Nachrichten

#Sein Glück fand er an der Schnittstelle zwischen Kino und Fernsehen

„Sein Glück fand er an der Schnittstelle zwischen Kino und Fernsehen“

Im Hunsrück gibt es ein Wort, das klingt, als wäre es von Heidegger in den Volksmund geschmuggelt worden: Geheischnis. Nicht zu verwechseln mit Geheimnis, auch wenn sich darin eines verbirgt, nämlich die Grundlage für ein gutes Leben. Der Filmemacher Edgar Reitz, der anlässlich seines bald bevorstehenden neunzigsten Geburtstags eine Autobiographie geschrieben hat, sieht sich in einem Geheischnis geborgen. Er ist ein Mann, ein Künstler, der in der Kindheit eine gute „Hege“ erfuhr (das wäre die Wortwurzel), der später auf seine konkrete Verwurzelung in dieser deutschen Landschaft zurückkam und mit einem Zyklus über den Hunsrück seinem Werk eine Mitte gab: „Heimat“ wuchs ab 1981 zu einem Riesenwerk heran, das die deutsche Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts von unten erzählte, in einer dramaturgischen Parallelaktion zu vergleichbaren Bestrebungen auch in der Geschichtswissenschaft.

Edgar Reitz ist der Alltagshistoriker des Neuen Deutschen Films, zugleich auch ein Pionier dessen, was sich in den Nullerjahren als Quality TV in Amerika herausbildete, wenngleich in seinem Fall unter den Bedingungen des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens und teilweise dessen spezifischer Träg- und Feigheiten. Er war 1962 Unterzeichner des berühmten Oberhausener Manifests, mit dem das Nachkriegskino sich aus den Verdrängungen von „Papas Kino“ zu befreien versuchte, ging neben den Heroen wie Herzog, Wenders oder Fassbinder aber sehr eigene Wege, denn er fand auf einem Umweg zum Kino, als Industriefilmer, also als ein Auftragsarbeiter des deutschen Wirtschaftswunders.

In kritischer Distanz zu den Ideologisierungen der Achtundsechziger

Reitz hat eine Menge zu erzählen, und er nimmt sich dafür auch ausführlich Platz, auf mehr als siebenhundert Seiten versucht er, „Filmzeit, Lebenszeit“ inein­ander zu verschränken. Er ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass er mit „Heimat“ auch so etwas wie eine Gedächtnisbarriere geschaffen hat. Es ist gar nicht so leicht, sich hinter diese Fiktionalisierung zurückzuerinnern, schließlich ging er bei seinen Drehbüchern vielfach von eigenen Erlebnissen aus. „Namenlose Eindrücke leuchten in die Filme hinein“, schreibt er einmal, an anderen Stellen kann er die Eindrücke genau benennen, etwa einen „Steinguttopf mit Dickmilch“, den man wohl auch als Zeichen für ein Geheischnis sehen kann – und für einen Umgang mit den landwirtschaftlichen Produkten lange vor den Großmolkereien. Ein Hauch von Proust ist hier erkennbar, zugleich spielt die narrative Auflösung ins Szenische (in eine Vorwegnahme der späteren filmischen Einstellung) schon damals ein Rolle: „Stickelscher verziele“ ist eine Hunsrücker Formulierung für das Erzählen von Begebenheiten, wie es vor allem der Großvater mütterlicherseits konnte, ein Streckengeher bei der Bahn.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!