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#Vergils Herkunft

Vergils Herkunft

Und jene, die mit aufgelösten Zöpfen
Die Brüste deckt, die von dir abgewendet,
Und deren Haar ganz auf der andern Seite,
Ist Manto, die durch viele Länder irrte
Und die sich niederließ, wo ich geboren,
Wovon ich gern dir noch erzählen möchte.

E quella che ricuopre le mammelle,
che tu non vedi, con le treccie sciolte,
e ha di là ogni pilosa pelle,
Manto fu, che cercò per terre molte;
poscia si puose là dove nacqu’io;
onde un poco mi piace che m’ascolte.

(Inferno XX, 52–57, übersetzt von Hermann Gmelin)

Die fortwährende Abrechnung, die Dante mit seiner Geburtsstadt Florenz während des gesamten Werkes unterhält (etwa Inferno VI, 49), lässt schon vermuten, dass es auch im Fall des bewunderten Vergil nicht nur von beiläufigem Interesse sein wird, woher dieser stammt. Sowohl in dessen Selbstvorstellung im ersten wie auch in seiner Einsetzung als Dantes Begleiter im zweiten Gesang des Inferno kommt Vergils Herkunft aus Mantua zur Sprache (I, 69). Beatrice (II, 58) apostrophiert ihn als „anima cortese mantovana“, als liebenswürdige Seele aus Mantua, derjenigen Stadt, die auch durch Vergils legendäres Grab-Epigramm im Umlauf geblieben ist: „Mantua me genuit“.

Während Vergil in der Aeneis Mantua durch Ocnus gründen lässt, ist es im zwanzigsten Gesang des Inferno dessen Mutter, oder auch eine namensgleiche Frau, Manto, die den Ort entdeckt hat, an dem später die Stadt gegründet und nach ihr benannt wurde. Und diese Nähe der Namen enthält ein Programm – und ein Problem: Manto tritt in den hier ausgewählten Versen als eine jener heillosen Wahrsagerinnen, Propheten und Zauberer auf, die nach christlichem Glauben irrtümlich gemeint haben, als Menschen in die Zukunft schauen zu können. Wie ihr berühmter Vater Teiresias steht sie schon durch ihren Namen in Verbindung mit dem Beruf der Seherin, „mantis“. Zu ihrer Strafe wird ihnen daher das Gesicht um 180 Grad verdreht, die Umkehrung ihres Voraussehens.

Und doch muss Dante darauf achten, Vergil nicht als Mantuaner und Mantiker mit den in den achten Höllenkreis verbannten Weissagern zu identifizieren. Immerhin war Vergil im Mittelalter in der Form Virgilius auch mit der magischen Zauberrute in Verbindung gebracht worden. Daher sollte neben der antik-prophetischen Geburtsstadt auch Vergils christlich deutbare Zukunftsschau eine Rolle spielen. Im 22. Gesang des Purgatorio ist es dann der römische Dichter Statius, der sich zu Dante und Vergil hinzugesellt, den dieser verehrt als den Dichter der Vierten Ekloge, mit deren Vision von der Geburt eines kindlichen Erlösers er ein Licht aufgesteckt hat, das zwar nicht mehr Vergil selbst, aber doch den Menschen nach ihm leuchten konnte, wie etwa auch Dante.

Mathias Mayer lehrt Literaturwissenschaft in Augsburg.

Alle bisherigen Folgen unserer Serie u finden Sie unter www.faz.net/dante.

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