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#Riesenlachs mit Stoßzähnen

Fast drei Meter groß und skurril bewaffnet: Seine langen Zähne haben dem größten bekannten Vertreter der Salmoniden bereits den Namen „Säbelzahnlachs“ eingebracht. Doch entgegen der bisherigen Annahme wuchsen diese Gebilde nicht nach unten gerichtet wie bei einem Säbelzahntiger, zeigt nun eine Studie: Aus der Untersuchung neuer Fossilien geht hervor, dass die Zähne seitlich aus dem Oberkiefer ragten – wie bei einem Warzenschwein. Möglicherweise hat der nun zum „Stachelzahnlachs“ umbenannte Riese seine Hauer zur Verteidigung eingesetzt oder auch zum Freilegen seiner Laichgruben, sagen die Forschenden.

Forellen, Renken, Äschen… und die Namensgeber – die Lachse: Die Fischgruppe der Lachsartigen (Salmoniden) hat im Laufe der Evolution verschiedene Gattungen und Arten hervorgebracht, die im Süßwasser, Salzwasser oder auch in beiden Lebensräumen vorkommen. Der heute größte Vertreter der Salmoniden ist mit einer Länge von bis zu etwa zwei Metern der Hucho taimen aus den Flüssen Sibiriens. Doch einst gab es noch ein deutlich größeres Familienmitglied: Oncorhynchus rastrosus betrat die Bühne der Paläontologie in den 1970er Jahren.

Diese Abbildung verdeutlicht die Größe von Oncorhynchus rastrosus im Vergleich zu einem Menschen. © Rich Grost

Die Beschreibung der Art basierte dabei auf Fossilien aus Kalifornien und Oregon, die mittlerweile auf ein Alter von zwölf bis fünf Millionen Jahren datiert wurden. Den Merkmalen zufolge handelte es sich um Verwandte der heutigen Nordpazifik-Lachse. Wie diese wanderte Oncorhynchus rastrosus wohl zum Laichen aus marinen Lebensräumen in die Flüsse Nordamerikas ein. Doch die ausgestorbene Art stellte die heutigen Lachse deutlich in den Schatten: Schätzungen zufolge erreichten diese Fische eine Länge von bis zu 2,70 Metern und ein Gewicht von 200 Kilogramm. Damit sind sie die größten bekannten Vertreter der Salmoniden.

Wie saßen die großen Zähne im Oberkiefer?

Doch dies war nicht das einzige spektakuläre Merkmal von Oncorhynchus rastrosus: Die Riesenlachse besaßen offenbar ein Paar bis zu etwa fünf Zentimeter lange Zähne. Sie wurden allerdings zunächst nur getrennt vom Rest der Schädel gefunden, beziehungsweise an deformiert erhaltenen Fossilien. Vor dem Hintergrund der Zahnmerkmale heutiger Lachsarten ging man zunächst davon aus, dass diese besonders großen Zähne senkrecht aus dem Oberkiefer von Oncorhynchus rastrosus wuchsen. Dadurch ergab sich ein Bild, das an einen Säbelzahntiger erinnerte. So entstand der Spitzname „Säbelzahnlachs“ für den größten aller Salmoniden.

Doch wie die Forschenden um Kerin Claeson vom Philadelphia College of Osteopathic Medicine berichten, sind mittlerweile weitere Fossilien von Oncorhynchus rastrosus entdeckt worden, die neue Hinweise auf die Stellung der Zähne geliefert haben. Das Paläontologenteam hat diesen Neufunden deshalb nun eine ausführliche Studie gewidmet. Unter anderem lieferten dabei CT-Scans Informationen dazu, wie die Gebilde zu Lebzeiten tatsächlich positioniert waren.

Es waren „Stachelzahnlachse“

Wie das Forschungsteam berichtet, ist das Bild vom „Säbelzahnlachs“ nun eindeutig als widerlegt anzusehen. Denn aus den Untersuchungen geht klar hervor, dass die leicht nach hinten gebogenen Zähne seitlich nach außen aus dem Oberkiefer wuchsen und nicht nach unten.

Dieses Fossil zeigt die tatsächliche Zahnposition besonders deutlich. © University of Oregon

Dies ähnelt somit eher dem Erscheinungsbild der Hauer beim Warzenschwein, sagen Claeson und ihre Kollegen. Sie schlagen deshalb nun eine neue Bezeichnung für Oncorhynchus rastrosus vor: „Stachelzahnlachs“. Anhand von gefundenen Fisch-Pärchen konnten die Forscher auch dokumentieren, dass alle Individuen diese buchstäblich herausragenden Strukturen besaßen: „Sowohl bei Weibchen als auch Männchen entwickelten sich diese stoßzahnartigen Gebilde“, sagt Co-Autor Brian Sidlauskas von der Oregon State University in Corvallis.

Doch wozu könnten sie den Fischen gedient haben? Bisher lassen sich dazu nur Vermutungen anstellen, sagen die Forschenden. Eine Funktion beim Beutefang kommt ihnen zufolge eher weniger in Frage. Denn bestimmte Strukturen im Rachenbereich von Oncorhynchus rastrosus legen nahe, dass diese Fische kleine Organismen aus dem Wasser gefiltert haben. Wahrscheinlicher ist deshalb eine Funktion zur Verteidigung. Eine Möglichkeit zum seitlichen Zuschlagen mit den spitzen Gebilden könnte demnach vor allem bei der Wanderung der Lachse flussaufwärts vorteilhaft gewesen sein: Entweder beim Kampf gegen innerartliche Konkurrenten oder als Verteidigung gegen Raubtiere. Möglicherweise kamen sie aber auch als Werkzeug zum Anlegen von Laichgruben am Flussgrund zum Einsatz. Es erscheint auch gut möglich, dass die seitlichen Hauer gleich mehreren Zwecken gedient haben, schreiben die Forschenden.

Abschließend sagt Claeson: „Wir wissen seit den 1970er Jahren, dass diese ausgestorbenen Fische die größten jemals lebenden Vertreter der Lachse waren. Mehr als ein halbes Jahrhundert später haben nun die neuen Entdeckungen mehr Licht auf ihre Merkmale geworfen“, so die Forscherin. Seniorautor Edward Davis von der University of Oregon in Eugene ergänzt dazu: „Ich freue mich sehr, dass wir den Riesenlachsen nun ein neues Gesicht geben konnten.“

Quelle: University of Oregon, Fachartikel: PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0300252

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