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#Wie viel Faulheit verträgt die Demokratie?

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Zuerst die gute Nachricht: Das Interesse der Deutschen an Politik ist ungebrochen. Es steigt sogar. Laut Statistischem Bundesamt sind heute rund 40 Prozent der Deutschen an Politik interessiert. Das ist viel mehr als früher, 1980 galt das in Westdeutschland für weniger als dreißig Prozent, so wenige waren es 1990 auch in Ostdeutschland. Wie schön, könnte man sagen, schließlich ist mit einem uninteressierten Publikum kein Staat zu machen, zumindest nicht in einer Demokratie. Die Sorge hatte immer gelautet, dass die Deutschen sich eines Tages gelangweilt abwenden würden von politischen Fragen. So wurde zum Beispiel in den Neunzigerjahren geredet. Damals ging es um Bürger, die Seifenopern auf RTL2 schauen oder im Wettbüro an der Theke sitzen, anstatt mitzureden, wie es mit der Massenarbeitslosigkeit und dem Sozialstaat weitergehen soll. Als größte Gefahr für den Parlamentarismus galten damals Talkshows, in denen Politisches allzu flach und unterhaltsam inszeniert wurde. Im Rückblick wirkt das wie ein kleines Pro­blem. Die Kulturpessimisten von damals wussten nicht, wie viel schlimmer es kommen kann.

Justus Bender

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Jetzt also die schlechte Nachricht: Die vorbildlich interessierten Deutschen sind immer weniger bereit, sich über Politik zu informieren. Das hat auf den ersten Blick wenig Sinn, weil jemand, der sich für Fußball interessiert, normalerweise jemand ist, der viele Fußballspiele schaut. Aus Interesse entstehen so Kenntnisse. In der Politik gilt das nicht mehr. Dort artikulieren Bürger engagiert ihre Meinung, ohne sich gleichzeitig für politische Nachrichten oder Analysen zu interessieren. Kulturpessimisten haben also einen neuen Albtraum: Schlimmer noch als jemand, der sich der Debatte verweigert, ist jemand, der an ihr teilnimmt, ohne zu wissen, wovon er spricht. Der Souverän wird nicht mehr für sein Desinteresse beschimpft, sondern für seine Wissensfaulheit.

Interesse an Nachrichten stark gesunken

Es gibt eine Untersuchung des Reuters Instituts unter Beteiligung der Universität Oxford, laut der das Interesse an politischen Nachrichten ungefähr seit Beginn der Pandemie von rund 70 auf rund 50 Prozent gesunken ist – besonders übrigens unter Frauen und jungen Menschen. Mit Nachrichten sind echte Sendungen und Artikel gemeint, nicht Informationsfetzen aus dem Netz. In den Vereinigten Staaten, Spanien, Frankreich oder Großbritannien gibt es diesen Trend schon länger. In Deutschland brach das Interesse erst vor drei Jahren deutlich ein. Immer mehr Menschen geben an, Nachrichten aktiv zu meiden, die Hälfte davon möchte zum Beispiel aus Prinzip nicht hören, was in der Ukraine passiert.

Eine Erklärung ist das Internet, aber es ist nicht die alte Geschichte von der Desinformation, sondern das Problem einer Überinformation, die keinerlei Struktur hat. Die Menschen hören oder lesen nämlich keine Nachrichten im altmodischen Sinne, aber sie werden berieselt von einer Masse aus rohen, unzusammenhängenden und teilweise verfälschenden Schnipseln in den sozialen Netzwerken. Der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas hat bei jedem Bundestagswahlkampf der jüngeren Vergangenheit nachgefragt, wie die Bürger sich informiert haben, und kam zu diesem Ergebnis. Fernsehen und Zeitungen verlieren an Bedeutung, das Internet gewinnt. Die Bürger bekommen also Politisches mit, aber am Ende einer langen Timeline haben sie die eine Darstellung und ihr Gegenteil in verschiedenen Varianten gesehen. Mal kommentieren ein obskurer Augenzeuge, mal ein Aktivist, mal ein Spaßvogel.

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