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#Serientäter: Star Trek: Picard – ein Rückblick

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Serientäter: Star Trek: Picard – ein Rückblick

Manchmal braucht es etwas Zeit, eine Serie wirklich objektiv bewerten zu können. «Star Trek: Picard» ist eine solche Serie. Gerade in Hinblick auf die Expansion des «Star Trek»-Universums ist es einmal angebracht, ganz ohne den Druck einer tagesaktuellen Bewertung einen Blick zurück zu werfen.

Stab

Darsteller: Patrick Stewart, Aloson Pill, Isa Birones, Santiago Cabrera, Evan Evagora, Michelle Hurd, Harry Treadaway, Jeri Ryan, Tamlyn Tomita, Jonathan Frakes, Marina Sirtis
Showrunner: Akiva Goldsman, Michael Chabon, Alex Kurtzman, Kirsten Beyer
Musik. Jeff Russo
Produktionsfirma: Secret Hideout, Roddenberry Entertainment, Weed Road Pictures

Kosten pro Episode: zwischen 8 und 9 Mio Dollar

CBS besitzt mit «Star Trek» das wertvollste Serien-Franchise überhaupt. Klar gibt es eine ganze Reihe von Serien-Universen, deren internationale Lizenzverkäufe ihre Produzenten sehr, sehr glücklich machen. «Law & Order» ist ein solches Universum, «Hawaii Five-0», «MacGyver» und «Magnum» bilden zusammen eine Serienwelt und warten eigentlich nur darauf, dass endlich jemand den Begriff des Rebootverse erfindet, um die einzelnen Serienwelten zusammenzuführen (was hiermit geschehen ist – bitte sehr). Doch diese beiden Serienuniversen bieten „nur“ Serienunterhaltung. Wohl inszenierte Kriminalspiele, die Woche für Woche das Publikum „nur“ unterhalten sollen. Das ist ihre Aufgabe, diese Aufgabe erfüllen sie. Und das „nur“ ist bitte in fette Anführungszeichen zu setzen, denn es bezieht sich nur auf die Tatsache, dass die Serien eben „nur“ in ihrem Rahmen funktionieren müssen. Dieser Rahmen wird anhand einer Bilddiagonale berechnet und nennt sich Bildschirm. Keine dieser Serien hat einen über diesen Rahmen hinausgehende Bewandtnis. Selbstverständlich gibt es Fans. Aber treffen die sich zu großen Conventions? Stellen die sich den Magnum-Ferrari von Lego in die Wohnzimmervitrine? Wird für die eine «MacGyver»-Comicreihe aufgelegt? Verkauft S.Oliver «Law & Order: Special Victims Unit»-T-Shirts?

Ganz genau. All diese Serienuniversen existieren im Rahmen ihres televisionären Umfeldes. «Star Trek» jedoch geht weit, weit über diesen Bildschirm hinaus. Unzählige Buch- und Comicreihen ergänzen den televisionären Erzählkosmos, eine ganze Merchandising-Industrie lebt vom Verkauf von lizenzierten Produkten. Und dann hat dieses Serienuniversum nebenbei eine gesellschaftliche Relevanz. Die mag historisch betrachtet werden müssen, aber in welcher Serie küsste zum ersten Mal ein kaukasischer Mann eine afroamerikanische Frau? Eine Frau, die ganz nebenbei in der Rolle einer Offizierin auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen agierte? In welcher Serie wurde mitten in Kalten Kriegstagen auf Vernunft als Lösung politischer Probleme gesetzt statt auf Westernmethoden? Welche Serie entsandte Entdecker in eine ihr unbekannte Welt, um diese Welt zu erforschen, aber nicht um sie zu erobern, sondern um Kontakte zu knüpfen – zum Wohle aller? «Star Trek» oder – «Raumschiff Enterprise» hat mehr als nur einen kleinen Fußabdruck in der Geschichte des Fernsehens hinterlassen. Sie hat eben auch gesellschaftlich Relevanz erlangt und Menschen inspiriert. Unter anderem einen gewissen Barack Obama:

