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#Süßer kleiner Schweinehund

„Süßer kleiner Schweinehund“

Als ich mich vor einigen Jahren das erste Mal an einer Universität einschrieb, war ich hochmotiviert. Wild entschlossen, alles anders zu machen als in meiner Schulzeit. Ich wollte lernen um des Lernens willen, neue Sprachen sprechen, Sportkurse besuchen und in der Fachschaft meines Studienganges aktiv sein – kurz gesagt: ich wollte mich selbst optimieren und das weit über mein eigentliches Studium hinaus. Vergessen sein sollten die Tage, in denen ich bloß büffelte, um die nächste Prüfung zu bestehen und im Anschluss alles Gelernte gekonnt an meinem Hippocampus vorbei in den Vergessen-Ordner zu schieben.

Doch so entschlossen und plötzlich meine Motivation zu Beginn des Studiums gekommen war, so schnell verschwand sie auch wieder. Woche um Woche häuften sich die Vorstellungsrunden und Einladungen der Hochschulgruppen und je mehr es wurden, desto überforderter wurde ich. Sollte ich Spanisch oder Griechisch lernen? In die Unizeitung oder den Debattierclub gehen? Yogakurse besuchen oder mich doch meiner Harry Potter Leidenschaft hingeben und eine begnadete Quidditch-Spielerin werden, die auf ihrem Besen dem goldenen Schnatz hinterherjagt?

Die vielfältige Auswahl an Angeboten machte mich schier unfähig, mich für irgendetwas zu entscheiden. Doch ehrlicherweise muss ich eingestehen, dass es nicht allein an der Überforderung lag. Denn ich hatte in meinem Selbstoptimierungsauftrieb die Rechnung ohne mein kleines Haustier gemacht. Freundlich mutet es an, mit seinem weichen Fell und der süßen kleinen Stupsnase. Ein Ringelschwanz und vier fellige Pfoten lassen kaum erahnen, welche Macht es manchmal über mich haben kann. Wie es meine Aufmerksamkeit fordert und daran hindert, mich auch nur gedanklich mit irgendeiner anderen Sache beschäftigen zu können. Schon seit vielen Jahren ist es mein Begleiter. Es sitzt in der hintersten Ecke meines Geistes, nur um in den denkbar schlechtesten Momenten herauszuspringen, mit heraushängender Zunge und einem leisen Grunzen. „Los spiel mit mir“, hechelt es mir dann lächelnd entgegen. Und obwohl ich es besser wissen müsste, gebe ich mich dem hin. Immer und immer wieder. Ich spreche von meinem inneren Schweinehund.

Power-Yoga und Uni-Zeitung

Die ersten Wochen hatte mich mein kleiner Kumpel fest im Griff. Doch dann witterte ich meine Chance. Denn jeder, der ebenfalls ein solches Haustier mit sich rumträgt, weiß, dass es mal mehr mal weniger Aufmerksamkeit fordert. An genau so einem Tag mit eher geringer Schweinehundeaktivität, fand ich in der seiner Schwäche meine innere Stärke. Meine erste Yoga-Stunde an der Uni stand an. Schon bald schwitzte ich jede Woche zusammen mit zwanzig weiteren Studenten beim Power-Yoga – einmal in der Routine war der Schweinehund viel stiller als sonst.

Davon ermutigt blieb das nicht die einzige Uni-Aktivität, die ich zu besuchen anfing. Da ich Journalismus studierte lag es praktisch auf der Hand sich bei der Uni-Zeitung zu engagieren und dort schon mal auszuloten, was die Welt des Journalismus für mich bereithält.

Viele meiner Kommilitonen taten es mir gleich. Aus anfänglicher Überforderung wurde ein Weg des Ausprobierens und Lernens. Mein Mitbewohner, ein passionierter Wirtschaftswissenschaftler, meldete sich bei der universitären Unternehmensberatung an. Dort wurde er nicht nur darin bestätigt, dass Wirtschaftswissenschaften das richtige Studienfach für ihn ist, sondern auch, dass ihm Unternehmensberatung schon jetzt viel mehr Spaß macht als studieren. Die beiden ersten Semester arbeite er unentwegt für die Organisation, die Vorlesungen wurde Nebensache. Was aber viel wichtiger war: Er entwickelte sich persönlich weiter. Eine andere Freundin machte ihren Tauchschein – eine Option, die mir vorher nie in den Sinn gekommen war. Schließlich dachte ich bei Tauchgängen immer an weiße Karibik-Strände und riesige Korallenriffe. Für sie ging es dagegen einfach zum Grund des Baggersees um die Ecke.

Einmal überlistet, viel gewonnen

Der Schweinehund treibt sein listiges Spiel allerdings nicht nur in Sachen Sport, Freizeit und Uni-Engagement. Sondern auch, wenn es darum geht, etwas dafür zu tun, Kompetenzen für den künftigen Beruf weiterzuentwickeln. Eine wahnsinnig große Auswahl an potentiellen Praktikumsplätzen und Studentenjobs, zahlreiche freiwillige Vorlesungen und Seminare und jährlich stattfindende Jobmessen vermischen sich mit der Antriebslosigkeit des inneren Schweinehundes. Doch eine wichtige Lehre beim Überlisten des lästigen Haustierchens ist: Hat man ihn mal überwunden, merkt man nach einiger Zeit, wie sich das Eigenengagement verselbständigt und zum Alltag wird. Dann können sich weitere wichtige Türen öffnen – für einen selbst und die eigene berufliche Laufbahn.

Ich für meinen Teil würde die zahlreichen Theatervorstellungen, die ich durch die Uni kostenlos besuchen konnte, das Programmieren einer Website, das Texten bei der Uni-Zeitung und die zahlreichen neuen Bekanntschaften, sowohl in der Uni als auch im Studentenjob, nicht missen wollen. Schweinehund, mach Sitz!

Lina von Coburg (22 Jahre alt) studiert im Bachelorstudiengang Publizistik in Mainz. Neben ihrem Studium schreibt sie Gedichte, philosophiert über das Leben und macht sich Gedanken darüber, wie man als angehende Journalistin bestehen kann.

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