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#Die Türkei wappnet sich für eine Stichwahl

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Als der türkische Präsident nachts um Viertel vor zwei vor seine Anhänger trat, hielt er sich eine Hintertür offen. „Wir glauben, dass wir diese Runde mit mehr als 50 Prozent beenden werden.“ Wenn die Nation sich aber für eine Stichwahl entscheide, sei das ebenso willkommen, sagte Recep Tayyip Erdogan auf dem Balkon der Parteizentrale der AKP in Ankara. Kurz danach trat sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu mit seinen Bündnispartnern vor die Presse. „Wahlen können nicht auf dem Balkon gewonnen werden“, wetterte er. „Wir werden diese Wahl in der zweiten Runde gewinnen.“

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan mit Sitz in Ankara.

Tatsächlich deutete am Montagmorgen alles auf eine Stichwahl hin. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu lag Erdogan nach Auszählung von mehr als 98 Prozent der Wahlurnen mit 49,3 Prozent vorn. Kilicdaroglu kam demnach auf 45 Prozent. Die unabhängige Nachrichtenagentur Anka kam auf annähernd das gleiche Ergebnis. Zumindest ein Teil der noch ausstehenden Stimmen stammen offenbar aus Hochburgen der Opposition. Sie warf dem Regierungslager vor, die Auszählung in zahlreichen Wahllokalen durch Einsprüche gezielt verlangsamt zu haben. Als Beispiel nannte Kilicdaroglu ein Wahllokal, in dem elf Mal nachgezählt worden sei. Behauptungen der Opposition im Laufe der Wahlnacht, dass die Zahlen eine klare Führung ihres Kandidaten zeigten, schienen sich nicht zu bestätigen.

Beide Lager zeigen sich siegesgewiss

Wenn es zu einer Stichwahl in zwei Wochen kommt, hat der Amtsinhaber wohl einen Startvorteil. Sein Bündnis steuert auf eine absolute Mehrheit im Parlament zu. Nach Auszählung von rund 88 Prozent der Wahlurnen entfallen 322 der 600 Sitze auf das Lager des Präsidenten. Das könnte viele Wähler in der zweiten Runde der Präsidentenwahl dazu bewegen, für stabile Verhältnisse zu votieren, anstelle einen Kandidaten zu wählen, der keine eigene Mehrheit im Parlament hätte.

Die AKP deutete allerdings an, dass sie sich vorbehält, vor Ablauf der Einspruchsfrist am Dienstagnachmittag die Ergebnisse anzufechten. Die Ungewissheit bleibt also. Dem Land stehen voraussichtlich unruhige zwei Wochen bevor. Beide Lager zeigten sich siegesgewiss. Dass nach den vorläufigen Zahlen vorerst keinen Sieger gibt, hat mit dem dritten Kandidaten zu tun. Der Ultranationalist Sinan Ogan kam auf mehr als fünf Prozent der Stimmen. Seine Wähler gelten als Protestwähler. Ob sie sich in einer Stichwahl für den Herausforderer entscheiden würden, ist aber ungewiss.

Der Hohe Wahlrat hielt sich zunächst bedeckt in der Frage, ob es eine Stichwahl geben werde. „Die Auszählung dauert an“, sagte der Leiter des Wahlrats Ahmet Yener. Er gab vorerst nur das Ergebnis für knapp 92 Prozent der Wahlurnen bekannt: Erdogan 49,5 Prozent. Kilicdaroglu 44,8 Prozent. Der Unterschied zur staatlichen Nachrichtenagentur erklärt sich durch unterschiedliche Zugriffe auf die gleichen Daten. In jedem einzelnen Wahllokal veröffentlichen die Wahlbeobachter der Parteien die jeweiligen Ergebnisse, auf die Anadolu und andere Medien zugreifen können. Der Hohe Wahlrat speist die Ergebnisse aber erst in seine Datenbank ein, wenn sie von der lokalen über mehrere Instanzen auf die nationale Ebene kommuniziert werden.

Dieses System soll Wahlbetrug verhindern helfen. In der Wahlnacht führt es oft zu einer Verzerrung der Ergebnisse. Die Opposition warf der Nachrichtenagentur Anadolu vor, die Ergebnisse aus AKP-Hochburgen zuerst zu veröffentlichen, um den Präsidenten frühzeitig als Sieger darzustellen und die Wahlbeobachter der Opposition zu demoralisieren. „Die Fiktion, die mit 60 Prozent begonnen hat, ist nun unter 50 Prozent gefallen“, sagte Kilicdaroglu in der Nacht. Tatsächlich schmolz der große Vorsprung, den Anadolu dem Präsidenten zuschrieb, im Laufe des Wahlabends immer weiter zusammen und rutschte kurz vor Mitternacht unter die entscheidende Marke von 50 Prozent. Immer wieder rief die Opposition ihre Wahlbeobachter auf, die Wahlurnen trotz fortgeschrittener Stunde nicht aus den Augen zu lassen.

Die Regierungspartei warf dem Oppositionslager vor, mit ihrer Kritik an der staatlichen Nachrichtenagentur und an den Einsprüchen der AKP in einzelnen Wahllokalen die Integrität des Wahlprozesses zu stören. Erdogan inszenierte sich als Vorzeigedemokrat und bezichtigte seine Gegner undemokratischer Methoden. „Unser Land hat am 14. Mai ein Festival der Demokratie abgehalten“, sagte er auf dem Balkon seiner Parteizentrale. Schon vorher hatte er der Opposition vorgehalten, durch voreilige Veröffentlichung eigener Daten „den Willen der Nation an sich zu reißen“.

Beide Lager lobten die hohe Wahlbeteiligung, zu der noch keine abschließende Zahl vorliegt. Erdogan sprach von „einer der höchsten in unserer Geschichte“. Kilicdaroglu sagte, die Beteiligung liege knapp unter 90 Prozent.

Verwirrung gab es in der Nacht um den Aufenthaltsort des Präsidenten. Am frühen Abend hatte Anadolu gemeldet, Erdogan sei von Istanbul nach Ankara geflogen, um den Wahlabend dort zu verbringen. Das erwies sich später als Falschmeldung. Am späten Abend zeigte sich Erdogan mit Anhängern in Istanbul. Erst nach Mitternacht flog er in die Hauptstadt nach Ankara, um dort vom Balkon der Parteizentrale seine traditionelle Wahlabendrede zu halten. Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf Regierungskreise, das Verwirrspiel sei eine Sicherheitsmaßnahme gewesen.

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