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#Schwarze Löcher und schnelle Sterne! – Astrodicticum Simplex

Schwarze Löcher und schnelle Sterne! – Astrodicticum Simplex

Wer hätte das gedacht! Nachdem der Physik-Nobelpreis 2019 für die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten und die Kosmologie vergeben worden ist, hat man auch in diesem Jahr wieder astronomische Forschung ausgezeichnet! Damit habe ich nicht gerechnet und auch nicht mit dem Thema des Preises: Es geht um schwarze Löcher. Allerdings nicht um das erste Bild eines schwarzen Lochs das im vorigen Jahr gemacht wurde. Eine absolut nobelpreiswürdige Forschung, die aber trotzdem nicht ausgezeichnet wurde. Stattdessen haben den Preis Roger Penrose, Reinhard Genzel und Andrea Ghez bekommen. Für nicht weniger nobelpreiswürdige Arbeit die auch mit schwarzen Löchern zu tun hat.

Dem Preis für Roger Penrose werde ich mich demnächst noch mal extra widmen. Kurz gesagt wurde er dafür ausgezeichnet, weil er mathematisch zeigen konnte, dass schwarze Löcher nicht nur irgendeine obskure mathematische Kuriosität der allgemeinen Relativitätstheorie sind die keine reale Bedeutung haben. Sondern tatsächlich zwingend aus dem folgen, was Albert Einstein über die Gravitation herausgefunden hat und auch als konkrete Objekte im echten Universum existieren müssen. Etwas, dass übrigens Stephen Hawking später auf das ganze Universum angewandt hat und so bestätigt hat, dass es einen Urknall gegeben haben muss.

Das zentrale schwarze Loch (SgrA*) der Milchstraße und seine Umgebung im Röntgenlicht – unterschiedliche Farben entsprechen Röntgenstrahlung unterschiedlicher Energie (Bild: NASA/CXC/Univ. of Wisconsin/Y.Bai. et al.)

Die andere Hälfte des Nobelpreises ging zu gleichen Teilen an die amerikanische Astronomin Andrea Ghez und den deutschen Astronom Reinhard Genzel. Beide haben unabhängig voneinander mit ähnlichen Methoden nachgewiesen, dass sich im Zentrum unserer Galaxie ein supermassereiches schwarzes Loch mit der mehr als viermillionenfachen Masse der Sonne befinden muss (und den schönen Namen “Sagittarius A*” trägt). Getan haben sie das durch die Beobachtung von Sternen, die sich in unmittelbarer Nähe des Lochs befinden. So wie die Planeten unsere Sonne umkreisen diese Sterne das schwarze Loch. Dafür brauchen sie teilweise nur wenige Jahre; also ausreichend wenig Zeit um die Bewegung der Sterne tatsächlich beobachten und ihre Umlaufbahnen bestimmen zu können. Aus der Größe der Umlaufbahn kann man abschätzen wie groß das Ding im Zentrum ist das sie umkreisen. Und aus der Geschwindigkeit des Umlaufs lässt sich die Masse des zentralen Objekts berechnen. Aus Größe und Masse folgt die Dichte und das was da im Zentrum ist, ist so dicht, dass es nur ein schwarzes Loch sein kann.

Dass da im Zentrum der Milchstraße ein schwarzes Loch sitzt hat man vorher auch schon vermutet. Aber erst die konkreten Daten von Genzel, Ghez und ihren Kollegen haben einwandrei nachgewiesen, dass das auch wirklich so ist. Die entsprechende Forschung hat vor circa 20 Jahren begonnen – und ist seitdem immer weit fortgeschritten. Viele der Dinge die man seitdem über unser zentrales schwarzes Loch herausgefunden hat, habe ich in meinem Blog erklärt (siehe dazu die Links weiter unten). Einer der von Genzel und Ghez untersuchten Sterne gehört aber auch zu den 100 Sternen, die ich in meinem Buch “Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen”* beschrieben habe. Und so wie im letzten Jahr beim Stern 51 Pegasi möchte ich auch jetzt den Anlass nutzen und das entsprechende Kapitel aus dem Buch auch hier in meinem Blog verfügbar zu machen. Viel Spaß damit (und weiter unten gibt es noch mehr Material zum Nobelpreis).

S0-102 – Der Stern am Rande des Abgrunds

S0-102 ist der Extremsportler unter den Sternen. Er saust so schnell wie kein anderer um das Zentrum unserer Milchstraße. Und hat uns dabei geholfen zu verstehen, was für ein erstaunliches Objekt sich dort befindet. Denn mitten im Herz der Milchstraße sitzt ein Supermassereiches Schwarzes Loch, das 4 Millionen Mal schwerer als die Sonne ist.

Die Existenz solcher gigantischen Objekte hatte man schon länger vermutet. Aber erst die genaue Beobachtung der Sterne in der Nähe des galaktischen Zentrums hat diese Vermutung ohne jeden Zweifel bestätigt. Unsere Milchstraße kann man sich in erster Näherung als Scheibe vorstellen, in deren Mitte eine große Kugel sitzt. In der Scheibe sind die Sterne in Spiralarmen angeordnet, und dort befindet sich auch unsere Sonne. Das Zentrum jedoch befindet sich im sogenannten »Bulge«, einer kugelförmigen Region mit einer Ausdehnung von etwa 10 000 Lichtjahren. Dort gibt es sehr viel mehr Sterne als in den Spiralarmen, und sie drängen sich viel dichter zusammen. Und genau in der Mitte all dieser Sterne sitzt das zentrale Supermassereiche Schwarze Loch.

