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#Kein Schwein ruft mehr an!

„Kein Schwein ruft mehr an!“

Es stört ja nicht. Steht nicht im Weg, nimmt keinen Platz weg. Nur wenn es klingelt, schauen wir uns in der Familie mit fragenden Augen an: Wer geht ran? Geht überhaupt jemand ran? Lohnt es sich, vom Küchentisch aufzustehen und den langen Flur entlangzulaufen bis zu dem mickrigen Regal neben der Wohnzimmertür, wo das Festnetztelefon steht? Aber es klingelt fast nie, und wenn doch, bekommt es vermutlich niemand mit. Sitzen wir beim Abendessen, ist es im Zweifelsfall die Oma. Da können wir auch zurückrufen.

Julia Schaaf

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Tagsüber ist es anders. Wenn ich im Homeoffice bin und meine Arbeit unterbreche, weil es im Flur klingelt, knackt es am anderen Ende der Leitung, während mir jemand in radebrechendem Englisch erklären will, dass ich dringend meinen Computer neu starten müsse, sonst drohe Ungemach. Oder ich soll bei einer Um­frage mitmachen, es dauert auch bestimmt nicht lange.

Wozu haben wir noch dieses Telefon?

Oder eine Automatenstimme verkündet, dass ich in einem Gewinnspiel gewonnen habe und – eigentlich weiß ich gar nicht, was für Autos und Geldbeträge ich da immer verschmähe. Ich habe ohnehin längst aufgelegt. Während ich an meinen Schreibtisch zurückschlurfe, wo neben Laptop und Handy das Headset und die Airpods liegen, frage ich mich entnervt: Wozu haben wir noch dieses Telefon?

Als die Telekom mitteilte, dass sie bis Ende Januar auch die letzten öffentlichen Telefonzellen abschaffen will, dachte ich: Sie hätte auch das Aussterben der Dinosaurier ankündigen können, das Ende des Mittelalters oder die Abschaffung der D-Mark. Alles längst passiert, oder? Telefonzellen gibt es kaum mehr, von den ähnlich musealen Festnetztelefonen noch sehr viele. Und seither grüble ich wirklich: Was soll mit diesem nutzlosen Telekom-Gerät in unserem Flur passieren?

Was ein Segen, als es endlich lange Schnüre gab und man wichtige Teenagertelefonate im Kinderzimmer führen konnte.


Was ein Segen, als es endlich lange Schnüre gab und man wichtige Teenagertelefonate im Kinderzimmer führen konnte.
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Bild: Lena Grimm

Denken Sie „Telefon“ und schließen Sie die Augen: Was sehen Sie? Vermutlich ist es schwarz, besitzt eine Wählscheibe, eine zur Spirale gedrehte Gummischnur und einen hantelartigen, selbst in der Erinnerung schweren Hörer mit je einer Halbkugel zum Hören und zum Sprechen. Oder es ist orange und kantig und verfügt über Tasten, die zum Karree angeordnet sind wie der Nummernblock am Geldautomat. Oder denken Sie gleich an Ihr Handy?

Das Gerät bei uns im Flur besteht aus zwei Teilen. Es gibt ein Plastikkästchen, das Basisstation heißt, und einen Hörer zum Reinstecken, der wie der große Bruder eines frühen Tastenhandys aussieht. In meinem Kopf hat sich dieses Modell nie wirklich als Telefon etabliert, es löst keinerlei Emotionen aus. Auch die gute alte Stereoanlage mit den hockergroßen Lautsprechern ist durch Internetmusik und Bluetoothboxen obsolet geworden. Aber ich würde nicht auf die Idee kommen, ihr ihren Ehrenplatz im Wohnzimmer abzusprechen. Wenn ich über den Abschied vom Festnetztelefon nachdenke, werde ich hingegen nicht einmal wehmütig.

Dabei ist meine Generation der Mittelalten von das Leben verändernden Telefonerfahrungen geprägt. Wie vermutlich alle Achtzigerjahrekinder stritt ich mit meinen Eltern, weil ich – kaum aus der Schule zurück – für den Rest des Nachmittags den Familienanschluss blockierte. Da musste im Detail ausgewertet und nachbesprochen werden, was in der Schule passiert war. Wie nun der Stefan gelächelt hatte und ob sich die Corinna vielleicht für ihn interessierte. Und hast du die Melanie heute gesehen, nein, so peinlich . . . Social Media, analog.

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