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#Tech-Werte im Würgegriff Pekings

Tech-Werte im Würgegriff Pekings

Eigentlich ist der Hang-Seng-Tech-Index Chinas ganzer Stolz. Der Index zeigt die Wertentwicklung der 30 größten an der Hongkonger Börse gelisteten Technologieunternehmen. Mit den Apps, die sie anbieten, steht ein Großteil des chinesischen Milliardenvolks morgens auf und geht mit ihnen abends zu Bett. Der Social-Media- und Spielegigant Tencent ist darunter, dessen Alleskönner-App Wechat rund 80 Prozent aller Chinesen im Alter von 16 bis 64 Jahren nutzen. Meituan bringt in über 1000 chinesischen Städten in einer halben Stunde das auf der App bestellte Essen selbst in den 60. Stock hinauf, an die Wohnungstür oder ins Büro.

Der Hang-Seng-Tech-Index enthält so klangvolle Namen wie den Computerhersteller Lenovo und Chinas wohl bekanntestes Internetunternehmen Alibaba. Wenn es eine Branche in der zweitgrößten Wirtschaft gibt, die bereits heute technologisch mit führend ist in der Welt und in vielen Kriterien die Konkurrenz aus Amerika bereits abgehängt hat (in Europa ist diese meist gar nicht existent), dann ist es Chinas Internetindustrie. Dennoch ist der Index an der Hongkonger Börse, der erst im Sommer vergangenen Jahres aufgesetzt wurde, seit seinem Höchststand im Februar um 43 Prozent gesunken. Ist da etwa eine Tech-Blase geplatzt in der Volksrepublik? Oder haben die Chinesen plötzlich aufgehört, ins Internet zu gehen, bestellen ihr Essen wieder beim Kellner im Restaurant und kaufen ihre Kleidung im Laden wie vor 20 Jahren?

Der Druck der Regierung für deren „langfristige Herrschaft“

Nichts dergleichen. Für die katastrophale Entwicklung von Chinas Tech-Aktien ist die eigene Regierung verantwortlich. Vor rund einem Jahr hat diese begonnen, die privaten Internetunternehmen unter regulatorisches Sperrfeuer zu nehmen. Monopolistisches Verhalten, die Gefährdung der nationalen Sicherheit, die Ausbeutung der Arbeiterschaft und der chinesischen Konsumenten gleichermaßen, die Verdummung der Jugend – es gibt kaum eine Übeltat, die Peking den bis vor Kurzem in China als Helden verehrten Tech-Konzernen nicht vorwirft. Als die Kommunistische Partei im November zu ihrer 6. Plenartagung zusammenkam, bereitete sie nicht nur die dritte und wohl noch lange nicht letzte Amtszeit von Staatspräsident Xi Jinping vor. Die Partei erklärte, für ihre „langfristige Herrschaft“ sei ihre Macht über das Internet von essenzieller Bedeutung, was eine harte Regulierung erforderlich mache.

Was das konkret bedeutet, hat Peking bereits eindrucksvoll gezeigt. Alibaba, Tencent und Meituan sind mit zum Teil hohen Geldstrafen belegt worden. Der chinesische Fahrdienst Didi, der angeblich gegen den Willen der Partei einen Tag vor deren Feier zu ihrem 100-jährigen Bestehen in New York an die Börse gegangen war, muss sich von dieser auf Druck der Regierung wieder verabschieden. Doch auch in Hongkong, an dem sich das Unternehmen stattdessen listen lassen will, stößt Didi offensichtlich auf Widerstand – weil die Regierung wohl findet, der Fahrdienstleister müsse sich erst einmal grundlegend reformieren, das Taxigeschäft von seiner Finanzsparte trennen und seine Fahrer besser bezahlen und versichern.

Eine schwarze Liste aus Amerika

Mit einem Börsengang in Hongkong wird es auch erst einmal nichts für Sense Time, ein in der Kommerzialisierung von Künstlicher Intelligenz führender Anbieter, der in der Welt bekannt geworden ist wegen seiner Produkte zur Gesichtserkennung. Diese filtern nicht nur an Bahnhöfen in Schanghai und Peking Verbrecher aus den täglichen Menschenmassen heraus, sondern sollen Berichten zufolge auch in der Provinz Xinjiang an der Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren beteiligt sein. 1,5 Milliarden Aktien für 3,85 bis 3,99 Hongkong-Dollar je Stück wollte Sense Time an der Hongkonger Börse verkaufen, was umgerechnet bis zu 680 Millionen Euro erlöst hätte – was bereits nur noch ein Drittel dessen ist, was das Unternehmen bei seiner Erstemission eigentlich hatte einnehmen wollen.

Dass Sense Time am Montag seine Börsenpläne in Hongkong vorerst abgesagt hat, begründet der Anbieter aus Peking mit einer schwarzen Liste der amerikanischen Regierung, die Unternehmen in China aufführt, in die amerikanische Anleger – ob privat oder institutionell – nicht investieren dürfen. Ob und wann Sense Time auf der Insel an die Börse geht, sagte das Unternehmen am Montag nicht. Man verfolge die Erstnotiz auch weiterhin, hieß es nur.

Das regulatorische Donnerwetter aus Peking dauert an

Klar ist, dass der Aktienmarkt in Hongkong kurzfristig vor schweren Zeiten steht angesichts der Tatsache, dass seinen Tech-Schwergewichten sowohl im Ausland als auch im eigenen Land aus der Politik ein scharfer Wind ins Gesicht weht. Zwar hat die amerikanische Regierung gerade neue Regeln erlassen, nach denen chinesische Unternehmen in Amerika aus der Börse geworfen werden, wenn sie drei Jahre in Folge die Berichte ihrer Wirtschaftsprüfer nicht vorlegen – was Chinas Gesetze als Gefährdung der nationalen Sicherheit verbieten. Das könnte also spätestens 2024 eine Welle chinesischer Titel an die Hongkonger Küste spülen, vielleicht auch schon vorher, sollten die Firmen bereits vor Ablauf der Frist freiwillig oder auf Druck Pekings den USA den Rücken kehren.

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Dass die Heimkehr der Tech-Unternehmen jedoch nicht zwangsläufig zu einem Siegeszug des Hongkonger Aktienmarkts werden muss, darauf könnte dessen schlechte Entwicklung der vergangenen Monate hindeuten. Investoren, die darauf hofften, das regulatorische Donnerwetter aus Peking sei bald ausgestanden und die Bahn fortan wieder frei für Chinas früher so prosperierende Tech-Industrie, würden „enttäuscht“ werden, schreibt Thomas Gatley vom Pekinger Analysehaus Gavekal Dragonomics. Schließlich wolle Peking ganz offensichtlich die Geschäftsmodelle der Internetunternehmen bis ins Detail hinein bestimmen, wobei höchste politische Priorität die Kontrolle grenzüberschreitender Datenflüsse habe. In der Folge sei ein heftiges Schwanken der Kurse in Hongkong „auf absehbare Zukunft die Norm“.

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