An dieser Stelle befindet sich auch der Stern mit dem Namen S0-102, der zusammen mit einer Gruppe anderer Sterne in erstaunlich kurzer Zeit um das Zentrum herumrast. Um sich einmal komplett durch die gesamte Milchstraße zu bewegen, braucht unsere Sonne ungefähr 220 Millionen Jahre. S0-102 schafft eine Runde um das zentrale Schwarze Loch in nur 11,5 Jahren, wie die amerikanische Astronomin Andrea Ghez und ihre Kollegen im Jahr 2012 entdeckten. Er ist damit schneller als jeder andere dort bekannte Stern – und damit auch eine extrem wertvolle Informationsquelle.

Denn im Gegensatz zu einem Schwarzen Loch selbst, das ja gerade deswegen »schwarz« genannt, weil von dort nichts, auch kein Licht entkommen kann, lässt sich so ein Stern recht gut beobachten. Aus der Bewegung von S0-102 lassen sich einige der Eigenschaften des Schwarzen Lochs ableiten. Sterne wie S0-102 waren es überhaupt erst, dank denen wir zweifelsfrei wissen, dass es dort so ein Schwarzes Loch geben muss.

Je näher ein Stern dem Objekt ist, das er umkreist, desto schneller tut er das. Hier gelten die gleichen Gesetze, die auch die Bewegung von Planeten um einen Stern bestimmen. Und so, wie man aus der Bewegung der Planeten berechnen kann, wie schwer der Stern ist, den sie umkreisen, kann man anhand der Umlaufbahnen von Sternen wie S0-102 auch bestimmen, wie schwer das Ding sein muss, um das herum sie sich bewegen. Schon Ende der 1990er-Jahre hat man aus der Beobachtung anderer Sterne, die ähnlich nah am Zentrum vorbeifliegen, berechnet, dass sich dort ein extrem massereiches Objekt befinden muss. Und aus der Größe der Umlaufbahn erhielt man auch eine Obergrenze für dessen mögliche Ausdehnung. Das Resultat: Im Zentrum der Milchstraße war so viel Masse auf so wenig Raum gedrängt, dass es sich eigentlich nur um ein Schwarzes Loch handeln kann. Als dann auch noch S0-102 seine Runde um den galaktische Mittelpunkt vollendet hatte, ließ die Auswertung der Daten keinen Zweifel mehr zu. Mit nun zwei vollständig beobachteten Umlaufbahnen konnten Ghez und ihre Kollegen die Masse des Schwarzen Lochs auf 4,1 Millionen Sonnenmassen festlegen.

Im Zentrum der Milchstraße sitzt also ein unvorstellbar massereiches Schwarzes Loch – so viel ist klar. Ebenso haben wir mittlerweile Gewissheit darüber, dass auch in den Zentren aller anderen großen Galaxien solche Objekte zu finden sind. Wir wissen allerdings noch nicht, wie Schwarze Löcher mit derart gigantischen Massen überhaupt entstehen können. Auf jeden Fall nicht wie die »normalen« Schwarzen Löcher durch den Kollaps eines Sterns, denn so gewaltige Sterne kann es nicht geben.

Sterne wie S0-102 können sich daher auch weiterhin der astronomischen Aufmerksamkeit gewiss sein. Sie werden uns in Zukunft mit Sicherheit noch dabei helfen, das eine oder andere Geheimnis zu lüften. Sofern sie dem Schwarzen Loch nicht zu nahe kommen und von ihm verschluckt werden …

Hörbuch und Podcast

Wer lieber hört als liest, kann sich das Kapitel auch anhören. Denn das Buch gibt es natürlich auch als Hörbuch*. In meinem Podcast “Sternengeschichten” habe ich vor einiger Zeit auch eine eigene, ausführliche Folge über den Stern “S2” veröffentlicht der von Reinhard Genzel und seinem Team untersucht wurde:

Noch mehr über das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße

Zum Abschluss gibt es noch eine Auswahl an Artikeln die ich im Laufe der Zeit über die Forschung am zentralen schwarzen Loch der Milchstraße hier im Blog geschrieben habe:

Nächstes Jahr wieder Astronomie?

Zwei Astronomie-Nobelpreise in Folge! Ich kann mir kaum vorstellen, dass nächstes Jahr das Tripel voll gemacht wird. Obwohl ja immer noch der Preis für das erste Bild eines schwarzen Lochs ausständig ist. Ein bisschen verwirrt mich die Entscheidung des Nobelpreiskomitees dann doch. Wieso jetzt dieser Preis für die Erforschung supermassereicher Löcher, bei dem aber das revolutionäre erste Bild nicht berücksichtigt worden ist? Wie lange will man nun warten, bis diese Forschung auch ausgezeichnet wird? Oder hat man vielleicht sogar probiert, sich mit dem Preis für Penrose, Genzel und Ghez aus der Affäre zu ziehen, weil man nicht weiß, welchen drei konkreten Personen aus dem riesigen Team des “Event Horizon Telescopes” (mit dem das Bild des schwarzen Lochs in der Galaxie M87* gemacht worden ist) man den Preis verleihen soll? Ich bin gespannt, wie diese Geschichte weiter geht…

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Quelle

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