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#Mit Liebe und Entschlossenheit von Claire Denis im Kino

Die Beziehung zwischen Sara (Juliette Binoche) und Jean (Vincent Lindon) könnte nicht besser sein. Das Paar planscht in seichten Wellen, irgendwo am Mittelmeer. Sie legt sich auf den ­Rücken, schwebt im Wasser, er hält sie, küsst sie, verharrt in inniger Um­armung. Als beide die Fluten verlassen, halten sie Händchen. Dass der Schein trügt, lässt Regisseurin Claire Denis ihr Publikum bereits in dieser Anfangssequenz von „Mit Liebe und Entschlossenheit“ er­ahnen: Über all der trauten Zweisamkeit hängen Töne, mal auf einer Gitarre gezupft, mal elektronisch erzeugt, die über die Idylle einen Hauch Melancholie breiten und mit spitzen Missklängen vom Unheil künden, das sich in die Gesten schleichen wird.

Zurück in Paris sieht Sara auf dem Weg zur Arbeit (sie ist erfolgreiche Moderatorin einer politischen Radiosendung) ihren Ex-Freund François. Dieser kurze Blick genügt, um sie vollkommen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Binoche macht das natürlich großartig, stolpert fast, fängt sich, blickt noch einmal zurück, schockiert und bleich, als wäre ihr gerade ein Geist begegnet. Am Abend beginnt sie, ihre Beziehung mit Jean zu manipulieren, erzählt ihm, dass eine Liebe, wie sie sie für François empfunden habe, ja nie ganz weggehe. Und fügt dann hinzu: „Aber du musst dir keine Sorgen machen.“ Worauf Jean nur antworten kann: „Ich mache mir keine Sorgen.“ Aber sein Blick verrät: bis jetzt zumindest nicht, meine Liebe. Und das Publikum weiß: Nach diesem Warnschuss liegt selbst der argloseste Partner nachts wach und sieht seine Sorgen über die Bettdecke tanzen.

Mit solchen scharfkantigen Dialogen lässt Denis ihre Hauptdarsteller langsam die Beziehung in kleine Stücke schneiden, bis am Ende nicht viel mehr davon übrig ist als ein gut gehackter Haufen ­Gefühlstartar. Die Regisseurin, die das Drehbuch gemeinsam mit der Autorin Christine Angot auf Grundlage ihres Romans „Un tournant de la vie“ schrieb, streut in diese Dialoge die Informationen so spärlich wie in einen guten Krimi, wirft dem Publikum kleine Häppchen hin, aus denen es sich Hintergründe und Handlungsmotive zusammenreimen muss. Das geht so lange, bis man verstanden hat, dass dieser enervierende Zustand des Nicht-alles-Wissens ebenjenem gleicht, in dem sich Sara und Jean befinden. Dieses Paar hat ein ernstes Kommunikationsproblem.

Die Figur der Sara erinnert nicht zu­fällig an die ebenfalls von Juliette Bi­noche gespielte Künstlerin Isabelle in Claire Denis’ „Meine schöne innere Sonne“ (2017). Auch an jenem Drehbuch hatte Denis zusammen mit der Schriftstellerin Angot gearbeitet. Sara ist eine Variation jener Isabelle, beide sind erfolgreiche Frauen, Künstlerinnen zumal, denen ihr Beruf erlaubt, ein ­unabhängiges Leben mit allen An­nehmlichkeiten der Großstadt zu führen. Doch wenn es um ihre Gefühle geht, sind sie verwirrt, schaffen es nicht, sich über die eigene Emotionslage klar zu werden, und stolpern so Hals über Kopf von einer Beziehung zur nächsten, ohne sich vorher über die Konse­quenzen klar zu werden, ohne zu über­legen, was ihr Handeln nach sich ziehen könnte.

In gewisser Weise setzt Denis hier eine Analyse Simone de Beauvoirs fort, die in „Das andere Geschlecht“ schrieb, der Fluch der Ehe bestehe darin, dass „die Individuen sich nur allzu oft in ihrer Schwäche und nicht in ihrer Stärke als Paar zusammentun, dass jeder vom anderen etwas fordert, statt ihm etwas geben zu wollen“. Wie Isabelle sucht auch Sara in ihren Männern etwas, was sie zuallererst in sich selbst finden müsste.

Dass man diesem Suchen, Verletzen und Manipulieren trotzdem folgt, liegt an Binoche und Lindon. Sie spielt Sara mit solch aufgelöster Emotionalität, dass man ihr tatsächlich abnimmt, auch mit fünfzig noch nicht herausgefunden zu haben, was sie begehrt, und dass Worte nicht genauso viel bedeuten können wie Taten; dass also ein gehauchtes „Ich liebe dich“ im Bett mit Jean nicht auslöschen kann, dass sie heimlich begonnen hat, mit François Nachrichten auszutauschen. Und Vincent Lindon kann dem Blicke entgegensetzen, die jede Manipulation sofort durchschauen. Damit reißt er manchmal den Film an sich, sodass man sich fragt, ob es am Ende überhaupt je um das Paar und nicht eigentlich um ihn ging.

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