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#Wir hielten es für Propaganda

Wir hielten es für Propaganda

Wie ich mein geliebtes Land verließ, mit einem kleinen Koffer – nicht groß genug, um darin all meine Träume, Erinnerungen, meine Liebe unterzubringen und das, wofür ich hier gearbeitet habe. Worte können nicht beschreiben, wie ich mich fühle – tief in Trauer und mit gebrochenem Herzen“, schrieb die Fotokünstlerin Fatimah Hossaini auf Twitter, bevor sie letzten Mittwoch mit einem Evakuierungsflug Kabul verlassen konnte. Mithilfe der französischen Botschaft war es der in Teheran geborenen Afghanin gelungen, noch auszureisen – Ziel: Paris. Seit 2018 lebte Hossaini in Kabul, im Zentrum ihrer Kunst stehen afghanische Frauen und wie vielfältig deren Leben ist. Bevor sie nach Kabul zog, hatte Hossaini in Teheran ihr Studium als Wirtschaftsingenieurin und in Fotografie abgeschlossen und international als Künstlerin gearbeitet. Als Aktivistin setzt sie sich mit der von ihr gegründeten Mastooraat Art Organization für die Rechte von Frauen ein und für die Freiheit der Kunst. Fatimah Hossainis Fotografien der letzten Tage erzählen davon, wie ihre Normalität zerbricht – wie sie sich mit anderen Frauen vor den Taliban versteckt, wie sie Dokumente und Posts löscht, die Aufmerksamkeit auf sie lenken könnten, und wie sich die Stadt, in der sie gelebt hat, von Stunde zu Stunde verändert. Die Bilder sind das Tagebuch ihrer Flucht – und der Verzweiflung, in die das Land stürzt. (@HossainiFatimah https://fatimahosaini.com/)

Wie geht es Ihnen?

Ich bin erleichtert, in Sicherheit zu sein, und zugleich voller Sorge um die Menschen in Afghanistan. Insbesondere um die Frauen. Es war schockierend zu erleben, dass schon wenige Stunden nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Frauen auf der Straße bedroht und geschlagen wurden. Nicht nur sie – auch Männer, die versucht haben, durch die Straßenblockaden zum Flughafen zu gelangen. Die Taliban haben sie angebrüllt: Ihr seid Verräter, ihr wollt nach Amerika, dabei seid ihr Muslime. Die Gewaltbereitschaft sitzt ebenso tief wie der Hass. Und die Zivilgesellschaft hat Angst, furchtbare Angst. Es brauchte einige Anläufe, bis es mir gelang, zum Flughafen zu kommen. Der erste Taxifahrer, den ich kurz nach der Machtübernahme gerufen hatte, sagte mir: Eine alleinstehende Frau? Ich kann Sie nicht mitnehmen. Da hatten die Taliban schon die Straße zum Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht.

Wie ist es Ihnen gelungen, Kabul zu verlassen?

Dank einiger Freunde und mithilfe der französischen Botschaft wurde ich letzten Mittwoch mit anderen Künstlerinnen und Fotojournalisten evakuiert. Vorher war ich einige Tage bei der Familie einer Freundin untergetaucht. Innerhalb weniger Stunden war es zum Risiko geworden, als Frau allein zu leben. Ich habe zudem alle Dokumente gelöscht, die darauf hinweisen, dass ich als Künstlerin arbeite und mich mit meiner Organisation Mastooraat Art für Kunst, Frauenrechte und Frieden einsetze. Einen Tag vor dem Evakuierungsflug kontrollierten Taliban das Haus meiner Freundin und fragten, ob Angehörige der Familie für die Regierung tätig gewesen seien – oder als Journalisten, als Künstler oder Aktivisten. Der Vater meiner Freundin sprach mit ihnen und verneinte. Das hat auch ihn in Gefahr gebracht.

Aus der Fotoserie „Burqa behind the steering wheel“ von Fatima Hossaini.


Aus der Fotoserie „Burqa behind the steering wheel“ von Fatima Hossaini.
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Bild: Fatima Hossaini

Warum haben Sie nicht versucht, Kabul schon früher zu verlassen?

Das ist von außen wahrscheinlich nicht leicht nachzuvollziehen. Während meiner Jahre in Afghanistan habe ich viel Taliban-Propaganda erlebt. Mir und auch den Menschen in meinem Umfeld war bewusst, dass sich die Situation für uns zuspitzt und wir Kabul verlassen müssen. Aber niemand hat geglaubt, dass sich die Machtübernahme innerhalb so kurzer Zeit vollziehen würde. Wir hielten es für Propaganda. Als ich versuchte, einen zivilen Flug nach Istanbul zu buchen, war es dann schon zu spät. Ich hatte gehofft, noch mehr tun zu können – für Menschen in meinem Netzwerk in Kabul, für andere Künstlerinnen und Journalisten. Deshalb hatte ich meine Abreise hinausgezögert.

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