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#Teufelspakt im Fadenkreuz

Teufelspakt im Fadenkreuz

Man sucht sich seine Markenbotschafter nicht immer aus. Im Falle des „Tatorts“, neben der „Tagesschau“ die wichtigste Kernmarke der ARD, ist das nun ausgerechnet der Akten frühstückende Olaf Scholz, der freilich auch schon mal breitbeinig mit der Bazooka herumstolziert. Die Sache mit der Marke ist wörtlich zu verstehen, denn das Bundesfinanzministerium ist zuständig für jährlich rund fünfzig Sonderwertzeichen der Deutschen Post. Aktuell gibt Scholz’ Haus eine „Tatort“-Briefmarke heraus. Anlass ist der 50. Geburtstag der Mord-und-Ratschlag-Serie, deren erste, noch nicht als „Tatort“ produzierte Folge, „Taxi nach Leipzig“, am 29. November 1970 gezeigt wurde. Sie begann – ganz wie die neuste, ebenso atmosphärische Episode – mit einer kopflosen Einstellung.

Gestaltet hat die Briefmarke der Bonner Grafiker Thomas Steinacker, wobei er frecherweise ein Motiv aus dem ikonischen Serienvorspann im Umriss eines Kathodenstrahlröhrenbildschirms vor ein museales Testbild montierte: pure Nostalgie, Schwelgen in alter Größe. Nichts von all dem digitaljugendlichen Killefitz, auf den man bei der ARD so stolz ist.

Zum Jahrestag wurde jetzt sogar besonders viel Low-Budget-Zusatzcontent in die sozialen Netzwerke gekippt: Quizze, Spiele, Chats, Mash-ups, Glückwünsche, Interviews, eine bemüht lustige Mockumentary rund um das kurz vor Dienstantritt stehende neue Bremer Team (Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram und Dar Salim). „Auch der ‚Tatort‘ wird sich in nächster Zukunft veränderten Sehgewohnheiten stellen“, verkündet WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn anlässlich des Fünfzigjährigen – und es klingt wie eine Drohung. Die „Tatort“-App ist derweil offenbar so schlecht gelaufen, dass sie nun kleinlaut eingestellt wird.

Mit der Wucht einer klassischen Tragödie

Vielleicht stimmt Steinackers Verdacht einfach: Das „Tatort“-Lagerfeuer am Sonntagabend erklärt sich längst nicht mehr dadurch, dass die Serie aufregend innovativ wäre, sondern dadurch, dass sie genau das nicht ist. Was einst ein seelisches Reinigungsritual am Ende der Woche gewesen sein mag – der ausgemistete Augiasstall –, seit Schimanski dann auch proletarisch-sozialdemokratische Replik auf die Republik Helmut Kohls, ist heute vielleicht nur noch ein Ritual der festen Uhrzeit. Weniger Law and Order als Gewohnheitsrecht.

Inmitten der großen Online-Verzettelung wollen die Deutschen einen letzten Ort haben, an dem es noch analog glimmt; die durchschnittlich 620.000 Digitalabrufe erreichen jedenfalls nicht einmal ein Zehntel der linearen Zuschauerzahl. Lustig darf es für das Publikum gerne zugehen, wobei nicht stört, wenn es immer wieder dieselben Witze sind (also eher Münster als Weimar). Allzu große Abweichungen von der Wo-waren-Sie-gestern-Abend-Norm werden ansonsten zuverlässig abgestraft. Den „Tatort“, dieses Großmütterchen im Wolfspelz, ins Jenseits des Linearfernsehens überführen zu wollen wirkt wie eine Verzweiflungstat: Gegen die Edelserien aus aller Welt kann eine solche (spottgünstige) Produktion wohl kaum bestehen.

Haben etwas zu besprechen: Jörg Hartmann, Miroslav Nemec, Aylin Tezel und Udo Wachtveitl im Jubiläums.„Tatort“.


Haben etwas zu besprechen: Jörg Hartmann, Miroslav Nemec, Aylin Tezel und Udo Wachtveitl im Jubiläums.„Tatort“.
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Bild: WDR/Frank Dicks

Fast so zahlreich wie die Allüren der Kommissare sind inzwischen, eine Folge des Alters, die Jubiläen: der 25. Fall aus Stuttgart, 25 Jahre Lena Odenthal, die tausendste Episode, die millionste Currywurst. Der aktuell begangene Jahrestag ist immerhin ein echter. Und mit Anerkennung darf vermeldet werden, dass die ARD sich dazu eine ästhetisch wie erzählerisch ungewöhnlich starke, gänzlich humor- und belehrungsfreie Doppelfolge gönnt: einen Mafia-Plot unter dem schönen, mehrsinnigen Titel „In der Familie“, der fern der üblichen Klischees die Wucht einer klassischen Tragödie entfaltet und letztlich das Genre überschreitet. Das Einzige, was daran neuerlich nicht funktioniert, ist die Zusammenschaltung von zwei „Tatort“-Teams, was zu einer absurd großen Ermittlerdichte führt.

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