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#Starthilfe für die Bausteine des Lebens

Die ersten Bausteine des Lebens entstanden aus präbiotischen Vorläufermolekülen. Unklar war allerdings bisher, wie diese sich so stark anreichern konnten, dass die dafür erforderlichen chemischen Reaktionen ablaufen konnten. Eine Studie zeigt nun einen möglichen Weg auf. Demnach werden die benötigten Moleküle aufgereinigt und konzentriert, wenn sie feine Risse in heißem Gestein durchströmen. Das haben Forschende experimentell nachgestellt und auf diese Weise tatsächlich mehr als 50 präbiotisch relevante Bausteine aus komplexen Gemischen isoliert. Auf der frühen Erde könnten solche Prozesse an Vulkanen abgelaufen sein.

Vor rund vier Milliarden Jahren entstanden aus anorganischen Molekülen die ersten Bausteine des Lebens. Unter Laborbedingungen können Forschende diese Schritte nachahmen. So ist es bereits gelungen, sowohl Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, als auch Nukleotide, die Bausteine von DNA und RNA, zu erschaffen. Allerdings entstehen dabei zahlreiche Nebenprodukte, sodass die Konzentration der biologisch relevanten Moleküle viel zu gering ist, als dass sich daraus Leben entwickeln könnte. Im Labor waren deshalb jeweils aufwendige Reinigungsprozesse erforderlich, die allerdings nur jeweils einzelne Arten von Molekülen isolieren konnten. Auf der frühen Erde wären solche Prozesse nicht möglich gewesen.

Aufreinigung nach natürlichem Vorbild

Ein Team um Thomas Matreux von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat nun eine Möglichkeit gefunden, zahlreiche verschiedene Biomoleküle zugleich aufzureinigen – und zwar auf eine Weise, die potenziell auch auf der frühen Erde möglich war. „Wärmeströme durch feine Risse in Gesteinen könnten einen weithin verfügbaren und dennoch selektiven Mechanismus darstellen, mit dem sich mehr als 50 präbiotisch relevante Bausteine aus komplexen Mischungen isolieren lassen“, berichten die Forschenden.

Inspiriert von den Wärmeströmen, die im Gestein von geothermischen Systemen und Vulkanen auftreten, bauten Matreux und sein Team im Labor Reaktionskammern aus Kunststoff, durchzogen von einem Netz aus feinen Rissen mit einer Breite von nur 170 Mikrometern. Darin erzeugten die Forschenden ein Temperaturgefälle von 40 zu 25 Grad Celsius, wie es auch in der Natur vorkommen könnten. Anschließend ließen sie ein Gemisch von zahlreichen präbiotischen Chemikalien durch die Risse strömen.

Geologische Reaktionskammern

Das Ergebnis: „Unsere Experimente zeigen, dass selbst schwache Wärmeströme in der Lage sind, Aminosäuren, Nukleobasen und Nukleotide zu trennen und lokal anzureichern“, schreibt das Team. „Der Effekt funktioniert in einem breiten pH-Bereich und für verschiedene Lösungsmittel. Selbst Substanzen gleicher Masse lassen sich auf diese Weise trennen.“ Angetrieben wird die Trennung dadurch, dass die verschiedenen Bausteine unterschiedlich phosphoryliert sind und sich dadurch angesichts des Temperaturgradienten unterschiedlich schnell durch die schmalen Risse bewegen. Diesen Effekt bezeichnet man als Thermophorese.

„Geologische Systeme miteinander verbundener Risse sind in ihrer Größe sehr variabel und können von Millimetern bis zu Hunderten von Metern reichen“, erklären die Forschenden. Das bietet die Möglichkeit, dass sich je nach geologischen Gegebenheiten unterschiedliche Reaktionskammern bilden, in denen die richtigen Mischungen von aufgereinigten Verbindungen miteinander reagieren können. Matreux und seine Kollegen demonstrierten das anhand der Verbindung von zwei Molekülen der Aminosäure Glycin – ein Ausgangspunkt für die Entstehung von Proteinen. Während diese chemische Reaktion ohne den wärmegetriebenen Anreicherungsprozess nur in sehr geringem Umfang abläuft, gelang es den Forschenden, die Ausbeute mit ihrer geologisch inspirierten Reaktionskammer um fünf Größenordnungen zu erhöhen.

Urzeit-Labor zur Entstehung des Lebens

Auf der frühen Erde waren wahrscheinlich zahlreiche Netzwerke aus miteinander verbundenen Rissen vorhanden, und geothermische Reaktionen lieferten ein ausreichendes Temperaturgefälle. „Letztendlich könnte eine große Anzahl von aufeinanderfolgenden Reaktionsbedingungen, die für zahlreiche präbiotische Reaktionswege erforderlich sind, ohne Eingriffe von außen realisiert worden sein“, schreiben die Forschenden. „Somit könnte die thermophoretische Anreicherung von organischen Stoffen eine stetige Triebkraft für ein natürliches Labor zur Entstehung von Leben dargestellt haben.“

Quelle: Thomas Matreux (Ludwig-Maximilians-Universität München) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07193-7

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