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#„Die Bevölkerung ist verzweifelt“

„Die Bevölkerung ist verzweifelt“

Herr Pierre, nach dem Erdbeben vom Samstag hat am Montag ein Sturmtief das Katastrophengebiet erreicht. Inwiefern hat das die Lage beeinträchtigt?

Wir haben ernsthafte Probleme, die Menschen unterzubringen, die ihre Behausungen durch das Erdbeben verloren haben. Die Lage ist unübersichtlich und chaotisch. Die Leute sind dem Regen ausgesetzt. Es gab auch einige schwache Nachbeben. Viele zögern weiterhin, in die noch intakten Gebäude zurückzukehren.

Was hat sich am Samstag nach dem Beben in Les Cayes abgespielt?

In den ersten Stunden herrschte eine enorme Verzweiflung und ein Gefühl der Hilflosigkeit. Familien mit Kindern suchten nach Unterstützung, auf den Straßen war Geschrei zu hören. Überall lagen Trümmer. Auch die Krankenhäuser selbst wurden beschädigt. Ich spreche da nicht nur von Les Cayes, sondern von der gesamten betroffenen Region im Süden Haitis. Wir kennen Erdbeben in Haiti, gerade nach dem Beben 2010. Doch der Süden war nie schwer betroffen. Für die Bevölkerung dort war das neu.

Wie ist die Hilfe angelaufen?

Die Situation ist sehr komplex. Anfänglich gab es erhebliche Probleme, das Gebiet zu erreichen, vor allem wegen der Sicherheitslage auf einigen Verbindungswegen, die von Banden kontrolliert werden. Den Behörden und verschiedenen Organisationen ist es gelungen, die Einrichtung eines humanitären Korridors auszuhandeln. Erst am Sonntagabend kamen die ersten Hilfstrupps aus der Hauptstadt Port-au-Prince. Die Einschätzung ist immer noch schwierig, da einige Gebiete weiterhin nicht zugänglich sind und der Regen die Situation weiter erschwert hat. Unterdessen werden Schwerverletzte mithilfe der Behörden, ausländischer Regierungen und internationaler Organisationen in andere Krankenhäuser außerhalb des Katastrophengebiets verlegt.

Wie steht es um die Versorgungslage?

Die Wasserversorgung ist durch das Erdbeben komplett zusammengebrochen. Es fehlt an Wasser und an Trinkwasser, es fehlen Nahrungsmittel und Medikamente. Und es fehlen vor allem auch Zelte und Feldbetten, um die Menschen unterzubringen. In einigen Ortschaften der Region ist bisher noch überhaupt keine Hilfe angekommen. Die Behörden waren auf eine solche Katastrophe nicht vorbereitet. Jede Art von Hilfe ist nun dringend notwendig. Der Mangel ist außerordentlich.

Man hört viel von Les Cayes. Doch wie steht es um die anderen Ortschaften in der Region?

In Les Cayes bündeln sich im Moment alle Kräfte. Die Situation ist prekär, doch in abgelegeneren Gebieten haben wir enorme Schwierigkeiten. Die Hilfe darf sich nicht nur auf die urbanen Zentren beschränken. Gerade in einigen peripheren Vierteln ist die Zerstörung durch das Beben erschreckend. Alle verfügbaren Kräfte müssen nun in der Region aufgeteilt werden.


Bild: F.A.Z.

Hat Haiti überhaupt die Kapazitäten, um auf eine solche Katastrophe zu reagieren?

Nein. Haiti allein kann nicht angemessen auf diese Situation reagieren. Die haitianische Regierung braucht internationale Hilfe, um ihre Möglichkeiten im Katastrophenschutz zu erhöhen. Der Zivilschutz leistet zwar eine außerordentliche Arbeit. Doch es fehlt an logistischen Kapazitäten, um die Hilfe aufrechtzuerhalten und die Bergungsarbeiten fortzusetzen. Das Gesundheitswesen muss wieder auf die Beine kommen. Ganz zu schweigen von mittelfristigen Aufgaben wie dem Schulwesen. Ein Großteil der Schulen in der Region ist zerstört. Es braucht Räume und Fachleute. Haiti schafft das nur mit internationalen Partnern.

In welchen Zustand war die Region vor dem Erdbeben?

Die wirtschaftliche Situation im gesamten Land ist seit einigen Jahren sehr schwierig. Der Süden litt zusätzlich unter den Folgen der Katastrophe in der Folge des Hurrikans Matthew im Jahr 2016. Die Situation der Bevölkerung hat sich seither nicht verbessert. Die Mehrheit ist weiterhin sehr anfällig. Das Land braucht dringend mehr Stabilität.

Wie beurteilen Sie die Stimmung in der Bevölkerung nach dem Erdbeben?

Die Bevölkerung ist unruhig und hat das Vertrauen verloren. Die humanitären Organisationen, aber auch die Regierung haben nun eine große Verantwortung, um dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Wir tun alles dafür, um der haitianischen Bevölkerung zu helfen, die in einer verzweifelten Situation ist.

Sie waren 25 Jahre alt, als 2010 ein verheerendes Erdbeben mehr als 200.000 Menschen tötete. Wie hat diese Katastrophe Ihr Leben verändert?

Ich war damals in der Hauptstadt Port-au-Prince und kroch aus einem beschädigten Haus. Das hat mir das Risiko von Naturkatastrophen vor Augen geführt und auch meine Neugierde geweckt. Ich wollte wissen, wie ich mich und andere vor diesen Risiken schützen kann. Und schließlich hat es auch meine berufliche Laufbahn bestimmt. Ich will meine Erfahrung einsetzen, um anderen zu helfen. Das Erdbeben von 2010 war vielleicht eine der wichtigsten Erfahrungen in meinem Leben. Ich sehe das Leben seither mit anderen Augen.

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