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#Sozialreform: Neues Bürgergeld: Lohnt sich da das Arbeiten noch?

„Sozialreform: Neues Bürgergeld: Lohnt sich da das Arbeiten noch?“



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Wirtschaftsforscher bestätigen, dass das Bürgergeld für Familien zu fast ähnlichen hohen Einkommen wie Vollzeit-Arbeit führen kann. Wie löst man das Problem?

Ab kommendem Jahr soll das für viele Menschen so hässlich und bedrohlich klingende „Hartz IV“ zumindest als Name Geschichte sein. Der Nachfolger „Bürgergeld“ kommt zwar umso freundlicher daher, dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass in der staatlichen Leistung auch künftig jede Menge sozialer Sprengstoff steckt. Seit Wochen herrscht zwischen Regierung und Opposition ein unerbittlicher Streit, ob die Reform dazu führen könnte, dass arbeitslose Menschen weniger Anreize erhalten, sich einen Job zu suchen.

Die Koalition will Bürgergeld-Bezieher für Weiterbildung belohnen. Eine sogenannte Karenzzeit, in der Vermögen bis 60.000 Euro für zwei Jahre nicht angetastet wird, soll den Schrecken vor sozialem Abstieg abmildern und Eigenvorsorge belohnen. In einer halbjährigen „Vertrauenszeit“ sollen nur noch eingeschränkt Sanktionen drohen, um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu fördern und die Bürokratie einzudämmen. Kritiker sehen durch den geminderten Druck weniger Anreize, sich möglichst schnell um Arbeit zu bemühen oder auch schlechter bezahlte Jobs anzunehmen.

Institut für Weltwirtschaft legt Lohnabstand beim Bürgergeld offen

Unionspolitiker wie CSU-Chef Markus Söder werfen der Koalition vor, das Bürgergeld sei eine Umkehr des Grundsatzes, dass, wer arbeite, mehr haben müsse, als wer nicht arbeite. SPD und DGB werfen der Union „Fake News“ und Lügen vor. Wie so oft in hitzigen Debatten ist die Wahrheit selten schwarz-weiß. Wissenschaftler des renommierten Kieler Instituts für Weltwirtschaft haben an Beispielen der Mietsituation in Hamburg nachgerechnet, wie hoch der Lohnabstand zwischen Mindestlohn- und Bürgergeld-Empfängern ist.

Ein Single ohne Kind erhält deutlich mehr Geld, wenn er Vollzeit für Mindestlohn arbeitet. Bei Familien mit Kindern und einem Alleinverdiener sieht es auf dem Papier anders aus: Weil beim Bürgergeld der Staat Miete und Heizkosten übernimmt, hat die Mindestlohn-Musterfamilie trotz Wohngeld und Kindergeld mehrere hundert Euro weniger in der Tasche – falls sie nicht auch zum Jobcenter geht und als „Aufstocker“ ebenfalls Bürgergeld beantragt oder alternativ den sogenannten Kinderzuschlag.

Nur wenige Geringverdiener beantragen Kinderzuschlag

Der mit Hartz-IV eingeführte Kinderzuschlag sollte die Lücke zwischen Arbeit und Sozialhilfe schließen. Doch es wird geschätzt, dass nur ein Drittel der berechtigten Haushalte die Leistung tatsächlich beantragt – zumal dies alle sechs Monate von Neuem erforderlich ist.

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Der Kieler Professor und Wirtschaftsforscher Ulrich Schmidt hat zusammen mit einem Kollegen am Institut für Weltwirtschaft den Lohnabstand zwischen Bürgergeld und Mindestlohn untersucht. „Man muss bei unseren Berechnungen berücksichtigen, dass wir als Grundlage das Vollzeiteinkommen eines Mindestlohn-Empfängers ohne zusätzliches Aufstocken durch Bürgergeld genommen haben“, betont er. Wenn Lohn niedriger ist als die Sozialhilfe, könnten ihn Betroffene aufstocken. „In der Realität haben Mindestlohnhaushalte damit nicht weniger Geld als reine Bürgergeldempfänger, die nicht arbeiten. Aber man kann es natürlich als unwürdig kritisieren, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, dann noch im Jobcenter Sozialhilfe als Aufstocker beantragen muss.“

Kieler IfW-Forscher: Höhe des Bürgergelds ist nicht das Probelm

Und in Summe habe ein Vollzeitbeschäftigter mit Mindestlohn auch als Aufstocker nicht viel mehr in der Tasche als nur mit Bürgergeld und einem Minijob. „Das heißt, dass jemand, der arbeitet, mehr Geld bekommt als jemand, der nicht arbeitet, hängt im Zweifelsfall vom Aufstocken ab“, erklärt der Professor. „Uns geht es nicht um die Frage, ob das Bürgergeld zu hoch ist. Die Höhe des Bürgergelds ist eigentlich angemessen, das Problem ist aber, dass unser Sozial- und Steuersystem Menschen mit niedrigen Einkommen offensichtlich ungerecht behandelt“, stellt der Forscher klar. „Trotz Vollzeitjob mit Mindestlohn kann ein Alleinverdiener kaum eine Familie ernähren, weil der Haushalt zum Beispiel sehr wenig vom Ehegattensplitting profitiert.“

Hier herrscht laut Schmidt dringender Reformbedarf. „Für Niedrigverdiener-Haushalte wäre eine höhere Kinderförderung und eine bessere steuerliche Berücksichtigung nicht arbeitender Ehepartner wichtig. Im Gegenzug könnte zur Finanzierung das Kindergeld mit steigendem Einkommen sinken.“

Ifo-Insitut: Inflation erhöht den Anreiz trotz Bürgergeld zu arbeiten

Statt zahlloser komplizierter Sozialleistungen schlägt Schmidt eine Negativsteuer für Geringverdiener-Familien vor. Geld vom Finanzamt könnte Jobs im unteren Lohnbereich attraktiver machen. „Das Hauptproblem ist weniger eine soziale als eine ökonomische Frage: Der Fachkräftemangel stellt eine ernsthafte Bedrohung für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland dar“, betont Schmidt. „Wir können es uns nicht leisten, dass Bürgergeldempfänger wenig Anreiz haben, Arbeit aufzunehmen, selbst wenn dafür nur Mindestlohn bezahlt wird. Unsere jetzigen Regelungen gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland in gefährlicher Weise.“

Das Münchner Ifo-Institut verweist darauf, dass der finanzielle Unterschied zwischen Mindestlohn und Bürgergeld im Einzelfall kompliziert ist „Unseren Berechnungen nach gibt es Haushaltskonstellationen, bei denen mit dem neuen Bürgergeld der Abstand zwischen dem Einkommen von Geringverdienenden und Leistungsbeziehenden wächst, aber auch solche, wo der Abstand sinkt“, sagt Ifo-Expertin Tamara Ritter. „Trotzdem gehen wir davon aus, dass es sich in Zukunft aufgrund der massiven Preissteigerungen eher mehr lohnen wird zu arbeiten“, ist die Expertin zuversichtlich. „Außerdem rechnen wir durch die starke Anhebung des Mindestlohns auch mit Lohnwachstum bei anderen Geringverdienern, was die Arbeit noch lohnenswerter machen würde.“

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