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#Wirbelstürme: Reicht die Saffir-Simpson-Skala noch?

Die Intensität von Wirbelstürmen wird bisher in der fünfstufigen Saffir-Simpson-Skala angegeben. Doch im Zuge des Klimawandels und der sich verstärkenden Hurrikans reicht sie nicht mehr aus, um die größer werdende Gefahr durch solche Stürme zu kommunizieren, argumentieren Forscher. So gab es allein in den letzten neun Jahren schon fünf Wirbelstürme, die eigentlich einer neuen sechsten Stufe der Saffir-Simpson-Skala zugeordnet werden müssten. Bei einer Erwärmung um zwei Grad gegenüber den präindustriellen Werten würde sich das Risiko für solche Superstürme in der Karibik verdoppeln und in Teilen Südostasiens um das Eineinhalbfache steigen. Um mehr Bewusstsein für die mit solchen Wirbelstürmen verbundene Gefahren zu wecken, sei eine Ergänzung der Hurrikanskala daher sinnvoll, so die Forscher.

Wirbelstürme werden von warmen Meerestemperaturen und aufsteigendem Wasserdampf angetrieben: Die feucht-warme Luft liefert ihnen die nötige Energie und treibt ihre gigantischen rotierenden Wolkenwirbel an. Deshalb begünstigt die Erwärmung der Meere durch den Klimawandel die Bildung von schweren Hurrikans, Taifunen und Co. „Die globale Erwärmung vermehrt die für die Intensivierung der Tropischen Zyklone verfügbare Energie“, erklären Michael Wehner vom Lawrence Berkeley National
Laboratory und James Kossin von der University of Wisconsin-Madison. Beobachtungsdaten der letzten Jahrzehnte belegen, dass die Zahl starker Hurrikans zunimmt, außerdem verlängert sich die Wirbelsturmsaison und die Stürme dringen häufiger auch in höhere Breiten als früher vor.

Sechste Kategorie statt oben offener fünfter Stufe

Wie stark ein Wirbelsturm ist, wird seit den 1970er Jahren mit der Saffir-Simpson-Skala angegeben. Diese fünfstufige Skala basiert heute auf Messungen der maximalen Windgeschwindigkeit in zehn Meter Höhe über Grund. Die oberste Stufe dieser Hurrikan-Skala beginnt bei Windgeschwindigkeiten ab 70 Metern pro Sekunde – rund 250 Kilometern pro Stunde. Nach oben hin ist diese Stufe jedoch offen. Als Folge können selbst sehr viel stärkere Wirbelstürme maximal in Kategorie fünf eingestuft werden – und werden in der öffentlichen Wahrnehmung, beispielsweise bei Hurrikanwarnungen, deshalb möglicherweise unterschätzt, wie Wehner und Kossin erklären. Sie plädieren deshalb dafür, die Saffir-Simpson-Skala durch eine sechste Stufe zu ergänzen. Diese soll dann Wirbelstürme umfassen, die höhere maximale Windgeschwindigkeiten als 86 Meter pro Sekunde – über 309 Kilometer pro Stunde zeigen. „Diese Erweiterung der Hurrikan-Skala spiegelt wider, dass die stärksten Tropischen Zyklone durch die Klimaerwärmung immer stärker werden und dass diese Entwicklung mit fortschreitendem Klimawandel anhalten wird“, schreiben sie.

Die Forscher führen drei Argumente für diese zusätzliche Kategorie an. Das erste: In den 42 Jahren seit 1980 hat es 197 Tropische Wirbelstürme der Kategorie fünf gegeben. Von diesen wären fünf Stürme der neuen Kategorie sechs zuzuordnen – alle ereigneten sich in den letzten neun Jahren. Unter diesen allein schon durch ihre hohe Windgeschwindigkeit herausragenden „Superstürmen“ ist der Taifun Haiyan, der im November 2013 die Philippinen traf, einer der bekanntesten. Seine Windböen erreichten Geschwindigkeiten von bis zu 379 Kilometern pro Stunde, Sturm und Starkregen forderten mehr als 10.000 Todesopfer. Der stärkste der fünf Ausnahmestürme war der Wirbelsturm Patricia, der im Oktober 2015 vom Pazifik aus Mexiko traf – er ist der bisher stärkste je registrierte pazifische Hurrikan. Das vermehrte Auftreten solcher besonders intensiver Wirbelstürme im letzten Jahrzehnt ist nach Ansicht der Forscher eine Folge des Klimawandels.

Bessere Repräsentation des steigenden Risikos

Dies untermauern Wehner und Kossin durch physikalische Analysen, in denen sie untersuchten, wie viel Energie über feuchtwarme aufsteigende Luft in verschiedenen Meeresregionen an die Obergrenze der Troposphäre transportiert wurde. Dafür werteten sie Tagesdaten des European Centre for Medium Range Weather Forecasting aus der Zeit von 1979 und 2019 aus. Es zeigte sich auch hier ein Trend: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Werte an einem Datenpunkt die Schwelle zur Kategorie sechs überschreiten, hat sich in der Zeit von 1999 bis 2018 gegen dem früheren Zeitabschnitt fast verdreifacht“, berichten die Forscher. Mithilfe einer Modellsimulation ermittelten sie, dass sich dieser Trend bei anhaltender Klimaerwärmung noch verstärken wird: Erreicht die Erwärmung zwei Grad, steigt das Risiko für einen Kategorie-Sechs-Wirbelsturm für die Philippinen um das eineinhalbfache. „Im Golf von Mexiko erhöht sich das Risiko für Kategorie-Sechs-Hurrikans sogar noch mehr, es verdoppelt sich bei zwei Grad Erwärmung und vervierfacht sich bei vier Grad Erwärmung“, schreiben die Wissenschaftler.

Nach Ansicht von Wehner und Kossin liefert diese Entwicklung genügend Argumente, um die Saffir-Simpson-Skala zu erweitern. „Die Kommunikation des Hurrikan-Risikos ist schon jetzt ein vieldiskutiertes Thema“, erklären sie. Denn die Windgeschwindigkeiten allein sind nur für einen Teil der verheerenden Folgen dieser Wetterextreme verantwortlich. Der mit solchen Wirbelstürmen verbundene Starkregen und die Sturmfluten sind jedoch nicht in der Saffir-Simpson-Skala enthalten, obwohl sie häufig weit größere Schäden anrichten. „Die Ergänzung der Hurrikan-Skala durch eine sechste Kategorie löst dieses Problem zwar nicht. Es könnte aber das Bewusstsein für die wachsende Gefahr durch besonders starke Wirbelstürme schärfen“, konstatieren die Forscher.

Quelle: Michael F. Wehner (Lawrence Berkeley National Laboratory, Berkeley) und James Kossin (University of Wisconsin–Madison), Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2308901121

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