Umso erstaunlicher ist es, wie schwer sich CBS lange Zeit damit getan hat, das «Star Trek»-Universum mit neuem Leben zu erfüllen. Dabei bewies man 1993 Mut, als man mit «Star Trek: Deep Space Nine» wirklich neue Wege beschritt, die sich sowohl von «Star Trek» als auch von «Star Trek: The Next Generation» deutlich unterschieden. Die Föderation als eine Art Blauhelmtruppe in einem fernen Quadranten – welche den Frieden zwischen zwei an sich verfeindeten Völkern aufrecht erhalten soll? Sicher, das ist nur ein Teil der Rahmenhandlung und viele Fans taten sich seinerzeit mit diesem Konzept schwer. «Star Trek» und «Star Trek: The Next Generation» sind auf ihre Art und Weise Westernserien, in denen die Protagonisten gen Westen aufbrechen. Nur erfolgt dies in einem positiven Geist, beseelt von einer unbändigen Neugierde auf das Fremde mit definitiv friedlichen Absichten. Was sie zu positiven Utopien macht. «Star Trek: Deep Space Nine» hat diese Utopie ein Stück weit zurück auf den Boden der Realität geholt – was im Erzählkosmos jedoch nicht zu bemängeln ist. Gerade weil es nicht um Eroberung, sondern um Ideale geht, reicht es nicht Sonntagsreden zu halten, wenn man diese Ideale in den Raum tragen will. Man muss für diese Ideale auch einstehen. Notfalls eben auch einmal mit einem Friedenscorps.
Es gab also durchaus schon in den 1990er Jahren im Hause CBS Bestrebungen, das Franchise «Star Trek» expandieren zu lassen. Im Nachhinein muss man jedoch anmerken, dass die vierte Serie «Star Trek: Voyager» seltsam mutlos daher kam. Ein Raumschiff, hübsche Uniformen, Aliens mit Hübbelchen auf Stirn und Nase? Das alles wirkte so saft- und kraftlos… Mit «Enterprise» gelang es CBS sogar derart viele Zuschauer zu vergrätzen, dass die Serie abgesetzt werden musste. Selbst das ungeliebte Raumschiff Voyager bekam die geplanten sieben Staffeln Zeit, um ihren Weg nach Hause zu finden.

Was ist da am Ende passiert? Ein Serienuniversum 18 Jahre (zwischen 1987 und 2005) mit vier Serien, «Star Trek: The Next Generation», «Star Trek: Deep Space Nine», «Star Trek: Voyager» und «Enterprise», am Leben zu erhalten, ist an sich bewundernswert. Und selbst ein Flop wie «Enterprise» sollte in einem solchen Umfeld eigentlich zu verkraften sein. Warum also hat CBS 2005 den Stecker gezogen und sich danach so schwer getan, das Star Trek-Universum im Fernsehen neu zu starten?

Im Grunde genommen bieten bereits «Star Trek: Voyager» und «Enterprise» darauf eine Antwort: Beide Serien sind nicht wirklich gut. «Star Trek: Voyager» etwa ist es nie gelungen, so etwas wie eine eigene Welt zu kreieren, mit eigenen – nachhaltigen – Antagonisten. Man recycelte im Grunde alte Geschichten, die man so bereits aus Vorgängerserien her kannte, und mit den Borg wurden dann zwar irgendwann tatsächlich finstere Gegenspieler etabliert (und eine interessante, neue Hauptdarstellerin eingeführt, über die noch zu reden sein wird) – nur entstammen die Borg bekanntermaßen der Welt von «Star Trek: The Next Generation». Bei aller Liebe: Eine eigene Identität hat «Star Trek: Voyager» nie entwickelt.

«Enterprise» wiederum startete sein Serienleben 2001, rund acht Monate nach einer anderen Serie, die zwar nichts mit fantastischen Welten zu tun hat, die aber die Malaise offenbart, mit der «Enterprise» auf Jungfernflug ging: «CSI».

