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#Software der Gesundheitsämter: Corona-Chaos kehrt zurück

„Software der Gesundheitsämter: Corona-Chaos kehrt zurück“

Deutschland droht der dritte Co­rona-Herbst ohne eine einheitliche und effektive Digitalisierungsstrategie für die deutschen Gesundheitsämter. Bund und Länder streiten darüber, welche Software die Behörden nutzen sollen, um Corona-Infektionen an das Robert-Koch-Institut zu melden – und wer dafür zahlen muss. Sobald die Inzidenzen abermals deutlich steigen, dürfte damit wieder das altbekannte Chaos bei der Meldung von Corona-Fällen und der Nachverfolgung der Kontakte von infizierten Personen zurückkehren.

Dazu muss man wissen: Die Bundesländer haben Mitte Mai in einem bislang wenig beachteten Beschluss das Bundesgesundheitsministerium „eindringlich“ ge­­beten, bis spätestens 31. August eine bundeseinheitliche Kernanwendung zum Meldeverfahren für den Infektionsschutz zur Verfügung zu stellen. Es solle „umgehend“ ein entsprechendes Projekt aufsetzen und einen „ersten Piloten“ im Juni vorstellen – ganz so, als würden Lösungen wie Surfnet oder das einst so gepriesene Sormas nicht schon bereitstehen.

Insbesondere in die digitale Plattform Sormas hatte die Politik einst große Hoffnungen gesetzt. Sie war schon vor Jahren vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) im Kampf gegen die Ebola-Epidemie entwickelt worden und wurde bis zum Beginn der Corona-Pandemie vor allem in Afrika eingesetzt. Im November 2020 hatten Bund und Länder einen flächendeckenden Rollout beschlossen, um die Beschäftigten in Gesundheitsämtern von unnötigem Aufwand zu ent­lasten. Die vielen unterschiedlichen Systeme, die teilweise nur auf Excel-Tabellen be­ruhten, führten zu Mehrarbeit, weil sie un­tereinander häufig nicht kompatibel sind. Geplant war deshalb, mit Sormas bundesweit ein einheitliches System einzuführen.

Sormas wollen die Ämter nicht

Von den rund 400 Gesundheitsämtern in Deutschland hatten sich viele jedoch geweigert, die mühsam angeschafften Systeme durch Sormas zu ersetzen und dies stets mit einer Überlastung des Personals begründet. Allerdings wurden auch die Zeiten niedriger Inzidenzen nicht dazu genutzt, die Gesundheitsämter auf eine einheitliche Anwendung einzuschwören. Neben den fehlenden Kapazitäten waren auch die Vorbehalte gegen Sormas in vielen Ämtern groß: Die Im­plementierung erwies sich als umständlich und zeitraubend.

Nun soll also eine neue Anwendung her – und schon die von den Ländern gesetzten Fristen sorgen für Entsetzen: Bis Juni ei­nen ersten Piloten und bis Ende September eine völlig neue Kernanwendung zur Verfügung zu stellen halten Beteiligte für utopisch. Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums ist das jedoch kein Grund für Ärger: Das Haus von Minister Karl Lauterbach (SPD) verweist als Antwort auf die „eindringliche Bitte“ auf die Verantwortung der Bundesländer für die Ausstattung der Gesundheitsämter. Die Entscheidung über den Einsatz digitaler Hilfsmittel ob­liege ihnen.

„Die Bundesregierung kann in diesem Zusammenhang nur unterstützend agieren und möglichst niedrigschwellige Angebote zur Verfügung stellen“, heißt es. Und diese stünden schon bereit: „Survnet wird vom Robert Koch-Institut kontinuierlich weiterentwickelt und steht auch in den kommenden Jahren kostenlos für Gesundheitsämter zur Verfügung“, heißt es auf Anfrage der F.A.Z. Außerdem werde es fortwährend aktualisiert.

Auf einen durchschlagenden Erfolg von Sormas scheint das Bundesgesundheitsministerium dagegen nicht mehr zu hoffen: Es wurde bisher in einem Forschungsprojekt gefördert und stand den Gesundheitsämtern ebenfalls kostenlos zur Verfügung. Diese Förderung laufe jetzt planmäßig aus, heißt es aus dem Mi­nisterium. Die Anwendung stehe den Ge­sundheitsämtern jedoch weiterhin zur Verfügung. Die finanzielle Unterstützung gibt es jedoch künftig nur noch über den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Auch Survnet kann nicht für Begeisterungsstürme sorgen. Es gilt als veraltet und kaum kompatibel mit an­deren Systemen.

Im Streit um die Digitalisierung schlagen nun auch Gesundheitspolitiker Alarm: Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, verwies auf die zahlreichen „unüberhörbaren“ Be­schwerden über Sormas, die ernstgenommen und beseitigt werden müssten. Kontaktverfolgung, Vernetzung, Detektion, Mitigation und Eindämmung müssen di­gital einfach und schnell erfolgen Deshalb müsse rasch Abhilfe entweder durch ein umfassendes Upgrade oder ein ganz neues System geschaffen werden. „Es sind bereits viele Millionen Euros ausgegeben worden, offensichtlich für ein nicht gut funktionierendes System“, sagte Ullmann der F.A.Z.

Der Epidemiologe Gérard Krause, der für das HZI die Plattform seit Jahren entwickelt, verweist dagegen auf die große Nachfrage aus dem Ausland: „Fast jede Woche kommt ein neues Land dazu, das Sormas einführen will.“ Auch unabhängig von der Entscheidung der deutschen Gesundheitsministerien werde die Plattform weiterentwickelt, weil es in einer zu­nehmenden Zahl von Ländern für sehr unterschiedliche Krankheiten eingesetzt werde. Eine gemeinnützige Stiftung werde die nachhaltige Verfügbarkeit von Sormas als offen zugängliche Software ohne Lizenzgebühr sicherstellen, versprach Krause und fügte hinzu: Sormas sei von Bundes- und Landesdatenschützern so gründlich geprüft worden wie kein an­ders digitales System im öffentlichen Ge­sundheitsdienst. „Es wird lange dauern, bis ein anderes System ein ebenso umfassendes Datenschutzkonzept erstellt und ebenso gründlich hat prüfen lassen.“

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