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#Theologie an der kurzen Leine der Kirchenpolitik

Theologie an der kurzen Leine der Kirchenpolitik

Die „Lehrmäßigen Anmerkungen“, die der Vatikan an die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) gesandt hat, laden zu einem Gedankenexperiment ein: Wie würde die darin entfaltete Abendmahltheologie wohl aufgenommen, wenn es sich nicht um ein Dokument der Glaubenskongregation handelte, sondern um eine Seminararbeit? Der Student bekäme vermutlich schon wegen formaler Mängel Schwierigkeiten.

Reinhard Bingener

Reinhard Bingener

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

Der erste Fehler begegnet in Zeile zwei, und es folgen viele weitere. Hier wurde das lateinische Fremdwort falsch geschrieben, dort fehlt ein Buchstabe, da ist ein Grammatikfehler, und die Groß- und Kleinschreibung ist auch nicht korrekt. Nun mag man einwenden, dass sich eine Glaubenskongregation mit solchen Nebensächlichkeiten nicht aufhalten muss, sondern durch gediegene Theologie überzeugt. Dafür allerdings müsste man sich auch in Rom bereitfinden, die Argumente der Gegenseite zutreffend wiederzugeben.

Lesen Sie hier die „Lehrmäßigen Anmerkungen“ des Vatikans.

Im vorliegenden Fall geht es um das Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) unter Führung des DBK-Vorsitzenden Bischof Bätzing. Das Dokument ist in Rom auf massives Missfallen gestoßen. Die Glaubenskongregation wirft dem ÖAK vor, die Verbindung zwischen Christus und Kirche zu kappen und die Auffassung zu vertreten, „dass es der Kirche nicht zukommt, Zulassungskriterien festzulegen“. Dabei benennt der ÖAK solche Kriterien und erkennt sie als normativ an: Man muss getauft sein, leiblich anwesend sein, den sakramentalen Sinn der Handlung verstehen, und die Leitung der Eucharistiefeier muss einer ordinierten Person obliegen. Der Vatikan unterstellt dem ÖAK ferner, den „bischöflichen Dienst der Einheit“ in Abrede zu stellen und auf eine „Individualisierung der Ortsgemeinden“ zu zielen. Wie passt diese Aussage zu folgender Feststellung im ÖAK-Papier: „Die Aufgabe überregionaler Episkopé ist für die Einheit und Apostolizität der Kirche notwendig“?

Die Glaubenskongregation wirft dem ÖAK auch vor, den „character indelebilis des Weiheamtes“ als „Fehlentwicklung“ hinzustellen. Richtig ist, dass der ÖAK die „Sazerdotalisierung des Amtes der Bischöfe und Presbyter“ als Entwicklung der Spätantike beschreibt. Mit solchen Ergebnissen der exegetischen und kirchengeschichtlichen Forschung scheint die Glaubenskongregation ohnehin ein grundlegendes Problem zu haben: Die Kirche muss schon immer so gewesen sein, wie sie aus römischer Sicht sein soll. Statt auf eine „Diversität der Ursprünge“ setzt man daher auf „Kontinuität der ursprünglichen Einheit“.

Den Gipfel dieser Überblendung von Kirchenlehre und historischer Erkenntnis bildet der sybillinische Satz: „Die Einheit ist damit das Kriterium der Ursprünge.“ Man darf diese Formel so verstehen, dass sich das Lehramt einen Freifahrtschein ausstellt, Ursprung und Geschichte des Christentums nach eigenem Bedürfnis zurechtzubiegen, ohne dass ihm lästige Historiker dabei reinreden. Machttheoretisch ist das ein naheliegender Schritt. Das religiöse Problem liegt darin, dass die christliche Offenbarung unhintergehbar geschichtlich ist und Dogmatik und Lehramt sich daher mit den Ergebnissen von Exegese und Kirchengeschichte konfrontieren lassen müssen.

Am Beispiel des Abendmahls lässt sich das veranschaulichen: Die Feier der Eucharistie wird bestimmt durch kirchenrechtliche und dogmatische Sätze. Aber solche Normen existieren nicht abgelöst von kirchlichen Traditionen und schon gar nicht losgelöst von den Mahlfeiern Jesu, wie sie im Neuen Testament beschrieben sind. Die „Lehrmäßigen Anmerkungen“ vermitteln indes den Eindruck, die Heilige Schrift sei ein vornehmlich für Protestanten geschriebenes Werk. Auch dies ist für die Glaubenskongregation bequem, denn so muss sie sich nicht mit den Mahlfeiern Jesu auseinandersetzen, deren Merkmal Inklusion ist – „mit den Zöllnern und Sündern“ (Mt 9,11). Die Speisungen und insbesondere das letzte Abendmahl sind aber auch als Vorgriff auf das Reich Gottes zu verstehen; in ihnen wird endzeitliche Eintracht vorweggenommen. Im Papier des ÖAK werden diese exegetischen Einsichten ausführlich referiert. Für die „Lehrmäßigen Anmerkungen“ sind sie völlig bedeutungslos.

Auch in der Theologie sind Gründe abzuwägen

So lässt sich der Disput zwischen Vatikan und großen Teilen der hiesigen Kirche nicht in das beliebte Deutungsmuster pressen, dass in Rom gehaltvolle Theologie betrieben wird, während deutsche Mainstream-Christen bloß Agitation im Sinn haben. Nein, auf beiden Seiten wird die Theologie an der kurzen Leine der Kirchenpolitik geführt. Der ÖAK legt seine Absicht bereits im Titel „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ offen und beschönigt insbesondere im dogmatischen Abschnitt die Lage, indem er „grundlegende amtstheologische Übereinstimmungen“ zwischen den Kirchen herbeiredet. Die Absicht ist klar: Das ÖAK-Papier soll eine wechselseitige Teilnahme an der Eucharistie auf dem Ökumenischen Kirchentag 2021 begründen. Die römischen „Anmerkungen“ wollen genau dies verhindern.

Es geht in dem Streit wohlgemerkt nicht um ein ökumenisches Abendmahl, das die Unterschiede zwischen den Kirchen aufheben würde. Der ÖAK befürwortet nur die wechselseitige Gastfreundschaft, insbesondere für konfessionsverschiedene Ehepaare. An dieser Selbstbescheidung des ÖAK schreitet die Glaubenskongregation jedoch achtlos vorüber und betrachtet die konfessionelle Differenz im Amtsverständnis als Trumpfkarte für alle Fälle. Unter den Tisch fällt dabei, dass auch in der Theologie Gründe abzuwägen sind. Die eine offene Frage dabei lautet, welches Gewicht exegetischen und kirchenhistorischen Befunden zukommt. Die andere Frage ist, welche Bedeutung pastoralen Erwägungen und vor allem dem Gewissen der einzelnen Gläubigen zuzumessen ist. Die Glaubenskongregation scheint ihre Antwort bereits gefunden zu haben: zweimal null.

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