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#Trägheit schadet nicht

Trägheit schadet nicht

Gut, dass wir Geimpften jetzt wieder in unsere Fitnessstudios können. Alle sind offenbar indes noch nicht wieder zurück. Vor Corona war es zur Rushhour häufig schwer, einen Platz auf den Crosstrainern zu ergattern. Jetzt ist immer einer frei.

Rainer Hank

Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Ob die Fitnessbranche in den vergangenen Monaten arg gelitten hat? Ja, sagt eine Studie der Beratungsfirma Deloitte. Um 25 Prozent brachen die Umsätze im Jahr 2020 ein, sie schrumpften auf rund 4 Milliarden Euro. Die Deloitte-Leute sagen freilich auch, dass das Wachstum der Branche, von der Corona-Delle abgesehen, nicht aufzuhalten sei: Zehn Millionen Deutsche sind Mitglieder in einem der 10.000 Fitnessbetriebe; bei 80 Millionen Deutschen ist das jeder Achte. Das heißt nicht, dass die alle ständig an den Hanteln und Beinpressen trainieren. Nicht wenige zahlen monatlich ihren Beitrag und beziehen allein schon aus dem Status als offizielle Karteileiche ein gutes Fitnessgewissen.

Die erzwungene Unterbrechung durch die Pandemie macht deutlich, wie sehr wir im „Zeitalter der Fitness“ angekommen sind. So nennt es der Kulturwissenschaftler Jürgen Martschukat. In meiner Kindheit und Jugend gab es so etwas noch nicht. Da ging man (ich nicht) auf den Bolzplatz, was niemand als Fitnesstraining bezeichnet hätte. Oder in den Sportverein. Es ging um wettbewerbliches Spiel, nicht um körperliche Ertüchtigung. Die Betriebe hatten keine Rabattverträge mit den Fitness-Kompanien, sondern organisierten Betriebssportgruppen.

Diese Betriebssportwelt gibt es nicht mehr

Mein Vater, Hausmeister bei der Dresdner Bank in Stuttgart, war stolz darauf, deren Fußballmannschaft zu trainieren –­ „coachen“ sagte er eines Tages, obwohl wir beide nicht wussten, was das bedeutet. Immer dienstagabends war Training. Danach tranken sie Bier und spielten noch ein paar Runden Skat.

Diese Betriebssportwelt gibt es nicht mehr. Dass aber aus dem Gemeinschaftssport inzwischen eine Trimm-dich-Welt der Egoisten geworden sei, wie häufig zu hören ist, glaube ich nicht. Meine Freunde verabreden sich ständig gemeinsam auf dem Golfplatz, ihre Kinder spielen Handball, Fußball oder Hockey. Die Turngemeinde Bornheim 1860 e. V. in Frankfurt oder der Eimsbütteler Turnverband 1898 in Hamburg genießen Kultstatus.

Deshalb finde ich die erhobenen Zeigefinger der Kulturwissenschaftler ein bisschen übertrieben, die uns neuerdings erklären, wie schrecklich es sei, dass der perfekte Körper („Bauch, Beine, Po“) ausschließlich zum Ausweis der Leistungsfähigkeit ge- oder gar missbraucht werde. Wer schwächelt, habe schon verloren.

Regelmäßige Bewegung tut gut

Und wer soll an dem sozialdarwinistischen Körperkult schuld sein? Klar, wieder einmal der Neoliberalismus. Weil von den bösen Neoliberalen jede Lebenslage als Wettbewerbssituation gedeutet werde, die die Menschen dazu auffordere, ihre Freiheit erfolgreich zu nutzen, um die anderen klein zu halten. Alles und jedes werde heutzutage dem Markt unterworfen, also eben auch der eigene Körper, klagt der schon genannte Kulturwissenschaftler Martschukat. Die Neoliberalismus-Schelte ist so erwartbar wie dürftig. Sie stammt aus dem abgestandenen neomarxistischen Reservoir meiner Jugend, wo immer alles „gesellschaftlich bedingt“ war. Was das Bedingende sei, bleibt beliebig.

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