#Warum sich die Briten kaum für den Brexit interessieren
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„Warum sich die Briten kaum für den Brexit interessieren“
Gegen Ende seiner Presseschau, der vielleicht bekanntesten im Land, hielt der BBC-Moderator Andrew Marr inne, blickte ins Publikum und sagte: „Jetzt kommt eine erstaunliche Feststellung: Unser Programm läuft seit 13 Minuten, und bisher habe ich das Wort Brexit noch kein einziges Mal ausgesprochen.“ Das war in der Tat erstaunlich. 36 Stunden zuvor waren die Verhandlungen mit der EU von der Regierung für „faktisch beendet“ erklärt worden, und Kabinettsbürominister Michael Gove hatte an diesem Sonntagmorgen einen strammen Artikel veröffentlicht. Es dauerte nur zwei Minuten, und das Thema war von Marrs Gästen abgehandelt.
So geht es schon das ganze Jahr. Die Briten, selbst die politischen Beobachter, wirken ermattet, fast desinteressiert. Seit die Verhandlungen über das künftige Verhältnis zur EU laufen, spielen sie in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle. Selbst das drohende Ende der Gespräche und die Aussicht auf einen Brexit ohne Handelsvertrag waren den meisten Zeitungen nicht wichtig genug, um dies nach oben zu rücken; in der „Times“ fand man nur einen mittelgroßen Artikel auf Seite fünf. Viele Zeitungen auf dem Kontinent stellten das Drama hingegen auf die erste Seite.
Keine Angst vor dem No-Deal-Brexit
Die Eskalation mit Brüssel fiel im Königreich mit einer innenpolitischen Konfrontation zusammen. Zehn Tagen stritten sich Unterhändler in der Downing Street mit dem Bürgermeister von Manchester, weil dieser die Seuchenschutzauflagen für seine Stadt nicht akzeptieren wollte, bevor sich der Premierminister am Dienstagabend durchsetzte, ohne die Forderungen der Gegenseite zu akzeptieren. Boris Johnson hatte, so gesehen, gleich zwei Verhandlungen am Hals, und die innerenglische Variante erregt die Menschen (und die Regierung) weit mehr als die internationale.
Aber Verwerfungen, die das Coronavirus mit sich bringt, sind auch den Ländern der EU nicht fremd. Das hindert die politische Klasse auf dem Festland nicht daran, dem Brexit gerade erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Was also ist los im Königreich? Anne McElvoy, eine landesweit bekannte Kommentatorin, sieht vor allem Zermürbung am Werk. „Diese Geschichte beschäftigt die Gemüter der Wähler jetzt schon eine ganze Weile, daher neigen sie dazu, den möglichen Schaden eines No-Deal-Ergebnisses abzutun“, sagt sie.
Abgestumpft gegenüber den Gefahren
Zwei Entwicklungen flankieren diesen Befund. Zum einen beruhigt die Regierung die Bürger seit Wochen, dass das Land gut vorbereitet sei auf kommende Veränderungen. Johnson spricht dabei nicht von einem drohenden „No Deal“, sondern von der Chance eines ganz normalen Handelsverhältnisses, so wie man es mit Australien pflege. Australien ist den Briten nah, man kennt dessen Produkte auf dem heimischen Markt. Zum anderen haben übertriebene Warnungen der Brexit-Gegner viele Briten gegen die tatsächlichen Gefahren abstumpfen lassen. Das hat sie dafür anfällig gemacht, nun den Optimisten und deren Euphemismen zu trauen.
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