Natürlich lassen sich beide Serien nicht (und zwar wirklich so gar nicht) inhaltlich vergleichen. Der Vergleich richtet sich allein auf die Art der Inszenierung, das reine Handwerk: Auf der einen Seite ist also «CSI» (schnelle Schnitte, durch bewusste Auslassungen auf das Wichtigste zusammengedampfte Geschichten, eine 1-A-Kinokamera). Auf der anderen Seite ist «Enterprise». Bieder inszeniert, bietet einen eher behäbigen Schnitt, die Fernsehkamera zeichnet Bilder auf, kreiert aber keinerlei Bilder von bleibendem Wert. Und das just in einer Zeit um das Jahr 2000, im dem das begann, was wir heute das „Goldene Zeitalter“ der TV-Serie nennen. In diesem von Umbrüchen gekennzeichneten Zeitalter, wirkte «Enterprise» altbacken, ohne Pep. Und das als Scifi-Serie – also einer Serie in einem Umfeld, das normalerweise Trends setzt und nicht Trends hinterher läuft. Selbst eine Konkurrenzserien wie «Stargate» entwickelte sich in dieser Zeit narrativ am Puls der Zeit, erzählte komplexe, episodenübergreifende Geschichte, erschuf tolle Figuren und bot, man höre und staune, die besseren Spezialeffekte. Während die Effekte von «Stargate» heute noch verdammt gut aussehen, wirkt «Enterprise» – eher durchschnittlich. Dass die Serie in der vierten Staffel aufs Gaspedal drückte, tolle Effekte erschuf und durch die Erschaffung von episodenübergreifenden Handlungsbögen plötzlich höchst komplexe, spannende Geschichten zu erzählen verstand, kam zu spät, denn die seinerzeit vom US-Sender UPN ausgestrahlte Serie, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zu viele Zuschauer verloren als dass eine Fortsetzung marktwirtschaftlich für den Sender einen Sinn ergeben hätte.

Es ist aus marktwirtschaftlicher Sicht keinesfalls unverständlich, dass die Rechteinhaber nach dem «Enterprise»-Desaster eine Pause eingelegt haben. Wenn ein Franchise ins Wanken gerät und gar die Absetzung einer Serie verlangt, kann es Sinn machen, nicht sofort einen Ersatz ins Rennen zu schicken, der möglicherweise nur halbgar ausfällt und die Situation am Ende gar verschlimmern. Das Universum von «Star Trek» hat durch sein Fandom nun einmal eine Plattform, die den Kult am Leben erhält. Freiwillig. Das haben andere Serienwelten in dieser Form nicht. Es ist also durchaus möglich, auch mal eine Pause einzulegen, ohne gleich dem Vergessen anheim zu fallen.

Warum es jedoch bis 2017 dauern musste, 13 Jahre, bis eine neue Serie an den Start gehen durfte?

Immer wieder wird kolportiert, dass man im Hause Paramount als der großen Übermutter – einfach keine wirklichen Konzepte für «Star Trek» in der Schublade liegen hatte. Ob das stimmt? Vieles davon ist mit Sicherheit nur Fangerede:

„Es gibt immer noch keine neue Serie? Die haben doch keine Ahnung bei Paramount, diese Schlipssträger, die sollten uns Fans mal machen lassen.“

Na ja, dass im Grunde alle drei Spielfilme nach dem Neustart der Kino-Spielfilmreihe 2009 recht ähnliche Geschichten erzählen, belegt schon, dass der Motor wohl etwas geruckelt hat. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man bei CBS und Paramount tatsächlich mit dem Problem kämpft (oder kämpfte?), ein Franchise zu besitzen, das weit über die Grenzen des Bildschirmes (und der Kinoleinwände hinaus) Strahlkraft besitzt – das aber auch, und da muss man die Verantwortlichen auch einmal in Schutz nehmen, gar nicht so leicht zu vermarkten ist.

Bringt man eine Serie (oder auch einen Film) an den Start, die (der) den Hardcore-Fans alles an Süßigkeiten bietet, was die vertragen können (und darüber hinaus): Erreicht man möglicherweise nicht das normale Publikum, das sich einfach unterhalten möchte. Hat man zu sehr das normale Publikum im Visier, sind die Trekkies möglicherweise beleidigt: Die man aber als Multiplikator (auch für das Vermarktung-Drumherum) auch nicht verprellen möchte.

Dass wir mit einem Mal einen regelrechten Overkill an neuen Serien aus dem «Star Trek»-Universum erleben, ist dem sich verändernden Serienmarkt geschuldet und – und an diesem Punkt mögen viele Fans nun bitte einmal tief ein- und ausatmen – der Überalterung der klassischen, treuen Zuschauerschaft.

Dass sich die Serienwelt verändert hat, sollte keine ganz neue Nachricht darstellen. Netflix hat die Karten neu gemischt, HBO hat narrativ-qualitativ im Serienfernsehen Maßstäbe gesetzt: Wer da mithalten will, muss sich ganz schön ins Zeug legen. Und da CBS in den USA mit CBS All Access einen eigenen Streamingdienst aufgebaut hat → was würde da besser als Aufmerksamkeitserreger dienen als – «Star Trek»? Welcher Titel hat schon solch eine Strahlkraft?

