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#„Wenn die Lichter ausgehen, haltet euch an mich“

„„Wenn die Lichter ausgehen, haltet euch an mich““

Am letzten Tag wollte das Literaturfestival nach Brandenburg expandieren, aber die Bahn fuhr nicht. So kam es, dass sich ein mit Ferngläsern ausgestattetes Grüppchen durch das städtische Grün beim Festivalzentrum bewegte, den Blick in die Bäume gerichtet, angeführt von Vogelkenner Ernst Paul Dörfler und Nell Zink. Zink ist bekannt für vier lässig-schräge Romane und dafür, dass sie vielleicht nie bekannt geworden wäre, hätte sie – leidenschaftliche Birderin – nicht vor Jahren an Jonathan Franzen – leidenschaftlicher Birder – einen Brief geschrieben, in dem sie einen Vogel-Text von ihm kritisierte, er aber ihr Schreibtalent erkannte.

Auf der kleinen Exkursion ging es nicht darum, warum unter Vogelbeobachtern offenbar überdurchschnittlich viele Schriftsteller sind, auch Festivalgast Margaret Atwood, dafür um das Verschwinden der Vögel, die in den übernutzten Landschaften keine Nahrung mehr finden. Das Festivalende knüpfte damit an seinen Anfang elf Tage zuvor an, als der Historiker David Van Reybrouck in der Eröffnungsrede das Ausmaß des Artensterbens vor Augen führte.

Überhaupt fiel beim 22. Internationalen Literaturfestival (ilb) auf, dass die Veranstaltungen über die Schwerpunktsetzungen des Programms hinaus miteinander ins Gespräch zu kommen schienen. Die Frage, wo in überschatteten Zeiten Zuversicht und Lösungen liegen könnten, drängte immer wieder nach oben wie ein Gummiball im Wasser. Die Literatur geriet da mitunter in den Hintergrund. Dafür wurden die, die sie produzieren, vom Publikum zu Hoffnungsträgern gemacht, von denen sich vielleicht erfahren ließe, wie man den Mut behält angesichts von Klimakrise, Krieg und Autokratien auf dem Vormarsch.

Freundliche Coolness

Margaret Atwood, die sich dieser von ihren jungen Zuhörern hartnäckig an sie herangetragenen Rolle mit freundlicher Coolness verweigerte, gewährte eine Dosis Optimismus nur als doppelte Verneinung: „So etwas wie keine Hoffnung gibt es nicht.“ Als jemand, der ohne fließendes Wasser und Strom aufgewachsen sei, wisse sie aber, was im Notfall zu tun sei: „Haltet euch an mich, wenn die Lichter ausgehen.“ Bei Atwoods Auftritt war jeder Platz besetzt, ebenso bei anderen großen Namen. 23 500 Besucher hatte das diesjährige Festival, mit 30 000 hatte man gerechnet. Kinos und Theater leiden unter einem Besucherrückgang – im Literaturbetrieb lockt wohl zumindest die Gelegenheit, berühmte Autoren zu erleben, weiterhin.

Dass es einen Text für immer verändern kann, ihn von dem zu hören, der ihn geschaffen hat, zeigte die Lesung mit Ilya Kaminsky. Seinen Gedichtband „Republik der Taubheit“ trug er in einem drängenden Sprechgesang vor, der das Prophetische der Geschichte – Soldaten erschießen einen tauben Jungen, woraufhin die Bewohner der besetzten Stadt sich taub stellen – noch frappierender machte.

Er übersetze Gedichte ukrainischer Freunde ins Englische, sagte Kaminsky, der aus Odessa stammt und in den USA lebt, um zu verbreiten, was geschieht. Wie dieses Festival auch eines der Zeitzeugenschaft war, etwa durch die Kriegstagebücher von Yevgenia Belorusets oder Natalia Vorozhbyt, wird lange in Erinnerung bleiben.

Ein „toxisches Arbeitsklima“

Für das Team des ilb beginnt nun, nach dem Festival, eine andere Arbeit. Am Freitag schrieb die „Tageszeitung“, dass sich die ilb-Mitarbeiter schriftlich bei Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Kultursenator Klaus Lederer und dem Träger des Festivals, der Peter-Weiss-Stiftung, über ein „toxisches Arbeitsklima“ und „Machtmissbrauch“ durch Festivalleiter Ulrich Schreiber beklagt hätten. Sein Führungsstil sei geprägt von „Aggressivität, Respektlosigkeit, Misstrauen und Unprofessionalität“, wurde aus einer E-Mail zitiert.

Mitarbeiter des ilb, das Büro der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Senatsverwaltung für Kultur bestätigten der F.A.Z. gegenüber den Vorgang. Eine Sprecherin der BKM sagte, man habe nach Eingang der Beschwerde unverzüglich Gespräche mit allen Beteiligten geführt und vereinbart, „nach Abschluss des Festivals die Strukturen und Abläufe des ilb zu prüfen und zu verbessern“.

Ulrich Schreiber teilte der F.A.Z. mit, er könne einige Kritikpunkte nachvollziehen, halte aber das Bild, das von ihm gezeichnet werde, „für völlig überzogen“. In einigen Konfliktsituationen habe er nicht angemessen reagiert, „das bedauere ich“. Er habe einer Mediation zu den Konfliktthemen zugestimmt. Eine Supervision, an der er und das Kernteam teilnehmen, habe bereits begonnen.

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