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Subtil ist hier nichts

Wenn man Filterblasen und Cancel Culture für gefährlich hält und Twitter und Facebook manchmal die asozialen Medien nennt, dann stehen die Chancen gut, dass man Dave Eggers’ neues Buch „Every“ als treffende Warnung vor der Tech-Welt lesen wird. In der Fortsetzung des 2013 erschienenen Bestsellers „Der Circle“, in einer nahen Zukunft nach der zweiten Pandemie, ist das Realität geworden, was manche schon jetzt als Realität empfinden: Shaming-Apps haben Gerichte ersetzt, Algorithmen manipulieren die User, allgegenwärtige Kameras disziplinieren Verhalten und Sprache, und aus Angst vor „woker“ Kritik traut sich niemand mehr, eine Idee zu äußern. Man sitzt zu Hause, streamt die Leben der anderen, wird von Lieferdiensten versorgt, und geht man doch raus, dann in eine Welt, die katalogisiert ist und bewertet, jede Unsicherheit minimiert.

Man kann „Every“ aber auch gegen die offensichtlichen Absichten des Autors lesen. Dann ist dieser Roman keine Parodie mehr auf die selbst beseelten Techies in Kalifornien, sondern, im Gegenteil, eine Parodie auf die Gruselfantasien eines älteren, kulturpessimistischen Autors, der den Verfall der Menschheit mit seinen eigenen Affekten verwechselt. Man darf misstrauisch werden, wenn ein Autor wie Eggers einen fiktiven Internetkonzern zum Schauplatz zweier Romane macht und in Interviews berichtet, er habe kein WLAN zu Hause.

Eine dunkle Herausforderin

Die Geschichte von „Every“ schließt ans Vorgängerbuch an. Nach dem Kauf eines E-Commerce-Riesen, „der nach einem südamerikanischen Dschungel benannt war“, hat sich der Facebook-ähnliche Circle in das noch totalitärere Digitalunternehmen Every umbenannt. Es wickelt 82 Prozent aller Onlineeinkäufe ab und führt für viele Länder die Wahlen durch – einen Zettel in eine Urne zu werfen ist völlig veraltet. Livestream-Kameras an fast jedem Ort haben die Kriminalität drastisch reduziert. Seit die Every-App TruVoice Chats und Face-to-Face-Interaktionen auf Tabuwörter durchsucht und korrigiert, hat sich der Ton vieler Gespräche verbessert. Im gläsernen CEO-Büro der Every-Zentrale sitzt jetzt Mae Holland, die Hauptfigur des „Circle“-Buchs. Damals war sie noch eine etwas naive Mittzwanzigerin, die alle Warnungen, ihr Traumarbeitgeber könne womöglich eine menschenverachtende Allmachtsmaschine sein, übersah und als „erste vollkommen transparente Mitarbeiterin“ ihr Leben per Bodycam streamte und so zur Vorzeigechefin aufstieg: das allen bekannte, total offene Every-Gesicht.

Dave Eggers, „Every“. Aus dem Englischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. Kiepenheuer & Witsch, 592 Seiten, 25 Euro.


Dave Eggers, „Every“. Aus dem Englischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. Kiepenheuer & Witsch, 592 Seiten, 25 Euro.
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Bild: Kiwi

Wie in „The Circle“ schickt Eggers auch in der Fortsetzung wieder eine Neue als Heldin auf den diskriminierungs- und nussfreien Campus von Every: Delaney Wells, 32. Aus ihrer Perspektive lernt der Leser das Unternehmen und seine sendungsbewussten, superreflektierten Angestellten kennen, die auf dem Campus unter Dauerbeobachtung arbeiten. Alles wird aufgezeichnet, jede bewertet jeden. Everys Firmenphilosophie „Teilen ist Heilen“ lässt sich als mindestens sanfter Zwang verstehen.

Delaney kommt als Saboteurin zu Every, sie hasst Mae (die „Everyones“ nennen sich beim Vornamen) und will die Manipulation und Massenüberwachung gehorsam-bequemer Mitmenschen beenden. Radikalisiert hat sich Delaney bei einer College-Dozentin, die ihre Studierenden vor der bereitwilligen Aufgabe ihrer Freiheit warnte. Nach dem College flieht Delaney vor Everys Tracking-Geräten in die Natur und wird Rangerin in einem Nationalpark, doch „auch diese letzte Bastion der Freiheit“ wird vernetzt. In den Park darf nur, wer ein Smartphone hat, zur Ortung im Notfall. In dem Moment wird Delaney für Mae und Every das, was der Name Delaney auf Irisch bedeutet, eine „dunkle Herausforderin“: „Sie blickte hinunter auf die vereinzelten Gebirgsseen am Fuß des Berges und entschied sich für den Krieg.“

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