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#Vielleicht haben sie ja doch ein Bewusstsein

„Vielleicht haben sie ja doch ein Bewusstsein“

Lars Chittka rekapituliert in „The Mind of a Bee“ seine umfangreichen Forschungsarbeiten an Hummeln und Honigbienen. Dabei lernt man unter anderem die Sinneswelt (sehr detailliert den Sehsinn) der Tiere kennen, liest über eindrucksvolle kognitive Leistungen und staunt über altes und neues Wissen zu Aufbau und Funktion der Gehirne dieser Insekten. All das wird am Ende zusammengeführt zu der Frage: „Haben Bienen Bewusstsein und Emotionen?“

Damit reiht sich das Buch ein in eine Serie von aktuellen Publikationen, die sich damit auseinandersetzen, ob und wie wir die Frage nach einem Bewusstsein bei Tieren mit der Aussicht auf belastbare Antworten studieren können. Folgt man dem Annäherungsversuch des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel in dessen Essay „What is it like to be a Bat?“ – Chittka nennt ein Kapitel „What it’s like to be a bee“ –, muss das Unterfangen hoffnungslos bleiben, denn die Wissenschaftnimmt stets eine Außenperspektive ein, mit der sich die Innenperspektive der Wahrnehmungswelt gar nicht fassen lasse.

Es gibt aber einen Ausweg, der über eine Aufstellung von Kriterien zumindest formale Zuordnungen zulässt, die verblüffen. Verständigt man sich darauf, dass sich Intelligenz etwa zeigt durch die Fähigkeit, Probleme zu lösen, sich Dinge zu merken oder sich anpassen zu können, sind sogar Schleimpilze intelligent. Sie finden den kürzesten Weg durch ein Labyrinth und können erlernte Informationen an Artgenossen weitergeben. Diesen Ansatz, über eine Zusammenstellung von Kriterien Antworten zu erhalten, verfolgt auch Chittka, wenn er nach Bewusstsein und Emotionen bei Bienen fahndet. Allerdings weiß er um die Risiken seiner Herangehensweise: „Natürlich bewegen wir uns auf spekulativem Gelände.“

Raffinierte Experimente zum Wabenbau

Nimmt man kognitive Leistungen und ein bestimmtes Verhalten als Gradmesser, müsste man konsequenterweise auch manchen Maschinen die Eigenschaften zugestehen, über die hier zu Insekten berichtet wird. Ein härterer Kriterienkatalog zieht physiologische Prozesse im Gehirn der Lebewesen hinzu. So hat Dhruv Grover mit einigen Kollegen in der Zeitschrift „Nature“ im Frühjahr 2022 eine molekularbiologische Studie veröffentlicht, die besagt: Vorgänge während komplexer kognitiver Abläufe im Gehirn von Taufliegen ähneln denen im Gehirn von Säugetieren.

Lars Chittka: „The Mind of a Bee“.


Lars Chittka: „The Mind of a Bee“.
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Bild: Princeton University Press

Überlegungen zum „Innenleben“ von Insekten wurden schon früh von Forschern angestellt, deren Beobachtungen und Gedanken Chittka ausführlich vorstellt. Dazu gehören der Schweizer Bienenforscher François Huber (1750–1831), der Amerikaner Charles Turner (1867–1923), der Franzose Jean-Henri Fabre (1823–1915) und der belgische Schriftsteller Maurice Maeterlinck (1862–1949). Diese Pioniere waren vergessen oder wurden von streng denkenden Wissenschaftlern wegen ihrer anthropomorphen Betrachtung nicht ernst genommen. So ist es bemerkenswert, dass der Zoologe Karl von Frisch keine einzige Arbeit von Turner, Fabre und Maeterlinck in seinem Buch „Tanzsprache und Orientierung der Bienen“ (1965) erwähnt. Deren Versuche waren solide und reproduzierbar, allerdings dürften ihre Schlussfolgerungen über ein mögliches „Innenleben“ der Bienen allzu abwegig erschienen sein, um die Arbeiten ernst zu nehmen.

Verblüffende Leistungen von Hummeln

Auf sicherem Grund bewegt sich Chittka bei der Schilderung höchst raffiniert ausgedachter Experimente zum Wabenbau. Allerdings sind dabei die Bauketten, anders als im Buch ausgeführt, kein Phänomen unbekannter Funktion, sondern ein Artefakt der Bienenhaltung. Sie kommen bei Nestern, freigebaut in hohlen Bäumen, nicht vor. Souverän sind auch Chittkas Einlassungen zur Erkennung optischer Reize bei frei fliegenden Bienen und zu Experimenten, mit denen kognitive Leistungen der Bienen und Hummeln offengelegt wurden. Die verglichen mit der chemischen Wahrnehmungswelt einfache Kontrollierbarkeit optischer Reize (Farbe, Helligkeit, Muster und so fort) macht es verständlich, dass diese Sinnesmodalität in bisherigen Forschungen mit einer Tiefe bearbeitet worden ist, die für andere Sinne nachzuholen bleibt. Mit besseren chemischen Methoden, einsetzbar mit hoher zeitlicher und räumlicher Differenzierung auch bei frei fliegenden Bienen, wird es möglich sein, auf diesem Feld aufzuholen und drängende Fragen zur Kommunikation der Bienen („Tanzsprache“) zu beantworten.

Ein natürlich gewachsener Bienenstocks der Universität Würzburg


Ein natürlich gewachsener Bienenstocks der Universität Würzburg
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Bild: Picture Alliance

Der Autor stellt eine Reihe verblüffender Leistungen von Hummeln vor, darunter etwa Verhalten, das er als Werkzeuggebrauch betrachtet: In einem Experiment möchte das Insekt an eine blütenförmige Unterlage mit Futter gelangen. Daran aber wird es gehindert. Die Nahrung lässt sich nur erreichen, wenn die Hummel an einer Schnur zieht – was nicht alle, aber manche mit ihren Beinen und Mundwerkzeugen tatsächlich machen. Das Verhalten erinnert an das Bemühen der Hummel, sich in Blüten hineinzuarbeiten, hier allerdings, da sie am Fortkommen gehindert wird, auf der Stelle krabbelnd und so die „Blüte“ zu sich heranziehend.

Interessant ist vor allem, dass Exemplare, die sich dieses Verhalten ihrer Artgenossen anschauten, anschließend häufig dazu in der Lage waren, es zu kopieren. Sie haben durch Beobachtung gelernt. Sind Überlegungen zu Formen des Bewusstseins bei Bienen schon nicht einfach anzustellen, ist das Thema „Emotionen bei Insekten“ noch um einiges heikler. Chittka schildert Experimente, die es für ihn nahelegen, den Bienen Gefühlsregungen („they might experience some form of emotions“) zuzutrauen, auch wenn diese Idee im Sinne von Thomas Nagel nicht überprüfbar ist. Die Vorstellung ist durchaus einnehmend. Und nützlich wäre sie auch, sollte sie einem nachhaltigen Schutz dieser Insekten Vorschub leisten.

Lars Chittka: „The Mind of a Bee“. Princeton University Press, Princeton 2022. 272 S., Abb., geb.,29,99 €.

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