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#So baut Erdogan ein Rüstungsimperium auf

So baut Erdogan ein Rüstungsimperium auf

Mit dem massiven Ausbau ihrer Rüstungsindustrie unterstreicht die Türkei ihren Anspruch, eine regionale Ordnungsmacht zu sein. Als die AKP 2002 zum ersten Mal eine Wahl gewonnen hatte, war noch kein Hersteller aus der Türkei in der Liste der hundert größten Rüstungsunternehmen vertreten. Im Jahr 2006 wurde mit Aselsan das erste türkische Unternehmen in die Liste des amerikanischen Fachmagazins „Defense News“ aufgenommen, 2012 mit Tusas das zweite. Seit 2017 kam jedes Jahr ein weiteres hinzu. Inzwischen führt die Liste sieben türkische Unternehmen. Nur die Vereinigten Staaten, Großbritannien und China sind mit mehr Rüstungsfirmen vertreten.

Rainer Hermann

Mit den Waffen aus ihrer Produktion macht die Türkei ihre Machtansprüche jenseits ihrer Grenzen geltend. So kreuzen im östlichen Mittelmeer moderne Korvetten, eine erste Fregatte der neuen Istif-Klasse lief vor wenigen Wochen erst vom Stapel. Türkische Kampfdrohnen haben die jüngsten Kriege im Kaukasus und in Libyen entschieden. Mit einem breiten Raketenarsenal bekämpft die türkische Armee die PKK im Nordirak und im Südosten der Türkei. Und für die dauerhafte Präsenz in weiten Teilen Syriens benötigt die Armee eine solide Ausrüstung.

Boom der Rüstungsindustrie unter Erdogan

Die Interessen der politischen Führung um Präsident Erdogan und der Streitkräfte decken sich weitgehend. Keine andere Regierung war derart auf die Wünsche des Militärs eingegangen wie die AKP. Erdogan sagt, das Volumen türkischer Rüstungsprojekte habe sich in der AKP-Ära von 5,5 Milliarden auf 60 Milliarden Dollar mehr als verzehnfacht. In der Zeit stiegen die türkischen Rüstungsprojekte von 62 auf über 700, die Zahl der Unternehmen in der Branche nahm von 56 auf 5000 zu, und der lokale Wertschöpfungsanteil wuchs von 20 Prozent auf über 70 Prozent.

In den Jahrzehnten, in denen die Türkei dem Gründer der Republik, Mustafa Kemal Atatürk, verpflichtet war, folgte das Land dessen Losung „Frieden zu Hause, Frieden in der Welt“. Die Türkei beteiligte sich zwar an internationalen Friedensmissionen, intervenierte aber, bis auf die Invasion 1974 in Zypern, nicht in anderen Ländern. Das änderte sich unter Erdogans AKP. Das imperiale Gedächtnis der Türkei erwachte, und es boten sich, anders als zuvor, Gelegenheiten, Machtansprüche durchzusetzen.

Türkische Truppen im Oktober 2019 an der türkisch-syrischen Grenze


Türkische Truppen im Oktober 2019 an der türkisch-syrischen Grenze
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Bild: dpa

Je mehr sich die türkische Armee an Konflikten beteiligt, desto mehr Waffen braucht sie. Die kann sie dann auch gleich testen, so dass sie rasch weiterentwickelt werden können. Unverzichtbar sind die Tests bei den täglichen Angriffen gegen die PKK. Je besser die Waffen werden, desto mehr exportiert die Türkei von ihnen. Inzwischen ist die Rüstungsindustrie eine wichtige Exportbranche. Große Abnehmer sind neben den Vereinigten Staaten Aserbaidschan, Indonesien und Pakistan. Türkische Rüstungsgüter werden auch nach Qatar und in die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft.

Die größten Rüstungsfirmen gehören den Streitkräften

Die größten Rüstungshersteller sind Staatsunternehmen. So gehören Aselsan, Tusas, Roketsan und Havelsan der 1987 gegründeten Stiftung der Türkischen Streitkräfte (TSKGV). In den achtziger Jahren hatte die türkische Rüstungsindustrie einen großen Sprung nach vorne gemacht. Zuvor zeigte die Türkei weder politisches Interesse noch die wirtschaftliche Kraft für eine eigene Rüstungsindustrie. Das änderte sich mit dem Waffenembargo von 1974, als Washington die Türkei wegen der Invasion auf Zypern sanktionierte. An Universitäten wurden nun Fakultäten für Ingenieurwissenschaften eingerichtet, die das Personal für die künftige Rüstungsindustrie ausbildeten.

1983 holte Ministerpräsident Turgut Özal nach dem Ende der dreijährigen Militärjunta die Montage der amerikanischen F16-Kampfflugzeuge in die Türkei, 1985 wurde das Staatsministerium für Rüstungsindustrie gegründet und 1987 die staatliche Rüstungsholding TSKGV. An die Spitze ihrer Unternehmen wurden pensionierte Generäle berufen, junge Ingenieure wurden angeworben. Die Armee zog dennoch importierte Rüstungsgüter den eigenen vor – wegen der Qualität und auch der damit verbundenen Provisionen.

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Das änderte sich während der Herrschaft der AKP. Sie holte türkische Fachkräfte, die im Ausland bei der Entwicklung von Rüstungsgütern Erfahrung gesammelt hatten, mit der Aussicht auf sehr gute Arbeitsbedingungen zurück. Die Unternehmen hatten nun mehr Geld zur Verfügung, ihr Ansehen stieg. „Im Ergebnis war das Militär nicht länger von ausländischen Produkten abhängig“, sagt Özgür Eksi, Chefredakteur von „TurDef“, einer unabhängigen Online-Zeitschrift für die Rüstungsindustrie.

Vorsprung bei Drohnen und Raketen 

Neben den großen staatlichen Unternehmen haben sich einige private etabliert. So liefern Otokar (Koc Holding) und FNNS (Nurol Holding) gepanzerte Fahrzeuge an das Heer. Neben der staatlichen Tusas produzieren die privaten Unternehmen Baykar, das einem Schwiegersohn von Präsident Erdogan gehört, und Vestel Kampfdrohnen. Die Kampfdrohnen TB2 von Baykar und Karayel von Vestel sowie die von Tusas sind international wettbewerbsfähig. Das Unternehmen Roketsan hat zudem ein breites Angebot an Raketen entwickelt, von Panzerabwehrlenkraketen bis zu lasergelenkten Fliegerbomben für Drohnen. Die zum Verteidigungsministerium gehörende Werft Milgem hat Korvetten und eine Fregatte gebaut, drei weitere Fregatten folgen.

Die Türkei liegt jedoch bei Cyber-Sicherheit und kritischer Elektronik zurück, ebenso bei der Entwicklung von Munition und leistungsfähigen Antriebssystemen. Zwar hat die Türkei jüngst einen Motor für Hubschrauber entwickelt. Das Fehlen eigener Antriebssysteme bremst aber die Entwicklung des türkischen Panzers Altay und eines eigenen Kampfflugzeugs. Erdogan will das ändern. Er hat versprochen, dass er 2023, am hundertsten Jahrestag der Gründung der Republik, das erste türkische Kampfflugzeug vorstellen wird.

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