Eine Strahlkraft, die jedoch nicht mehr für sich alleine blitzt und blinkt. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Ur-Serie (siehe das Obama-Video) steht doch außer Frage. Natürlich ist das klassische «Star Trek» eine Serie, der im Museum bedeutender TV-Formate ein eigener Flügel zusteht. Aber in einem Museum setzen Exponate oft auch etwas Staub an. Während sich die Welt um sie herum verändert, werden sie konserviert.

Jenseits des gesellschaftlich-relevanten Aspektes der Ur-Serie, der so ziemlich einmal ist, steht das Franchise heute nicht mehr für sich alleine. Marvel ist seit einigen Jahren aktiv dabei, auch den Fernsehraum für sich zu erobern, Disney wird in absehbarer Zukunft alles, was auch nur im Entferntesten mit «Star Wars» plakatierbar ist, auf die Zuschauersehnerven loslassen. Bedenkt man nun, dass «Enterprise» 2005 eingestampft worden ist: Ist eine ganze Generation von Fernsehzuschauern ohne eine aktuelle «Star Trek»-Serie aufgewachsen. Wer 1999 geboren wurde, war beim Start von «Star Trek: Discovery» 18 Jahre alt. Nur um einmal den Aspekt der Überalterung greifbar zu machen. «Star Trek» besitzt im TV-Serienbetrieb vor allem für jüngere Zuschauer, die zum Beispiel mit «Avatar – Der Herr der Elemente» zu Serienjunkies geworden sind, eine doch sehr untergeordnete Relevanz. Vor allem hat dieses Publikum zum Beispiel mit «Star Wars: The Clone Wars» einen Zugang zu einem anderen, ganz großen Franchise in den Jahren, in denen «Star Trek» eine Pause eingelegt hat, geebnet bekommen. Auch spielen Games heute kulturell eine ganz andere Rolle als noch vor 20 Jahren und da hat die dunkle Seite der Macht ganz klar die Nase vorn.

Dass auf diesem Franchise-Markt auch Warner mit seinem Arrowverse mitspielt und sich international mit dem Lizenzverkauf an seinen gefühlten 352 Superheldenserien ein Goldnäschen verdient, sei nur am Rande erwähnt.

So also hat man 2017 mit «Star Trek: Discovery» die erste Serie an den Start gebracht und sich diese einiges kosten lassen. Dass diese Serie lupenreine Kinobilder liefert, darüber muss nicht diskutiert werden. Ihre inhaltlichen Qualitäten sind hingegen an anderer Stelle zu diskutieren. Dass eine vierte Staffel längst bewilligt worden ist, belegt: Man verdient Geld mit der Serie.

Ab dem 22. Januar 2021 wird man sich in Deutschland dann auch von der Qualität von «Star Trek: Lower Decks» ein Bild machen können. Die Animationsserie stellt einmal nicht die großen Helden und Weltenretter in den Mittelpunkt, sondern die Fähnriche, die auf den unteren Decks Dienst schieben. Die Idee entstammt einer Episode aus «Star Trek: The Next Generation», die eine Folge lang genau solche Figuren in den Mittelpunkt der Handlung stellte und einmal den unbesungenen Helden der Föderation ein Gesicht gab.

Im Grunde genommen ist «Star Trek: Discovery» das momentane Flaggschiff des Seriensturms. Bis in den letzten Winkel fett mit Effekten ausgestattet, führt die Serie das neue Serienuniversum an. In der Serie ist, ob man sie mag oder nicht, das spielt bei der Bewertung keine Rolle, jeder Dollar zu sehen, der in sie hineingepumpt wird. «Star Trek: Lower Decks» ist der Underdog, der selbstironische Blick auf sich selbst, die Serie, die, da die Erwartungen eher auf kleiner Flamme gekocht werden, hier und da auch mal ein bisschen etwas ausprobieren darf. Und dann ist da «Star Trek: Picard», die Verbeugung vor der eigenen Geschichte. Der Klassiker, der gereifte Wein, das Gala-Konzert. So zumindest soll die Serie sein und so ist sie auch aufgenommen worden, als Amazon Prime sie 2020 ausgestrahlt hat.

