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#Heißhunger auf verbotene Früchte: das neue Linz

Heißhunger auf verbotene Früchte: das neue Linz

Diese Stadt überrascht und provoziert immerzu. Selbst wenn man sich ihr auf hergebrachte Art nähert und den neugotischen Mariendom aus dem neunzehnten Jahrhundert besichtigt, bringt Linz den Besucher sofort aus dem touristischen Trott. Pfarrer und Bischof haben dort längst erkannt, dass Österreichs flächenmäßig größte Kirche in heutiger Zeit für religiöse Riten und das Feiern der Messe völlig überdimensioniert ist. Deshalb wurde ein moderner Altar aus weißem Stein in der Vierung platziert, näher an die Gläubigen heran. Gleich daneben und mitten im Zentrum des Geschehens lässt sich eine bewegliche Bodenplatte um einige Meter nach oben ausfahren, sodass eine Bühne entsteht, auf der Orchester und Musikgruppen für ein weltliches Publikum musizieren können. Hier haben sogar schon Technokonzerte stattgefunden. Regelmäßig dient das Kirchenschiff außerdem als Galerie für Ausstellungen, manchmal für monumentale Installationen. Vor einigen Jahren wurde ein Teil der Kirchenfenster im Kapellenkranz durch moderne Glasmalerei ersetzt. Die Beschreibung der Schöpfung geschieht dabei einmal nicht mit biblischen Motiven, sondern orientiert sich an wissenschaftlichen Beobachtungen von Weltall und Materie sowie an den Resultaten von Forschung und Technologie. Abstrakt dargestellt sind zum Beispiel die Umlaufbahnen der Atomteilchen, Zellformen des menschlichen Körpers oder Platinen aus elektronischen Schaltungen. Unabhängig von der Glaubensrichtung kann man sich als „Eremit im Turm“ in der Türmerstube hoch über der Stadt einmieten. Sie ist wohnlich ausgestattet mit Bett, Stuhl, Tisch, Herd und einer Toilette; das Essen bekommt der Gast aus der bischöflichen Küche geliefert.

Flammende Hochöfen mit rauchenden Schloten

Linz war über Jahrhunderte ein unbedeutender Ort. Das örtliche Schloss diente den Habsburgern nur als Rückzugsort und Trutzburg, wenn sie ihren Sitz in Wien gefährdet sahen. Weil das nur selten der Fall war, wurde die Anlage kaum bewohnt. Anton Bruckner wirkte zeitweise in Linz als Domorganist, Kepler und Mozart haben vorbeigeschaut, Ludwig Wittgenstein besuchte die Realschule, Adalbert Stifter ist hier begraben – aber keiner von ihnen hat entscheidende Spuren hinterlassen. Die Nationalsozialisten hingegen hatten große Pläne. Adolf Hitler war in Linz zur Schule gegangen und wollte sie zu einer monumentalen Musterstadt umbauen. Das Modell dafür stand bis zum Schluss im Führerbunker, doch der geplante architektonische Gigantismus wurde zum Glück nicht verwirklicht. Im Stadtzentrum entstanden lediglich ein paar belanglose Gebäude, die auch heute kaum auffallen. An der Peripherie jedoch übernahm mit den Eisenhütten „Hermann Göring“ die Stahlindustrie das wirtschaftliche und kriegswichtige Kommando, aufgebaut und betrieben mit Zwangsarbeitern aus ganz Europa.

Rauher Charme: Wien mag schöner sein, aber aufregender als die Hauptstadt ist derzeit wahrscheinlich Linz.


Rauher Charme: Wien mag schöner sein, aber aufregender als die Hauptstadt ist derzeit wahrscheinlich Linz.
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Bild: Malfalda Rakos

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Linz eine industrielle „Stahlstadt“ par excellence. Oskar Kokoschkas Gemälde „Linzer Landschaft“ aus dem Jahr 1955, eines der Meisterwerke aus der Sammlung des Kunstmuseums Lentos, zeigt, wie das Stahlwerk mit seinen flammenden Hochöfen und rauchenden Schloten die blasse Stadt am Donauufer in den Schatten stellt, obwohl der Künstler die Fabrikanlagen zurückhaltend in einer Ecke des Bildes platziert hat. Linz besaß damals in ganz Österreich einen unterirdischen Ruf; jeder fuhr so schnell wie möglich vorbei, denn, so hieß es, „in Linz stinkt’s“. Gefallen daran fand nur eine alternative Szene, die sich in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts um die Punkband Willi Warma scharte. Mit ihrem Song „Stahlstadtkinder“ brachte sie das proletarische Lebensgefühl der Jugend zum Ausdruck: „Ich fühl’ mich so wohl in der Stahlstadt / Nirgendwo sonst könnt’ ich so glücklich sein/ Nirgendwo sonst gibt’s täglich Smogalarm / Fahren lustige Zombies in der Straßenbahn / Stahlstadtkinder, immer im Duell / Stahlstadtkinder leben viel zu schnell.“

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