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#Krankenkassen als Impfpolizei? – Gesundheits-Check

Krankenkassen als Impfpolizei? – Gesundheits-Check

Die Vorschläge für Impfpflichten häufen sich. Es gibt Vorschläge für Erweiterungen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, für Impfpflichten für besonders gefährdete Gruppen, für eine allgemeine Impfpflicht mit verschiedenen Altersgrenzen usw. Jetzt liegt auch ein Vorschlag aus den Ampelfraktionen vor (Baehrens, Dahmen, Helling-Plahr, Schmidt (Wetzlar), Steffen, Strack-Zimmermann, Wiese).

Hier das Eckpunktepapier:

Zielsetzung

• Die Gesellschaft insgesamt und das Gesundheitswesen im Besonderen vor erneuter Überlastung durch hohe Infektionszahlen mit dem SARS-CoV-2 Virus schützen
• Hohe, nachhaltige Immunisierung innerhalb der Bevölkerung durch eine hohe Impfquote erreichen
• Rechtzeitig vor dem nächsten Winter hohe Grundimmunität aufbauen, um auf die nächste zu erwartende Corona-Virus-Welle vorbereitet zu sein und ein gesellschaftliches Leben möglichst ohne freiheitsbeschränkende Schutzmaßnahmen zu ermöglichen

Ausgestaltung allgemeine Impfpflicht

• Impfnachweispflicht gegen SARS-CoV-2 für alle Erwachsenen ab 18 Jahre mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland
• Impfpflicht mit 3 Impfungen erfüllt (alle zugelassenen Impfstoffe, Auswahl muss möglich sein);
• Die Impfpflicht ist auf den 31.12.2023 befristet.
• Sonderkonstellationen und erleichternde Ausnahmen werden wissenschaftsbasiert über eine Verordnung geregelt (u.a. Festlegung inwieweit Genesungen berücksichtigt werden, medizinisch eindeutig begründete Ausnahmen, Umgang mit vollständigen Impfungen nach Maßgabe von Herkunftsländern, die hier nicht anerkannt sind)

Umsetzung

• Beauftragung der Krankenkassen, ihre Versicherten über neues Gesetz, Abläufe und Beratungsangebote zu informieren und Impfnachweise anzufordern sowie versichertenindividuell zu speichern (elektronischer Impfnachweis)
• Es wird den Krankenkassen eine technische Lösung (Impfportal) zur Verfügung gestellt, um die Impfnachweise datensparsam und -geschützt sammeln zu können.
• Wird der Nachweis nicht erbracht: Bußgeldverfahren mit Fristsetzung: Bußgeld kann mit Impfung oder nachholendem Nachweis abgewendet werden
• Anlassbezogene Kontrollen sowie Stichprobenkontrollen durch von den Ländern zu bestimmende Ordnungskräfte
• Grundsätzlich: Keine Zwangsimpfung; Sanktionierung über Bußgeldverfahren (Ordnungswidrigkeit), Verzicht auf Erzwingungshaft; Bußgelder und Verfahren orientieren sich an bestehenden Regelungen zur Masernimpfpflicht; wiederholte Bußgeldverfahren möglich

Erwartungen an die Bundesregierung

• Impfstrategie weiter forcieren und Impfstoffbeschaffung gewährleisten
• Öffentlichkeitsarbeit kreativ, zielgruppenorientiert, sowohl regional als auch flächendeckend und multimedial deutlich verstärken“

Ich bin mir nicht sicher, wie durchdacht die Zielsetzung ist. Es ist ein Eckpunktepapier, daher weiß man nicht, was an konkreten Überlegungen hinter solchen eher konfliktvermeidend formulierten Zielen stehen. Aber der Schutz der Bevölkerung vor „hohen Infektionszahlen“ und der Wunsch nach hohen Impfquoten dürften in dieser Allgemeinheit verfassungsrechtlich nicht weit tragen. Das Vermeiden künftiger Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens ist schon eher geeignet, eine Impfpflicht zu begründen. Aber dazu muss man zeigen können, dass solche Einschränkungen wirklich drohen. Derzeit wird das durch die europaweiten Lockerungen bei hohen Inzidenzen infrage gestellt.

Interessanterweise kommt eine potentielle Überlastung des Gesundheitswesens in der Zielsetzung nicht zur Sprache.

Die Impfpflicht soll ab 18 Jahren greifen. Hier werden die Jüngeren in Verantwortung für den Schutz der Älteren genommen. Auch das dürfte Gegenstand verfassungsrechtlicher Diskussionen werden. Positiv ist die Befristung der Impfpflicht.

Die Krankenkassen sollen nicht nur zur Impfung einladen, was eine gute Idee ist, auch der Impfnachweis soll über die Krankenkassen erbracht werden. Das wird den Krankenkassen insgesamt nicht gefallen. Als Impfpolizei wollen sie für ihre Versicherten sicher nicht in Erscheinung treten. Und für die privaten Krankenkassen, die ja Unternehmen und nicht Behörden sind, wird das eine ganz besondere Erfahrung werden. Vielleicht sondieren dann auch Krankenkassen aus Staaten ihre Marktchancen in Deutschland, bei denen eine Datenauskunft an deutsche Behörden etwas länger als bis zum 31.12.2023 dauert?

Gespannt darf man auch sein, wie das mit den „Ordnungskräften“ funktioniert, die anlassbezogen und stichprobenhaft, vermutlich im sozialen Alltag, kontrollieren sollen. In erster Linie ist hier an die Polizei und die Ordnungsämter zu denken. Ob die rechtzeitig alle mit funktionstüchtiger Software für den mobilen Einsatz auszustatten sind? Und ob die Länder und Kommunen hier Hurra schreien?

Wie gesagt, vermutlich gibt es zu diesen Punkten schon konkretere Überlegungen. Jedenfalls dürfte das, was in dem Eckpunktepapier zu Zielsetzung und Umsetzbarkeit einer allgemeinen Impfpflicht steht, bis zum Referentenentwurf des Gesetzes noch andere Form annehmen.

Ein regelrechtes Armutszeugnis sind allerdings die Erwartungen an die Bundesregierung. Die beiden Spiegelstriche dokumentieren bestenfalls gesundheitspolitische Einfallslosigkeit.

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