Aber genau aus diesem Grund ist es, wie bereits eingangs erwähnt, durchaus wichtig, manchmal etwas Zeit ins Land gehen zu lassen, bis man sich an einer objektiven Betrachtung versuchen kann. Auch der Kritiker ist ein Fan und neigt dazu, in einem Anfall erster Begeisterung manch eine Unebenheit zu übersehen. Oder – ganz ehrlich – auch übersehen zu wollen.

Warum ist Picard Picard? Also nicht nur eine Figur in irgendeiner Fernsehserie, die vor langer Zeit einmal recht erfolgreich gewesen ist! Wieso strahlt diese Figur heute noch solch einen Reiz aus?

Im Grunde genommen ist die Antwort gar nicht so schwer. Im Jahre 1987, dem Jahr, in dem «Star Trek: The Next Generation» in den USA zum Jungfernflug ansetzte, galt die Gattung Fernsehserie als Gebrauchsware. Natürlich gab es hier und da bemerkenswerte Ausreißer, in der Breite aber wurde die Fernsehserie doch nur als der Bastard des Kinos betrachtet. Als eine Ausnahme in diesem auf den Moment hin ausgerichteten Geschäft galt schon damals «Star Trek». Bei der Erstausstrahlung zwischen 1966 und1969 kein großer Hit, hatte sich doch im Laufe der Zeit, vor allem bedingt durch die vielen Wiederholungen in den USA und dem weltweiten Lizenzverkauf, eine treue Fangemeinde entwickelt, dass diese Serie ab 1979 im Kino fortgesetzt wurde, was einen einmaligen Vorgang seinerzeit darstellte. «Star Trek: The Next Generation» ging demnach nicht nur in Produktion, weil jemand eine tolle Idee hatte und daraus unbedingt eine Fernsehserie machen wollte. Schon damals ging es darum, das Franchise am Leben zu erhalten. Darin unterscheidet sich das Jahr 1987 nicht von 2020. Und darum wurde eine neue Serie ins Leben gerufen. Eine Serie, die sich inhaltlich vom Original gar nicht großartig unterscheiden sollte. Ein Raumschiff namens Enterprise fliegt durchs All, lernt neue Völker kennen und hier und da gibt es mal Stress.

An dieser Stelle seien die Trekkies ein zweites Mal gebeten, tief ein und aus zu atmen, aber wenn man einmal ganz ehrlich ist: Narrativ waren die ersten beiden Staffeln dieser Serie kaum mehr als Massenware, gefilmt in kostengünstigen (Papp-)Studiokulissen ohne auch nur einen Hauch von filmischer Finesse. Nur war da dieser Hauptdarsteller, der irgendwie – anders tickte. Als ständiges Mitglied der Royal Shakespeare Academy gehörte der Brite 1987 nicht unbedingt zu den Schauspielern, die man in der Hauptrolle einer amerikanischen Fernsehserie der 1980er Jahre erwartet hätte. Auch hatte Stewart in Filmen oder Serien bis dato keine Hauptrollen gespielt, so dass er einen Namen mitgebracht hätte, mit dem man hätte Werbung betreiben können. Vor «Star Trek: The Next Generation» spielte er eine größere Kinorolle in «Dune – Der Wüstenplanet», man sah ihn in «Excalibur» und ja, er ist der Kutscher aus «Der kleine Lord». Aber Hauptrollen?

Wer immer auf die Idee gekommen ist, diesen Theaterschauspieler aus Mirfield in West-Yorkshire zu einem Casting einzuladen, hatte entweder einen guten Tag, ein gutes Näschen oder – war ein gottverdammtes Genie. Inmitten einer Serie, die – durchatmen – nicht wirklich gut gewesen ist, saß da dieser glatzköpfige Schauspieler auf dem Kapitänssessel und brachte eine schauspielerische Klasse in die Serie ein, die so – im Umfeld des amerikanischen Serienfernsehens der Entstehungszeit – schlicht eine Klasse für sich darstellte. Patrick Stewart hat durch seine Darstellung des Jean-Luc Picard nicht nur eine ikonische Serienfigur erschaffen, er hat durch sein Spiel die Tore für das von Schauspielern getriebene serielle Fernsehen der Gegenwart weit geöffnet.

