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#Terror und Deep Purple

„Terror und Deep Purple“

Ungefähr drei Tage bevor er vor ein Erschießungskommando tritt, hält der rumänische Diktator Nicolae Ceauşescu seine letzte öffentliche Rede. Es ist der 22. Dezember 1989. Ceauşescu trägt einen dunklen Mantel mit Pelzkragen und steht neben seiner Frau Elena auf dem Balkon des Gebäudes des Zentralkomitees der kommunistischen Partei in Bukarest. Er versucht, die Menschenmenge auf dem Platz zu beruhigen. Es gelingt ihm nicht. Die Aufständischen schwenken blau-gelb-rote Fahnen, aus denen sie das Staatswappen herausgeschnitten haben. Sie buhen Ceauşescu aus, stürmen ins Gebäude. Der große Conducător muss vor seinem eigenen Volk fliehen.

Ceauşescu und seine Frau steigen in einen Hubschrauber auf dem Dach des ZK-Gebäudes. Um 12.08 Uhr hebt der Pilot ab. Die Aufständischen sind da schon ins Erdgeschoss vorgedrungen. Die Hubschrauberflucht der Ceauşescus gehört zu den ikonischen Momenten der Dezemberrevolution. Fane, der Erzähler aus „Die Goldene Höhle“, dem Debütroman des rumänischen Autors Cătălin Partenie, verschläft diesen Moment. Er wird um „weit nach zwölf“ Uhr von einem Nachbarn geweckt. Aber das ist nur eine von vielen Pointen in Partenies Roman.

Erinnerungsbericht und Coming-of-Age-Roman

Partenie hat „Die Goldene Höhle“ als Mischung aus Erinnerungsbericht und Coming-of-Age-Roman angelegt, ein „Stand by Me“ aus dem neostalinistischen Rumänien. Fane, kurz für Ştefan, erinnert sich darin an seinen besten Freund Paul. Ein Philosophiestudent aus Bukarest, der vier Jahre älter als Fane ist, ein eigenes Schlagzeug und einen Künstlerausweis besitzt, ausgestellt vom Rat für Kultur und Sozialistische Bildung. Fane bewundert Paul. Er spricht mit ihm über Deep Purple und Frank Zappa, über Charles Mingus und John McLaughlin, den schnellsten Gitarristen der Welt. Er hört Paul beim Spielen zu: „Jetzt vibrierte alles um mich herum – das Schlagzeug, die Luft, die Wände –, und es war fast so, als wären aus meinen Trommelfellen die eines Schlagzeugs geworden.“ Er raucht mit ihm Double-Horse-Zigaretten aus China und merkt sich jedes Wort, das Paul sagt. So wie es nur Teenager können, die ein Idol gefunden haben.

Cătălin Partenie: Philosophieprofessor und Romanautor


Cătălin Partenie: Philosophieprofessor und Romanautor
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Bild: privat

Fane lernt Paul im September 1988 kennen. „Der Steuermann“, wie Ceauşescu im Roman genannt wird, lässt da gerade ein monströses Regierungsgebäude in Bukarest errichten: das Haus des Volkes. Es besteht aus 700 000 Tonnen Stahl, aus 550 000 Tonnen Zement und 3500 Tonnen Kristallglas – und ist bis heute das schwerste Gebäude der Welt. Zu dem „pharaonischen und paranoiden“ Bau gehört auch ein Boulevard, der wie die Champs-Élysées auf Steroiden aussieht. Gleichzeitig will Ceauşescu sämtliche Auslandsschulden zurückzahlen. Die Folge ist eine brutale Mangelwirtschaft in Rumänien. Nahrungsmittel sind knapp. Strom, Wasser und Gas werden rationiert. Es fehlt an allem.

Ein Theaterdepot als Gegenwelt

Den Horror der letzten Ceauşescu-Jahre beschreibt Partenie in kurzen Nebensätzen, die er oft in Fanes und Pauls Frank-Zappa-Gespräche einschiebt. Einmal erzählt Fane, dass es in den Geschäften nur noch „billigen Schaumwein und Frauenunterhosen“ gibt. Ein anderes Mal stellt eine Kellnerin Kaffee auf den Tisch, zwei Sätze später erwähnt Fane, dass es sich dabei eigentlich um Nechezol handelt: eine „Art schwarzes Pulver, das zwar nicht gerade wie Kaffee schmeckte, aber den Blutdruck hob“.

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