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#„Tarnmantel ist löchrig geworden“

„Tarnmantel ist löchrig geworden“

Im Fall der Drohschreiben-Affäre „NSU 2.0“ legt sich die Polizei immer stärker auf die Hypothese fest, wonach sich der mutmaßliche Verfasser die Daten seiner Opfer ohne Zutun der Polizei erschlichen hat. Wie der Leiter der „AG 211“ im hessischen Landeskriminalamt, Hanspeter Mener, am Mittwoch in einer Pressekonferenz von LKA und Staatsanwaltschaft deutlich machte, schließt er inzwischen eine Beteiligung hessischer Polizisten nahezu aus – auch deshalb, weil er „ein tiefes Vertrauen in seine Kollegen“ habe.

Er gab zwar zu, dass es noch immer viele offene Fragen gebe, etwa, wie der Verfasser kurz nach dem Umzug der Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz an deren Adresse gekommen war, die einen Sperrvermerk trug. Mit der üblichen Masche, sich als „Kollege“ auszugeben, kann das in diesem Fall nicht geschehen sein. Denn die Anschrift war zu diesem Zeitpunkt nur der Anwältin und ihrer Familie selbst, dem für sie zuständigen Polizeirevier, dem Staatsschutz und Mitarbeitern des LKA bekannt. Als Basay-Yildiz umzog, sperrte die Behörde ihre neue Adresse. Trotzdem nannte der Drohbriefschreiber diese kurz nach dem Umzug in einer weiteren E-Mail. Es gab diesmal aber keine telefonische Abfrage von irgendwoher. Das LKA hatte einen Sicherungsmechanismus eingerichtet, der alle Abfragen, die von außen bei den Polizeibehörden eingingen, „abfing“.

Datenweitergabe im Internet

Für das Bekanntwerden der neuen Adresse habe es auch mehrere andere Möglichkeiten gegeben, sagt Chefermittler Mener. So könne es sein, dass der Verfasser die neue Anschrift über das persönliche Umfeld der Anwältin habe herausfinden können oder durch Datenweitergabe im Internet. Dass sich der aus Berlin stammende Tatverdächtige ausgerechnet auf die hessische Polizei fokussierte, erklärt sich Mener damit, dass Basay-Yildiz einen Bezug zu Hessen hat. Das erscheine am plausibelsten.

Auch einen Zusammenhang mit der rechtsextremen Chat-Gruppe des 1. Polizeireviers in Frankfurt sieht der Ermittler nicht, der vor seiner Versetzung in die „AG 211“ Leiter der Frankfurter Kriminaldirektion war. Dass im Zuge der Datenabfrage der Anwältin im August 2018 die Gruppe enttarnt wurde, zu der auch die Beamtin gehörte, die zum Zeitpunkt der Adressenabfrage im besagten Computer eingeloggt war, ist laut Mener ein „Zufallsfund“.

Schließt inzwischen eine Beteiligung hessischer Polizisten nahezu aus: Hanspeter Mener vom LKA Hessen


Schließt inzwischen eine Beteiligung hessischer Polizisten nahezu aus: Hanspeter Mener vom LKA Hessen
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Bild: Maximilian von Lachner

Dennoch bleiben viele Antworten spekulativ. So ist etwa offen, wie der Verfasser an die Polizei-Interna gelangen konnte, die er vor allem in den früheren Drohschreiben nannte. Mener sagte, die Informationen seien im Internet frei recherchierbar. Bisher hatte es immer geheißen, diese Daten seien nicht „offen“, deshalb seien die Ermittler auf die Fährte gesetzt worden, der Verfasser müsse ein Angehöriger der Polizei sein.

Was unklar ist

Die Hypothese umfasst weiter die Annahme, der Beschuldigte habe sich bei den Revieren als Kollege ausgegeben und die Daten auf diese Weise abgefragt. Warum die betreffenden Beamten sich an einen solchen Anruf aber nicht erinnern konnten, blieb am Mittwoch unklar. Mener äußerte, es könne sein, dass es diese Anrufe gegeben habe, es die Beamten aber in den Vernehmungen nicht zugegeben hätten. Das müsse nun geklärt werden. Er könne sich gut vorstellen, dass sich doch noch jemand finden werde, der sich erinnern könne.

Dass mit der Festnahme des 53 Jahre alten Mannes aus Berlin die Ermittlungen längst nicht abgeschlossen sind, stellte der Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Albrecht Schreiber, klar. Der Beschuldigte sei dringend verdächtig, „Urheber aller Drohschreiben zu sein“. Auch als Beschaffer der Daten komme er in Betracht. Die Ermittlungen würden nun aber „mit derselben Intensität fortgesetzt“, denn es blieben weiterhin Fragen. So müsse geklärt werden, ob es Helfer oder Mittäter gebe und wie es sich mit den Daten aus den hessischen Polizeirevieren verhalte. Weiterhin sagte Schreiber, es sei ein gutes Zeichen, „dass die Anonymität des Internets nicht mehr vollständig gegeben ist. Der Tarnmantel ist löchrig geworden.“

Der für die Ermittlungen zuständige Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan nannte unterdessen weitere Details zum Zugriff. So warteten die Einsatzkräfte am Montagabend so lange, bis der Verdächtige an seinem Rechner saß und dieser angeschaltet war. Dann nahmen sie ihn fest. In der Wohnung seien diverse Datenträger sichergestellt worden und eine Waffe. Wozu diese getaugt hätte, das werde noch geprüft.

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