Hat Stewart die Qualität der Drehbücher angestachelt? Durchaus möglich. Tatsache ist, dass ab der dritten Staffel die Qualität der Serie auf allen Ebenen merklich anzog. Die Geschichten wurden komplexer und die Schauspieler bekamen viel mehr Platz, ihre Figuren mit Leben füllen zu können. Ob «Star Trek: The Next Generation» ohne Patrick Stewart je zu der Serie geworden wäre, die sie geworden ist? Wo würde das Franchise ohne ihn stehen? Hätte es der Kult ohne diesen Engländer überhaupt bis in die 90er Jahre geschafft, oder wäre «Star Trek» heute nur mehr eine Erinnerung? Auf diese Frage kann niemand eine Antwort geben.

Tatsache ist: Stewart ist sowohl als geadelter Sir Patrick wie auch als Kunstfigur Jean-Luc Picard eine Ikone, demnach ist es nur folgerichtig, dass er 2020 in dieser Rolle auf den Bildschirm zurückgekehrt ist.

Was natürlich erst einmal Begeisterung hervorrief.

Der Captain sitzt noch einmal auf der Brücke und gibt den Befehl zu starten?
Der Captain begibt sich noch einmal auf eine Mission?
Und er trifft Nummer 1, William T. Riker?

Leute, ihr könnt den Laden dichtmachen, die Geschichte der Fernsehserie ist erzählt, nach dieser Serie kommt nichts mehr.

Leider aber ist dies nur der erste Eindruck des Fans, der Patrick Stewart auch dabei zuschauen würde, wie er in einem Kapitänssessel gemütlich sitzt und die Namen aus dem Telefonbuch von Wetter an der Ruhr vorliest. Tatsächlich hat die Serie, mit Abstand betrachtet, einige echte Probleme.

Zur Erinnerung: Eine junge Frau sucht Picard auf mit der Bitte, ihr zu helfen. Picard hat sich inzwischen auf den Sitz seiner Familie in Frankreich zurückgezogen. Er ist im Streit mit der Sternenflotte aus dem Dienst ausgeschieden. Picard kann der jungen Frau nicht helfen, sie wird von Terroristen ermordet. Jedoch wird schnell klar: Die junge Frau war kein Mensch. Sie war ein Kunstwesen – ohne dies selbst zu wissen. Aber nicht nur das: Offenbar ist sie eine Art Tochter von Data, dessen Tod Picard nie überwunden hat. Erschaffen von einem Forscher namens Maddox, der wiederum Ideen von Dr. Noonien Soong weiterentwickelt hat – dem Schöpfer Datas, der diesem auch sein Gesicht gab. Und irgendwo existiert eine Zwillingsschwester der jungen Frau, die keine Ahnung hat, dass sie ein Kunstwesen ist – und der offenbar gleichfalls nach dem Leben getrachtet wird, denn eine romulanische Sekte namens Zhat Vash hat es auf die Zerstörung aller künstlichen Wesen abgesehen. Hilfe von der Föderation erhält Picard nicht, denn die Föderation hat ihrerseits die Forschung an künstlichen Wesen eingestellt: Durch den Amoklauf von Androiden wurde vor 14 Jahren nicht nur die Flottenwerft der Föderation auf dem Mars zerstört, auch fanden Zehntausende von Menschen den Tod. Zur gleichen Zeit wurde die Heimatwelt der Romulaner durch den Ausbruch einer Supernova zerstört. Eine angelaufene Rettungsaktion wurde von der Föderationsführung abgebrochen. Ein Admiral jedoch widersetzte sich dem Befehl und trat daraufhin aus Protest von seinem Posten zurück: Jean-Luc Picard.

An sich beginnen schon in dieser Zusammenfassung die Probleme. Die Heimatwelt der Romulaner ist zerstört worden? Jener Romulaner, mit denen die Föderation Ewigkeiten im Clinch lag, bis Ereignisse in «Star Trek: Deep Space Nine» die Romulaner zwangen, zumindest mal eine Streitpause einzulegen? Dass deren Heimatwelt nicht mehr existiert, dass Picard unter ihnen höchste Anerkennung genießt, weil er alte Feindschaften vergaß und viele Leben rettete: Das alleine wäre der Stoff für eine eigene – epische – Serie. Stattdessen aber wird es einfach mal eben erzählt und damit als so gegeben abgehakt. Das kann man machen, wirklich gut aber ist das nicht.

