Wissenschaft

#3D-Fossilien skurriler Ur-Bäume entdeckt

Sie sahen aus wie grüne Flaschenbürsten: Vor rund 350 Millionen Jahren wuchsen in den Wäldern der Welt offenbar baumartige Pflanzen, wie wir sie heute nicht mehr kennen. Dies zeigen erstaunlich dreidimensional erhaltene Fossilien aus Kanada, die offenbar durch eine schlagartige Verschüttung bei einem Erdbeben konserviert wurden. Die seltsamen Baumstrukturen zeigen, wie die Natur im frühen Karbon-Zeitalter mit verschiedenen Pflanzen-Modellen „experimentierte“, sagen die Wissenschaftler.

Die Lebensformen wurden stetig komplexer – aber auch große Durchbrüche prägten die frühe Entwicklungsgeschichte des Lebens auf unserem Planeten. Zu diesen bahnbrechenden Innovationen gehörte auch die sogenannte Arboreszenz – die Entwicklung von Pflanzen zu baumartigen Gewächsen: Fossilienfunden zufolge bildeten im Erdzeitalter des Devon erstmals Pflanzen Stämme und Kronen aus, um sich mehrere Meter hoch vom Boden zu erheben. Dieses Konzept erwies sich als enorm erfolgreich: Vor allem im folgenden Karbon-Zeitalter bildeten die Bäume gewaltige Wälder, aus denen die ältesten Kohlevorkommen der Erde entstanden sind.

Einblick in geheimnisvolle Wälder

Fossilienfunde haben bereits einige Hinweise auf die Merkmale der Bäume des frühen Karbon-Zeitalters geliefert. Dabei handelt es sich allerdings meist um Fragmente von fossilen Wurzeln, Baumstümpfen oder Stämmen. Aus ihnen geht hervor, dass einige Arten vor rund 350 Millionen Jahren schon über 20 Meter Höhe erreichten. Aber meist sind keine Spuren von Blättern und anderen Kronenstrukturen erhalten geblieben, die einen Eindruck der Gesamtform dieser Gewächse vermitteln. Doch nun berichtet das Forschungsteam um Robert Gastaldo vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington von erstaunlichen Funden, die einen detaillierten Eindruck eines Baumes aus dem frühen Karbon-Zeitalter vermitteln.

Die Fossilien wurden in einem Steinbruch in der ostkanadischen Atlantikprovinz New Brunswick entdeckt und auf ein Alter von etwa 350 Millionen Jahren datiert. Bei der Bergung zeichnete sich ein erstaunlicher Zustand ab: Die pflanzlichen Überreste sind wenig fragmentiert und nicht wie sonst üblich nur in zerquetschter, eindimensionaler Form erhalten. Stattdessen sind die Kronenstrukturen noch am Stamm befestigt und in dreidimensionaler Anordnung erhalten geblieben. Wie die Forschenden erklären, liegt nahe, dass diese Konservierung auf einen schlagartigen Prozess zurückzuführen ist: Wahrscheinlich wurden die Pflanzenstrukturen bei einem Erdbeben mit Sediment aufgefüllt, stabilisiert und anschließend versteinert. Anhand dieser in Blöcken geborgenen Relikte konnte das Forschungsteam nun der spannenden Frage nachgehen, welche Merkmale die baumartigen Gewächse besessen haben.

Ein Bäumchen wie eine Flaschenbürste

Wie sich zeigte, war die Sanfordia densifolia genannte Pflanze ausgesprochen skurril und lässt sich keiner heutigen Pflanzenform mehr zuordnen. Der Schätzung zufolge wurde das Bäumchen rund drei Meter hoch und besaß einen Stammdurchmesser von etwa 16 Zentimetern. Spiralförmig nach oben versetzt wuchsen aus dem Stamm langestreckte Blatt-Strukturen heraus, die seitliche Verzweigungen aufwiesen. Gastaldo vergleicht die Struktur von Sanfordia dabei mit der einer Flaschenbürste. „Es sind mehr als 250 solcher Blätter mit einer Länge von 1,75 Meter um den Stamm herum erhalten. Wir schätzen, dass jedes Blatt mindestens noch einen weiteren Meter gewachsen ist, bevor es endete“, sagt Gastaldo. Damit ergab sich das Bild einer dichten Krone von mindestens 5,50 Meter Breite.

„Die Art und Weise, wie dieser Baum um seinen spindelförmigen Stamm herum enorm lange Blätter hervorbrachte, und die schiere Anzahl auf einem kurzen Stammstück ist erstaunlich“, sagt Gastaldo. Wie er und seinen Kollegen erklären, waren die Merkmale von Sanfordia wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Pflanze versuchte, möglichst effektiv schwaches Licht einzufangen. Denn vor dem Hintergrund, dass deutlich höhere Bäume aus der Ära belegt sind, ist ein Wachstum unter dem höher gelegenen Walddach zu vermuten. Es handelt sich den Autoren zufolge damit um einen Hinweis darauf, dass die Pflanzengemeinschaft in den Wäldern des frühen Karbon-Zeitalters schon komplexer strukturiert war als bisher gedacht.

Aber obwohl Sanfordia offenbar gut an das Dämmerlicht in der Mittelschicht der urzeitlichen Wälder angepasst war, hatte dieses Modell der Evolution offenbar keinen nachhaltigen Erfolg: „Das Fossil, über das wir hier berichten, ist einzigartig und eine seltsame Wachstumsform in der Geschichte des Lebens. Es handelte sich um eine Entwicklung in einer Zeit, in der sich die Waldpflanzen entfalteten. Dabei ist Sanfordia ein Beispiel dafür, was die Evolution einst hervorgebracht hat, aber ein erfolgloses Experiment geblieben ist“, so Gastaldo.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2024.01.011

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