Wissenschaft

#Tarn-Technik von Zikaden entschlüsselt

Zikaden nutzen eine spezielle Nanostruktur, durch die ihre Körper weniger Licht reflektieren und für Feinde „unsichtbar“ werden. Die Insekten tarnen sich durch selbst produzierte winzige Nanokügelchen auf ihrer Körperoberfläche, die Licht streuen und absorbieren. Möglich macht dies der spezielle geometrische Aufbau dieser sogenannten Brochosomen, wie Forschende herausgefunden haben. Mit der Technik der Zikaden könnten künftig auch neue Materialien und Tarn-Beschichtungen entwickelt werden, vielleicht sogar Tarnumhänge.

Unsere Augen können Zikaden in der Natur oft nur schwer lokalisieren. Das liegt nicht nur an der Tarnfarbe dieser Insekten, sondern auch an mikroskopisch kleinen Körnern, mit denen die Tiere ihren Körper bedecken. Diese sogenannten Brochosomen verfügen über einen speziellen Aufbau im Nanometerbereich, durch den das Granulat besonders viel Licht absorbiert. Die selbst produzierte gleichmäßige Schutzschicht der Zikaden verhindert, dass ihre Körper Licht reflektieren und fördert so ihre Tarnung in der Umwelt. Durch ihre „Rüstung“ werden die Insekten nahezu unsichtbar. Aus früheren Analysen ist bekannt, dass Brochosomen kugelförmige, aber hohle Gitter-Gebilde mit fünf- und sechseckigen Löchern in ihrer Oberfläche sind. Wie diese komplexe geometrische Nanostruktur das Licht einfängt, war bislang jedoch kaum erforscht.

Nachbauten von Brochosomen aus dem 3D-Drucker
Die optische Funktion der Brochosomen testeten die Forschenden an Nachbauten aus dem 3D-Drucker. © Lin Wang and Tak-Sing Wong/Penn State

Brochosomen im 3D-Drucker nachgebaut

Ein Team um Lin Wang von der Pennsylvania State University hat dies nun anhand von künstlich hergestellten Brochosomen genauer untersucht. Mit einem modernen 3D-Drucker stellten die Forschenden synthetische Gitterkugeln mit Löchern her und bauten dabei den geometrischen Aufbau der Brochosomen erstmals präzise nach. In verschiedenen Experimenten testeten sie dann mit Spektrometern das Reflexionsvermögen der Nanokügelchen. Dabei zeigte sich: Wenn die Wellenlänge des Lichts ungefähr gleich groß ist wie der Durchmesser der Brochosomen, reflektieren die Brochosomen weniger Licht. Unter diesen Bedingungen streut die äußere Oberfläche der Kügelchen das Licht durch die sogenannte Mie-Streuung und verringert so ihr Reflexionsvermögen. Brochosomen sind bei allen Zikaden-Arten zwischen 300 und 700 Nanometer groß und liegen damit im Wellenlängenbereich von sichtbarem Licht.

natürliche Brochosomen, die den Körper von Zikaden (Gyponana serpenta) bedecken
Natürliche Brochosomen, die den Körper von Zikaden (Gyponana serpenta) bedecken. © Lin Wang and Tak-Sing Wong/Penn State

Licht mit kleineren Wellenlängen wird zudem im Innern der Brochosomen gefangen und absorbiert, wie die Tests zeigten. Das verringert zusätzlich die Lichtreflexion. Die etwa 100 bis 280 Nanometer großen geometrischen Löcher der Brochosomen, durch die das Licht einfällt, spielen daher eine entscheidende Rolle für ihre Funktionsweise, erklären Wang und seine Kollegen. Die mit Brochosomen bedeckten Zikaden reduzieren mit dieser Technik nicht nur das für uns sichtbare Licht, sondern auch UV-Licht, wie Folgeanalysen nahelegten. Die Forschenden schließen daraus, dass die Insekten sich so auch vor Tieren tarnen, deren Augen UV-Licht erkennen können. Dazu zählen beispielsweise Vögel und Reptilien.

Zusammen genommen führt dieser Aufbau dazu, dass die Brochosomen dank ihrer Nanostrukturen zwischen 80 und 94 Prozent weniger Licht reflektieren. „Es ist das erste Mal, dass wir in der Natur beobachten, wie das Licht mithilfe von Hohlpartikeln auf so spezifische Weise kontrolliert wird“, sagt Wang.

Tarn-Technik kann nachgeahmt werden

Damit haben Wang und seine Kollegen das Rätsel um die Zikaden-Tarnung gelüftet. Die Ergebnisse könnten aber auch helfen, nach Vorbild der Insekten künstliche Brochosomen für verschiedene technische Anwendungen herzustellen. Die synthetischen Nanostrukturen könnten beispielsweise für Licht absorbierende Materialien und Beschichtungen eingesetzt werden, um Gegenstände oder Personen besser zu tarnen. „Mit einer neuen Strategie zur Regulierung der Lichtreflexion auf einer Oberfläche könnten wir möglicherweise die thermischen Signaturen von Menschen oder Maschinen verbergen“, sagt Wang. „Vielleicht könnte man eines Tages einen thermischen Tarnumhang entwickeln, der auf den Tricks der Zikaden basiert.“

Aber auch beim Einfangen oder Abhalten von Sonnenstrahlung könnten die Brochosomen nützlich sein. Sie könnten beispielsweise verwendet werden, um effizientere Solaranlagen und Sonnenschutzmittel zu entwickeln. Medikamente könnten ebenfalls mit einer lichtabweisenden Brochosomen-Schicht überzogen werden, um sie vor lichtbedingtem Abbau der Wirkstoffe zu schützen. „Unsere Arbeit zeigt, wie das Verständnis der Natur uns bei der Entwicklung moderner Technologien helfen kann“, sagt Wang. „In dieser Studie haben wir uns nur auf eine Insektenart konzentriert, aber es gibt noch viele weitere erstaunliche Insekten, die darauf warten, von Materialwissenschaftlern untersucht zu werden. Sie können uns möglicherweise bei der Lösung verschiedener technischer Probleme helfen.“

Quelle: Lin Wang (Pennsylvania State University) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.2312700121

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