Dass die Föderation einiges von ihren Idealen eingebüßt hat, das ist nicht nur dem Zeitgeist geschuldet. Schon in den Jahren von «Star Trek: The Next Generation» gab es quasi den Running Gag, dass das Auftauchen eines Admirals oder einer hohen Richerin in Stress enden musste. Das Ideal der Föderation wurde schon in diesen Jahren in Frage gestellt, im Grunde war Picards Enterprise immer eine Art Insel der Glückseligen. Diese Idee wird in «Star Trek: Picard» im Grunde nur wieder aufgenommen und schärfer fokussiert. Der Idealist Picard, der für die Werte der Gemeinschaft lebt versus der Realität, die hier und da Schatten wirft.

Gibt es an dieser Entwicklung also im Grunde keine Kritik zu üben, braucht die Serie geschlagene vier Episoden für die Einführung der Hauptfiguren. Trotz des prominenten Namens soll «Star Trek: Picard» eine Ensembleserie sein. Das ist schön. Die Zeit aber, die sie benötigt, um diese Figuren einzuführen: Lässt jegliche Dramaturgie im Grunde aus dem Tritt geraten → gleichzeitig aber findet die Inszenierung nicht unbedingt die Stellschrauben, die nötig wären, um die Beziehungen der einzelnen Figuren zu Picard klar zu justieren und glaubhaft zu machen. Da ist etwa Raffi Musiker (Michelle Hurd), die in die Serie als eine alte Bekannte eingeführt wird, die über Jahre hinweg zu Picards Leben gehört hat. Nur: Wer ist diese Raffi Musiker, eine Frau, die offenbar ein kleines Drogenproblem mit sich herumträgt? Gut, das ist schnell geklärt: Sie war einige Zeit Picards Erste Offizierin. Ihr vertrauter, etwas flapsiger Umgang mit Picard aber irritiert. War Riker nicht immer ein Mann, der Picard schätzte (vielleicht auf seine Weise sogar liebte) – dabei aber immer Distanz bewahrte, da dieser Picard sein Captain war und damit eine Respektsperson? Davon ist bei Raffi nichts zu spüren. Leider gelingt es der Story nie zu erklären, wie sich Raffi und Picard so nahe kamen! Ihre einst enge Beziehung wird behauptet, sie wird aber nie wirklich mit Leben gefüllt. Dies gilt auch für Elnor (Evan Evagora), einen jungen Romulaner, der in einer Art Kriegersekte erzogen wurde, die Picard für seine Rettungsaktion als Ehrenmann verehrt. Elnor, zu der Zeit der Katastrophe noch ein Kind, hat zu Picard eine besonders enge Verbindung aufgebaut, daher zögert er als nun erwachsener Mann nicht, in den Dienst von Picard zu treten. Aber auch diese Beziehung bleibt größtenteils behauptet, auch ihr fehlt es an Momenten, die diese Beziehung mit echten Leben füllen würde.

Während die Story als solche vier Episoden braucht, bis sie überhaupt endlich mal richtig Fahrt aufnimmt, findet sie nie eine Antwort auf die Frage: Was will sie eigentlich sein? Tatsächlich nämlich bietet die Geschichte der Kunstmenschen kaum mehr als die Handlung für einen – Dreiteiler? Je näher die handelnden Figuren den Hintergründen der Geschichte auf die Schliche kommen, desto mehr schrumpft sie zusammen. Größe wird immer und immer wieder in dieser Serie nur behauptet. Es geht um Kunstmenschen? Also gibt es da einen Borg-Kubus, der ausgeschlachtet wird und manche Geheimnisse enthält. Die aber eigentlich für die Handlung kaum von Belang sind. Man braucht den Kubus, um Größe visuell darzustellen. Eine Größe, die die Geschichte einfach nicht erreichen will.

Wie bereits an vorangegangener Stelle angesprochen: Manch eine Schwäche offenbart sich erst im Nachgang. Auch Kritiker sind, um dies noch einmal offen zuzugeben, oft Fans und wenn Patrick Stewart Captain Picard darstellt, werden Schwächen auch gerne einmal freundlich ignoriert. Schließlich gibt es ja auch einiges an Positiva zu vermelden. Etwa die Tatsache, dass Patrick Stewart Jean-Luc Picard ist. Schlichtweg. Seine Verbitterung über die Entscheidungen der Föderation, die ihn haben den Dienst quittieren lassen: Ist mit jedem Atemzug spürbar. Aber da ist eben auch der Funken, der in ihm entzündet wird, wenn er sich auf seine ganz persönliche Mission begibt: Das ist der Captain, der sein Leben einst ganz einem Ideal verschrieben hat – mit Haut und Glatze!

