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#Sicher, sicher, aber es war alles ganz legal

Sicher, sicher, aber es war alles ganz legal

Anfang 2019 eröffnete die Freie Universität Berlin auf Bitten von Franziska Giffey ein Verfahren zur Prüfung der Plagiatsvorwürfe gegen die 2009 angenommene politikwissenschaftliche Doktorarbeit der Bundesministerin zum Thema „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Der Promotionsausschuss des Otto-Suhr-Instituts setzte ein „Gremium“ ein, das einen Vorschlag für das Präsidium erarbeitete. Das Präsidium folgte dem einstimmigen Vorschlag des Gremiums aus dessen Schlussbericht vom 14. Oktober 2019 und sprach am 30. Oktober 2019 eine Rüge aus.

Patrick Bahners

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Nachdem in der Öffentlichkeit Zweifel daran geäußert worden waren, ob die Universität die Rüge als mildere Sanktion statt des im Berliner Hochschulgesetz als einziger Sanktion genannten Titelentzugs überhaupt habe verhängen dürfen, beauftragte die FU Ulrich Battis (Humboldt-Universität) mit einem Gutachten zu dieser Frage. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses (auf Anforderung der AfD-Fraktion) und Klaus Ferdinand Gärditz (Bonn; im Auftrag der CDU-Fraktion) legten Gutachten vor. Der AstA der FU erzwang auf dem Rechtsweg die Publikation des Prüfberichts.

Battis kam zu dem Ergebnis, dass die Rüge als milderes Mittel rechtmäßig ist und sogar verfassungsrechtlich geboten sein kann. Die im Gesetz genannte Sanktion sei im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen um die Variante der Rüge, das heißt der bloßen Feststellung der Täuschung ohne die Folge des Titelentzugs, zu ergänzen. Der wichtigste Satz des Gutachtens: „Hätte der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass bei Erfüllung des Tatbestandes stets der Entzug des Doktortitels die Folge ist, so hätte er die Vorschrift nicht als Ermessensentscheidung ausgestaltet.“ Die FU übte demnach ihr gesetzliches Ermessen aus und verletzte auch kein Recht Giffeys, indem sie deren Fehlverhalten ohne Folge des Titelentzugs förmlich feststellte. Giffey hat die Rüge akzeptiert.

Battis sollte nur die Rechtsfrage prüfen

Nach dem von der FU beauftragten Gutachter ist das Ergebnis des Prüfverfahrens also rechtlich nicht zu beanstanden. Damit gibt das Gutachten keine Handhabe, das Ergebnis zu kassieren und mit der Prüfung von vorn zu beginnen. Denn der Auftrag des Gutachters war auf die Rechtsfrage beschränkt. Ob es in der Sache angemessen war, das festgestellte Fehlverhalten nur mit der Rüge zu bestrafen, war nicht Gegenstand des Gutachtens.

Gleichwohl teilte die FU am 6. November mit, dass das Präsidium beabsichtige, seine Entscheidung vom 30. Oktober 2019 aufzuheben und neu zu entscheiden. Die Begründung: „Nach Kenntnisnahme und Würdigung der vorliegenden Gutachten ergibt sich für das Präsidium, dass eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig sei, ein solcher im Schlussbericht des Prüfungsgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden und daher eine erneute Prüfung durchzuführen sei.“ Seltsam ist schon das Wort „allenfalls“, wenn hier das Ergebnis des Gutachtens von Battis zusammengefasst werden soll. Nach Battis ist die Rüge im minderschweren Fall stets zulässig und geboten – das probate Mittel für solche Fälle. So soll das Dilemma des „Alles-oder-nichts-Mechanismus“ vermieden werden, von dem der Wissenschaftliche Dienst spricht: entweder Titelverlust oder gar keine Sanktion.

Das Präsidium hat in seine Entscheidung, eine neue Entscheidung herbeizuführen, auch die beiden anderen, nicht von der FU bestellten Gutachten einbezogen. Nach Wissenschaftlichem Dienst und Gärditz lässt das Gesetz die Rüge nicht zu. Wenn das Präsidium seine Formulierung, dass „eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig sei“, als Kompromiss im Sinne einer Zusammenschau der drei Gutachten meinen sollte (manche meinen, es gehe gar nicht, also geht es allenfalls in minderschweren Fällen), so wäre das unsinnig. Die FU muss sich in der Rechtsfrage entscheiden, es gibt da keinen Kompromiss: Entweder die Rüge ist möglich oder unmöglich. Sie kann nicht allen drei Gutachten gleichzeitig folgen.

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