Nachrichten

#Pariser Pläne: 225 Euro für sechs Stunden Parkzeit

Zu viele und zu große Autos am Straßenrand: Paris will SUV-Fahrer stärker zur Kasse bitten und hält dazu ein Referendum ab. Das polarisiert in der Stadt.

Für oder gegen die Einführung eines speziellen Tarifs für das Parken von schweren, sperrigen, umweltschädlichen Privatautos?“ Schon der Wortlaut der Frage, die die Stadt Paris ihren Bewohnern am Sonntag zur Abstimmung vorlegt, spaltet die Gemüter. Von einem „Anti-SUV-Referendum“ der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo in ihrem Kampf gegen das Auto sprach ein Kolumnist in der Tageszeitung „L’Opinion“. Die Frage verhärte die Fronten und bringe die Menschen gegeneinander auf, schrieb die Wirtschaftszeitschrift „Challenges“.

Folgt man einer Meinungsumfrage, weiß das Rathaus eine Mehrheit der Pariser bei dem Vorstoß hinter sich. Er sieht vor, die Parkgebühr für Besucher mit größeren Fahrzeugen in den Straßen der französischen Hauptstadt deutlich anzuheben – von aktuell 6 Euro je Stunde in den inneren und 4 Euro in den äußeren Bezirken auf 18 und 12 Euro. Da die Tarife in Paris von der dritten Stunde an progressiv steigen, gäbe es bei längerer Verweildauer gar eine Vervielfachung der Gebühren: Für vier Stunden wären 117 und 78 Euro statt 39 und 26 Euro fällig, für sechs Stunden 225 und 150 Euro statt 75 und 50 Euro.

Ausnahmen für Anwohner

Betroffen wäre, wer ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor oder Plug-in-Hybrid mit mehr als 1,6 Tonnen fährt. Das schließt nicht nur die beliebten Sport Utility Vehicles (SUV), sondern auch Crossover, Geländewagen und schwere Limousinen ein. Für Elektroautos gälte der höhere Tarif von 2 Tonnen an. Anwohner und ortsansässige Gewerbetreibende blieben in ihrer zugelassenen Parkzone von der Gebühr befreit. Gleiches soll für Taxifahrer auf den speziellen Taxiständen sowie Handwerker, Beschäftigte im Gesundheitswesen und Menschen mit Behinderung gelten. Lösen kann man Parktickets in Paris durch die Eingabe des Kennzeichens an Automaten oder in einer App. Die Kontrolle wird seit einigen Jahren von privaten Dienstleistern durchgeführt, die mit automatischen Kennzeichenlesesystemen durch die Straßen fahren.

Die sozialistische Bürgermeisterin begründet ihren Vorstoß damit, viele Klagen über „zu viele große, umweltschädliche Autos“ zu erhalten. Diese nähmen „immer mehr Platz auf unseren Straßen, Bürgersteigen und sogar auf unseren Fahrradwegen“ ein, erklärte Hidalgo in einer Videobotschaft und erinnerte an die erfolgreiche Abstimmung über das E-Roller-Verbot im vergangenen Jahr.

Ihr geht es auch um ein politisches Signal über Stadtgrenzen hinaus. „Mit dieser Abstimmung wollen wir Stopp sagen, Stopp zu den Auswüchsen der Automobilhersteller, die dazu verleiten, immer größere, teurere, rohstoffintensivere und umweltschädlichere Fahrzeuge zu kaufen“, sagte sie.

Die Umweltverschmutzung töte jeden Tag Menschen und müsse radikal reduziert werden. Hinzu komme mehr Sicherheit: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fußgänger bei einem Zusammenstoß mit einem SUV getötet wird, sei doppelt so hoch wie bei einem Standardfahrzeug. Im grün regierten Lyon soll eine ähnliche Staffelung für Parkgebühren schon im Juni in Kraft treten.

Es mangelt nicht an Kritik

Nicht nur die üblichen Anti-Auto-Aktivisten stützen Hidalgos Kurs. So kam mit Fatih Birol, dem Chef der in Paris ansässigen Internationalen Energieagentur (IEA), auch von unerwartet prominenter Seite Schützenhilfe. Der Ökonom begrüßte in der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ eine „stärkere Regulierung“ des SUV-Verkehrs in Städten über den Steuerhebel oder höhere Parkgebühren.

„Es ist von entscheidender Bedeutung, die Probleme zu lösen, die SUV in Bezug auf den zusätzlichen Energiebedarf, den beanspruchten öffentlichen Raum und die zusätzliche Gefahr für Fußgänger mit sich bringen“, sagte Birol. Parkende SUV nähmen im Mittel 0,5 Quadratmeter mehr Platz ein als ein herkömmliches Auto und stießen 20 Prozent mehr CO2 aus als Limousinen.

Doch es mangelt nicht an Kritik an der Pariser Bürgermeisterin. Etwa an der Form, ein Referendum mit tendenziöser Fragestellung abzuhalten, bei dem das Ergebnis erwartbar ist – während das Rathaus zu dem Ansinnen, eine der vier Spuren der Ringautobahn für Fahrgemeinschaften und öffentliche Verkehrsmittel zu reservieren, statt einer Abstimmung wohlweislich nur eine Onlinekonsultation organisiert hat. Die Ablehnungsquote betrug mehr als 80 Prozent. Hinzu kommt: Abstimmen dürfen am Sonntag nur die rund zwei Millionen Hauptstädter. Dabei dürften die Parkgebühren in erster Linie die mehr als zehn Millionen Menschen in der Banlieue treffen, die nicht alle an das Bus- und Bahnnetz angeschlossen sind.

Kritisiert wird auch, dass die Bürgermeisterin SUV stigmatisiere. „Diese Fahrzeuge, die der Pariser Stadtrat für alles Übel verantwortlich macht, auf die er mit dem Finger zeigt, sind in Wirklichkeit die moderne Version des Minivans“, kommentierte die konservative Tageszeitung „Le Figaro“. Ihre Bestimmung sei es, Familien zu transportieren. Zudem falle vieles unter die Kategorie SUV und seien die am häufigsten in Frankreich verkauften Modelle mehrheitlich Kompaktfahrzeuge mit maximal 4,3 Meter Länge wie der Peugeot 2008 oder Renault Captur.

SUV erfreuen sich seit Jahren auf der ganzen Welt einer wachsenden Beliebtheit. 2023 entfielen laut der IEA 48 Prozent aller globalen Neuwagenverkäufe auf diese Fahrzeugkategorie. Als Vorzüge gelten eine bessere Übersicht durch die höhere Sitzposition und das leichtere Ein- und Aussteigen, vor allem für ältere Menschen. In Frankreich wird bei der Erstzulassung schwererer Verbrenner seit Anfang 2022 schon eine Strafabgabe erhoben, die inzwischen von 1,6 Tonnen an fällig wird und progressiv steigt. Sie muss zusätzlich zu der nach CO2-Ausstoß gestaffelten Strafsteuer gezahlt werden, die in der Spitze 60.000 Euro beträgt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!