Ebenfalls einen fetten Punkt auf der Habenseite stellt das visuelle Konzept der Serie dar. Wo «Star Trek: Discovery» den Protz wie ein zu Geld gekommener Gangsta-Rapper raushängen lässt, ist «Star Trek: Picard» ein klassisches Sinfoniekonzert. Jeder Effekt, jede Kameraeinstellung, jede Kulisse ist Teil einer Partitur. «Star Trel: Picard» hat – schlichtweg – Stil.

Die größte Überraschung aber findet sich am Ende auf der Darstellerseite mit Jeri Ryan – und Seven of Nine. Als «Star Trek: Voyager» schwächelte und die Borg als Antagonisten eingeführt wurden, wurde die Figur der Seven of Nine erschaffen: Einer Borg-Drohne, die nun, gelöst von ihrem Kollektiv, ihr Dasein als Mensch definieren muss. Die meisten ihrer menschlichen Erinnerungen sind verloren; was es also bedeutet ein Mensch zu sein: Muss sie selbst erlernen. Es wurde über Jeri Ryan gerne kolportiert, dass nicht nur ihr schauspielerisches Talent für ihr Engagement den Ausschlag gegeben hätte. Schon damals war dies falsch, denn schnell gelang es der in München geborenen Schauspieler einige schauspielerische Akzente zu setzen. Nur gab ihre Rolle nicht immer allzu viel her. Seven of Nine bekam sehr oft nur so etwas wie die Emotion der Woche vorgesetzt, deren Sinnhaftigkeit sie erlernen musste. Da war mehr in der Figur, nur dieses Mehr wurde selten freigelassen.

Nun sind bald 20 Jahre vergangen und da ist sie wieder – Seven of Nine. Fast 20 Jahre nach ihrem letzten Auftritt kehrt sie zurück. Der Borg von einst hat endlich verstanden, was es bedeutet ein Mensch zu sein. Und sie mag die Menschen aus diversen Gründen nicht sonderlich, obwohl sie selbst auf ihre Art und Weise ein guter Mensch geworden ist. Jeri Ryan rockt. Tatsächlich ist sie die eine Figur, die wirklich in dieser Serie wächst. Ist sie anfangs eher von dem, was sie über den Mensch als Wesen entdeckt hat, enttäuscht und vielleicht frustriert, zündet Picard in ihr einen Funken. Dieser Wandel ist umwerfend zu betrachten. Vor allem, da in der Figur auch Dunkelheit lebt und es offensichtlich ist, dass Seven viel Kraft braucht, diese Dunkelheit nicht siegen zu lassen.

Am Ende ist «Star Trek: Picard» – rückblickend betrachtet – ein durchwachsenes Vergnügen. Wohl gefilmt und getragen von einem über aller Kritik stehenden Hauptdarsteller, auch durchzogen von unübersehbaren Schwächen im Aufbau einer Geschichte, die zu oft Größe nur behauptet. Und daher ist es vielleicht gar nicht schlecht, dass die nächste Serie – anders werden soll. Mit «Star Trek: Strange New Worlds» verspricht Paramount den Geist der Classic-Serie und von «Star Trek: The Next Generation» auferstehen zu lassen. Da startet die Pre-Kirk-Enterprise auf zu Welten, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat, angeblich soll es keine Geschichten geben, die über mehr als drei Episoden laufen werden; ganz klassisch sollen offenbar Erstkontakte im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Vielleicht ist es genau das, was das «Star Trek»-Universum jetzt braucht. Eine Serie, die einfach den ganz klassischen Geist atmet. Ohne Brüche, optimistisch, geradeaus.

Mit einer Serie um die Sektion 31, jenem aus «Star Trek: Deep Space Nine» bekannten Geheimdienst, der die Arbeiten erledigt, die es offiziell gar nicht in der Föderation geben darf, steht ein weiteres Projekt in Planung, (die dritte Staffel von «Star Trek: Discovery» hat die Grundlage dafür bereits gelegt). Außerdem startet im Sommer auf Nikelodeon mit «Star Trek Prodegy» eine animierte Serie für Kinder.



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