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#Vom Impfmusterland zum Hochrisikogebiet

Vom Impfmusterland zum Hochrisikogebiet

Es ist erst wenige Tage her, da wurde Italien als Erfolgsmodell für die Impfkampagne gegen das Coronavirus gepriesen: hohe Impfquote, niedrige Inzidenz. Zum Selbstlob der italienischen Regierung kam jenes der ausländischen Besucher. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob bei seinem Antrittsbesuch in Rom am 20. Dezember die „sehr vorbildliche Impfquote“ Italiens hervor. Ministerpräsident Mario Draghi bedankte sich beim Bundeskanzler artig für das Lob.

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Keine zwei Wochen später kommen aus Berlin andere Töne. Pünktlich zu Neujahr hat das Robert-Koch-Institut (RKI) Italien wegen der rasch steigenden Inzidenz als Hochrisikogebiet eingestuft – wie schon kurz zuvor die beiden anderen südeuropäischen Impfmusterländer Spanien und Portugal. 89,6 Prozent der Italiener über zwölf Jahre sind mindestens einmal geimpft, zwei Dosen haben 85,6 Prozent erhalten, eine Booster-Impfung 33,1 Prozent.

Dennoch kam es jetzt zur sprunghaften Zunahme der Neuinfektionen. Das Gesundheitsministerium in Rom meldete an Silvester gut 144.000 Neuinfektionen, an Neujahr mehr als 141.000. So hoch war die Zahl der täglichen Infektionen noch nie seit Beginn der Pandemie. Zusammengezählt waren zu Jahresbeginn bisher mehr als eine Million Italiener nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Landesweit erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz in der letzten Woche des Jahres 2021 nach Angaben des obersten Gesundheitsinstituts (ISS) in Rom einen Wert von 783; in der Woche zuvor lag sie noch bei 351.

Düstere Bilanz für das Tourismusjahr 2021

Zuletzt entfielen gemäß ISS noch immer 79 Prozent der Infektionen auf die Delta-Variante, nur 21 Prozent auf die Omikron-Variante. Die nächste nationale „Variantenerhebung“ hat das ISS für diesen Montag vorgesehen. Besonders stark stiegen die Inzidenzen zuletzt laut der Stiftung GIMBE in Bologna, die zur evidenzbasierten Medizin forscht, ausgerechnet in Regionen wie der Toskana, der Lombardei und Latium, die zu den nationalen Spitzenreitern bei der Impfquote gehören.

Arnold Schuler, der für Fremdenverkehr zuständige Landesrat (Minister) der autonomen italienischen Provinz Südtirol, zeigt sich alarmiert angesichts der neuen Entwicklung und Einschätzung des RKI: Er fürchtet einen Einbruch der Zahl von deutschen Winterurlaubern. Denn wer aus einem Hochrisikogebiet nach Deutschland zurückkehrt und nicht geimpft oder nachweislich genesen ist, muss für zehn Tage in Quarantäne, ein „Freitesten“ durch ein negatives Testresultat ist frühestens nach fünf Tagen möglich. Dass es keine Ausnahmen für Kinder gebe, werde Auswirkungen auf Familien haben, die ihren Winterurlaub in der bei Deutschen beliebten norditalienischen Ferienregion bereits angetreten oder diesen geplant hätten. Viele Familien aus Deutschland würden wohl auf den Winterurlaub in Südtirol verzichten, befürchtet Schuler.

Eine düstere Bilanz für das gesamte Tourismusjahr 2021 zog kurz vor dem Jahreswechsel auch der italienische Handelsverband Confcommercio. Danach gab es im Vergleich zum letzten pandemiefreien Reisejahr 2019 einen Rückgang um 120 Millionen Übernachtungen. „Die italienische Wirtschaft hat ohne die treibende Kraft des Tourismus keine Chance“, warnte Confcommercio-Präsident Carlo Sangalli. Er forderte weitere staatliche Unterstützung für den notleidenden Fremdenverkehr, der gut 13 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes ausmacht. Schon die jüngst wieder verschärften Maßnahmen der Regierung in Rom wegen der Sorge vor der Omikron-Variante hätten zu einem Rückgang der Buchungen allein für den Inlandsurlaub während der Weihnachtsfeiertage um fünf Millionen Übernachtungen geführt. Eine mögliche Erholung des Tourismus erwartet Sangalli erst „im Sommer 2022, fast 30 Monate nach Beginn der Pandemie“.

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Vorerst kommen noch weitere Einschränkungen hinzu. Von diesem Montag an gilt halb Italien als „gelbe Zone“ mit erhöhtem Infektionsrisiko und verschärften Maßnahmen, etwa der Maskenpflicht auch im Freien. Neben Südtirol und der Nachbarprovinz Trient werden auch Friaul-Julisch Venetien, Kalabrien, Latium, die Lombardei und die Marken, das Piemont, Sizilien und Venetien wieder als „gelb“ eingestuft. Für Mittwoch wird damit gerechnet, dass die Regierung eine Impfpflicht für das gesamte Arbeitsleben einführt: Wie schon jetzt im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und bei den Sicherheitskräften darf dann nur noch an den Arbeitsplatz, wer geimpft oder genesen ist; ein negativer Test genügt nicht mehr.

Am 10. Januar schließlich tritt in ganz Italien ein faktischer Lockdown für Ungeimpfte für das gesamte gesellschaftliche Leben in Kraft: Dann gilt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, einschließlich Bussen und Bahnen im Nahverkehr, dazu in Beherbergungs- und Bewirtungsbetrieben, bei öffentlichen Veranstaltungen, Ausstellungen oder Messen und auch für die Nutzung von Seilbahnen und Skiliften die 2-G-Regel. Die trägt in Italien den Namen „Super Green Pass“.

Ungeachtet der jüngsten Entwicklungen hat sich Präsident Sergio Mattarella in seiner letzten Ansprache zum Jahreswechsel optimistisch gezeigt. Kurz vor Ablauf seiner siebenjährigen Amtszeit, die am 3. Februar endet, schaue er „voller Zuversicht“ in die Zukunft, sagte der Präsident. Zugleich appellierte er an die Bürger des Landes, im Kampf gegen die Pandemie weiter auf Impfungen zu setzen, um sich selbst und andere vor einem schweren Krankheitsverlauf zu schützen. „Was hätten wir damals gegeben, um eine Impfung zu haben?“, fragte Mattarella im Rückblick auf den Beginn der Pandemie vor fast zwei Jahren.

Forschung und Wissenschaft hätten viel früher als erhofft einen Impfstoff entwickelt. Die Impfung nicht zu nutzen sei „eine Beleidigung“ für all jene, die zu Beginn der Pandemie diese Chance nicht gehabt und die bis heute keinen Zugang zu einem Impfstoff hätten. Ministerpräsident Mario Draghi lobte das Werben Mattarellas um nationale Einheit, um Solidarität und Patriotismus. Mattarellas Worte hätten „das Herz aller Bürger berührt“, sagte Draghi.

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