer verhielten sich falsch, viele beteuern, sich selbst noch nie falsch verhalten zu haben, einige fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Dass natürlich sind nicht alle Männer Täter seien, sich aber dennoch jeder mit sexueller Gewalt gegen Frauen auseinander setzen sollte, dafür spricht sich Graham Goulden auf der Webseite der Kampagne aus. Goulden war zuvor mehr als 30 Jahre bei der schottischen Polizei tätig. Schließlich seien die meisten Täter männlich: „Im Bereich der sexuellen und häuslichen Gewalt ist die große Mehrheit der Opfer weiblich, während Männer die Tätergruppe ausmachen.“ Statistiken nach wird in Großbritannien alle drei Tage eine Frau von einem Mann umgebracht. In einer Studie von UN Women haben 71 Prozent der Britinnen angegeben, in der Öffentlichkeit schon mal sexuelle Belästigung erlebt zu haben.

„Fragen Sie die Frauen in Ihrem Leben: Sie werden Ihnen von Belästigung erzählen, von Cat-Calling auf den Straßen“, fordert Goulden auf. Solche Erlebnisse würden häufig herunter geredet – während Frauen ihr Leben so ausrichteten, entsprechende Situationen zu vermeiden. Dabei spiele auch das in der Gesellschaft verankerte Bild von einem männlichen Anspruch auf Sex eine Rolle. Deshalb gehe die Debatte alle etwas an. „Wir müssen uns nicht verteidigen oder angegriffen fühlen, es geht darum, Männer in die Debatte zu holen und darüber zu sprechen, was wir tun können“, sagt der frühere Polizist an andere Männer gerichtet. Und das sei einiges: Etwa Frauen zuhören, die eigene Wortwahl und das Verhalten reflektieren – und Einschreiten, wenn man mit erlebe, wie andere Männer Frauen belästigen. „Finden Sie einen Weg, mit anderen Männern ins Gespräch zu kommen.“

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